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Abstimmung über Flughafen als Testballon für direkte Demokratie

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein (Symbolfoto: Free-Photos, Pixabay, CC0)
Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein (Symbolfoto: Free-Photos, Pixabay, CC0)

Bereits im Wahlkampf hatte der neugewählte Präsident Andrés Manuel López Obrador, der am 1. Dezember sein Amt antreten wird, gegen den bereits zu einem Drittel fertiggestellten Bau als „Symbol der Korruption“ im Land gewettert. Ihn stören vor allem die hohen Kosten von rund 13,3 Milliarden US-Dollar, davon rund 30 Prozent öffentliche Gelder, die Lage und Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Aufträgen.

Die Anwohner sind in erster Linie wegen der Auswirkungen auf die Gemeinden und die Umwelt besorgt. In der vergangenen Woche kam es wieder zu Demonstrationen. „Flughafen des Todes! Nein zur Auferlegung, Nein zur Enteignung!“ skandierten Mitglieder der Frente de Pueblos en Defensa de la Tierra de San Salvador Atenco (FPDT) Macheten schwingend und in Begleitung des künftigen Verkehrsministers Javier Jiménez Espriú. Die FPDT hatte sich im Jahr 2001 aus Protest gegen den vom damaligen Präsidenten Vicente Fox geplanten Bau eines Flughafens auf dem Gebiet des früheren Sees von Texcoco gegründet. Im Mai 2006 schließlich kam es zu Demonstrationen nachdem Dutzenden Blumenhändlern der Verkauf ihrer Waren auf dem Wochenmarkt verboten worden war. Bei dem folgenden brutalen Angriff von Polizeieinheiten auf San Salvador Atenco, um die von der FPDT blockierte Bundesstraße Texcoco-Lechería zu räumen, starben zwei Menschen, mehrere Hundert wurden geschlagen, misshandelt und festgenommen, mindestens 27 inhaftierte Frauen sexuell missbraucht. Obwohl nationale und internationale NGOs die Morde, Vergewaltigungen und Dutzende Fälle von Misshandlungen und Folter durch Polizisten nachgewiesen und denunziert haben, wurden die Täter bis heute nicht zur Verantwortung gezogen. Die Gruppe FPDT machte deutlich, dass sie nicht an der Flughafen-Abstimmung von der derzeitigen Regierung Peña Nietos teilnehmen werden.

Die Bewohner von Atenco hoffen auf eine Lösung des Konflikts durch López Obrador. Dieser brachte den Ausbau der bestehenden Militärbasis Santa Lucía im Norden von Mexiko-Stadt als günstige Alternative ins Spiel. Das unabhängige Forschungsinstitut MITRE Corporation stellt jedoch die Rentabilität von Santa Lucía in Frage. Der gleichzeitige Betrieb mit dem derzeitigen Flughafen würde Risiken und Verzögerungen verursachen. Eine andere Studie der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, die von der neuen Regierung zitiert wird, kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Viel Ungewissheit also.

Plan A + B

Die Einstellung der Arbeiten in Texcoco würde Experten zufolge mehr als fünf Milliarden US-Dollar kosten. Für beide Optionen Texcoco und Santa Lucía existieren technische Elemente, die dafür und dagegen sprechen. Gutachten und Einschätzungen von Ingenieuren und zivilgesellschaftlichen Gruppen können auf einer eigens eingerichteten Internetseite eingesehen werden.

Die Frage, die die Bevölkerung ab Donnerstag beantworten soll, lautet: „Welche Option halten Sie angesichts der Sättigung des Internationalen Flughafens von Mexiko-Stadt für die beste für das Land? Die aktuellen Flughäfen in Mexiko-Stadt und Toluca zu renovieren und zwei Pisten in der Militärbasis Santa Lucía zu bauen? Oder mit dem Bau des neuen Flughafens in Texcoco fortzufahren und den aktuellen Internationalen Flughafen von Mexiko City aufzugeben?“

Niedrige Wahlbeteiligung erwartet

Abgestimmt wird in 538 der 2458 Landkreise Mexikos. Damit könnten 82 Prozent der in der Wählerliste registrierten Mexikaner an der Abstimmung teilnehmen. Die meisten befürworten zwar das Prozedere, zeigen aber wenig Interesse. López Obradors Übergangsteam erwartet, dass rund eine Million Menschen an der Umfrage teilnehmen wird, rund ein Prozent der Wahlberechtigten. Das Ergebnis der Konsultation sei für ihn verbindlich, so López Obrador.

Der Bau des neuen Flughafens unweit des Texcoco-Sees, rund 30 Kilomenter nordöstlich von Mexiko-Stadt, begann 2014. „Es ist zum Vorteil der Vertragsfirmen, ich habe keinen Zweifel, sie wollen sich bereichern, sie wollen rauben“, reklamierte Lo?pez Obrador bereits 2015. Im Wahlkampf kochte das Thema erneut hoch und sorgte für polemische Auseinandersetzungen mit dem Telekom-Magnaten Carlos Slim, einem der reichsten Menschen weltweit, sowie dem mächtigen Unternehmerverband Consejo Coordinador Empresarial (CCE). Slims Holding ist an dem neuen Flughafen als Bauherr und Investor beteiligt. Ein Baustopp bremse die Entwicklung des Landes, warnte er. Zuletzt zeigte er sich versöhnlicher. Wie auch immer die Entscheidung ausgehe, der neue Flughafen solle privat betrieben werden, sagte Slim unter der Woche auf einem Wirtschaftsforum in Guadalajara.

„López Obrador hat erkannt, dass dies [die Auseinandersetzung um den neuen Flughafen, Anm.] im Wahlkampf nützlich sein konnte (…). Die Befragung ist gut für ihn, um nicht selbst die Entscheidung treffen und die politischen Kosten bezahlen zu müssen“, so der Analyst Carlos Bravo Regidor. „Es handelt sich nicht nur um einen politischen Ausweg, im Gegenteil, López Obrador nimmt das ernst und bestätigt, was er im Wahlkampf versprochen hat, den Menschen zuzuhören“, sagt dagegen Antonio Martínez, Berater der neuen Regierung. Die Volksabstimmung ist also zugleich ein Testballon der neuen Regierung für diese Form der Bürgerbeteiligung. „Abgesehen von den Zweifeln und der Kritik testet die neue Regierung einen neuen demokratischen Mechanismus und ob es gut oder schlecht läuft könnte einen wichtigen Präzedenzfall für mehrere ähnliche Übungen in der Zukunft schaffen“, so der Meinungsforscher Alejandro Moreno.

Autor: Andreas Knobloch

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