Angriffe auf Meinungsfreiheit und kriminalisierter Protest
Seit Enrique Peña Nieto das Land regiert, wird weniger über Gewalt in Mexiko berichtet. Doch auf dem Gebiet der Meinungsfreiheit hat sie gegenüber dem Vergleichzeitraum des Vorjahres zugenommen, so ein Bericht der Menschenrechtsorganisation für Pressefreiheit, Article 19.
In den frühen Morgenstunden des 17. April explodierten ein Brandsatz und eine Granate in den Räumen der Zeitung „Mural“ im mexikanischen Bundesstaat Jalisco. Dies war der erste Angriff auf dieses Blatt – verletzt wurde niemand – doch bereits der siebte auf Einrichtungen der Grupo Reforma, der auch das Blatt in Jalisco gehört. In Nuevo León hat es – binnen knapp zwei Jahren – sechs Angriffe auf die Grupo Reforma gegeben.
Einen Tag vor dem Angriff auf Mural hatte die Zeitung in einer Meldung berichtet, in der Stadt seien mehrere Transparente aufgetaucht, auf denen zu lesen sei, hinter den selbstorganisierten Wachen, die an den Rändern von Jalisco und Michoacán entstanden seien, stehe ein gewisses Drogenkartell. „Wir sind entschlossen unsere Informationsarbeit fortzusetzen”, erklärte der Personalchef von Mural, Francisco Mercado, nach dem Vorfall gegenüber Article 19. Auch zwei Monate nach diesem Angriff haben die Behörden keine Täter aufspüren können.
Weniger Berichterstattung – mehr Angriffe
Auch wenn über derartige Fälle seit dem Amtsantritt von Enrique Peña Nieto im Dezember 2012 in der Presse weniger berichtet wird – laut dem Halbjahresbericht von Article 19 haben sie gegenüber dem ersten Halbjahr des Vorjahres um 46 Prozent zugenommen. In den ersten drei Monaten des Jahres hat die Organisation 51 Fälle registriert, von April bis Ende Juni gab es noch einmal 100 Angriffe. Nicht immer entstand nur Sachschaden an der Eingangstür und am Parkplatz. Zwei Journalisten wurden im ersten Halbjahr ermordet, eine Person verschwand, es gab 16 verbale Drohungen – zwei davon Todesdrohungen, fünf Mal wurde eine Person illegalerweise ihrer Freiheit beraubt.
Dass die Berichterstattung zurückgegangen ist, könne laut einem Bericht des Observatoriums für öffentliche Kommunikationsprozesse zu Gewalt (OPCPV) unter anderem auch an einer veränderten Kommunikationsstrategie der neuen Regierung liegen. Der „Kampf gegen den Drogenkrieg” verschwand völlig aus dem Regierungsdiskurs, während sich das Innenministerium stattdessen um eine bessere Handhabe offizieller Informationen zum Thema konzentrierte, so OPCPV. Im ersten Halbjahr 2013 sei beispielsweise in den Printmedien des Hauptstadtdistrikts die Berichterstattung über Gewalt um bis zu 50 Prozent gegenüber dem letzten Halbjahr Calderón-Regierung zurückgegangen. Die Gewalt gegen die Presse sei jedoch nicht zurückgegangen „sondern auf alarmierende Weise angestiegen“, warnt Article 19 in seinem Bericht.
Das Recht auf Protest
Doch noch ein anderer Punkt beunruhigt die Organisation: Die Kriminalisierung sozialer Proteste. Vor allem wer zu Protesten gegen den Präsidenten aufruft, scheint gefährlich zu leben: Anfang Mai wurden die Jugendlichen Néstor López, Eduardo Salazar und Iván Ismael Guizasola in Puebla illegal verhaftet, weil sie über soziale Netzwerk zu einer Demonstration gegen den Präsidenten Enrique Peña Nieto, aufgerufen hatten, der am 5. Mai in der Stadt erwartet wurde. In León, Guanajuato, wurden sechs Studenten des Centro de Estudios Científicos y Tecnológicos del Estado (CECyTEG) zeitweise exmatrikuliert, weil sie am 16. Mai an Protesten teilgenommen hatten, bei denen auch der Präsident anwesend war, so der Bericht von Article 19.
“Es scheint, als ob wolle man, aus der Regierung heraus, eine Verteufelung von Protesten durchsetzen“, resümiert Article 19. Proteste seien zum einen ein „Zeichen der Stärkung einer pluralistischen Demokratie, in denen Diskurse auch tragfähig sind“, zum anderen eine „wertvolle und legale Form des Ausdrucks“.
Die Angriffe auf die Meinungsfreiheit kamen im zweiten Trimester des Jahres vor allem von Regierungsbeamten. Doch auch „Unbekannte“ oder Gewerkschaften waren oft die Aggressoren. So zitiert der Bericht die Drohung des Bundesparlamentsabgeordneten Guillermo Anaya Llamas (PAN) bei einer Pressekonferenz in Torreón Coahuila gegenüber einem Reporter. Letzterer wurde mit den Worten: „Was du brauchst, ist, dass sie dich mal kidnappen“, bedroht.
Autorin: Bettina Hoyer