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Vetternwirtschaft und Politikverdruss vor den Kommunalwahlen

Hochhäuser im Stadtteil Miraflores in Perus Hauptstadt Lima. Foto: Adveniat/Achim Pohl
Hochhäuser im Stadtteil Miraflores in Perus Hauptstadt Lima. Foto: Adveniat/Achim Pohl

Die Turbulenzen des Rücktritts von PPK (Pedro Pablo Kuczynski), die Begnadigung Fujimoris, die Politik des neuen Präsidenten Vizcarra und insbesondere die immer neuen Enthüllungen über die institutionalisierte Korruption, die von der Mafia über Parlamentarier, Regionalregierungen und Institutionen bis in die allerhöchsten Justizkreise reicht, haben die Wahlvorbereitungen bislang überschattet.

Und nicht zuletzt die WM-Teilnahme, die die Medien und Bevölkerung monatelang in nahezu patriotischer Hysterie gehalten hat. Insbesondere die Korruption und die selten eingehaltenen Versprechen haben zu einer inzwischen epidemischen Politikverdrossenheit geführt, die in der hunderttausendfach auf die Straßen getragenen Forderung mündete, das gesamte Parlament aufzulösen: Que se vayan todos! Die Enttäuschung über Kandidaten, Parteien und Institutionen politischer Repräsentanz ist riesig und viel Resignation hat sich breit gemacht. Dennoch wird der größte Teil der Peruaner irgendwo ein Kreuzchen setzen, denn die Wahlteilnahme ist bei Androhung einer Geldstrafe Pflicht.

Die Regional- und Kommunalwahlen haben große Bedeutung. Die Entscheidungen der Regionalpräsidenten und kommunalen Vertretungen wirken sich viel unmittelbarer auf die Alltagssituation der Menschen vor Ort aus, als viele der Parlamentsentscheidungen. Nach mehreren Anläufen und Unterbrechungen seit 1979, wurden 2002 die Regionen erneut in die Verfassung geschrieben und verfügen seither über eine relativ große politische und administrative Autonomie. Sie wurden eingeführt, um das Land zu dezentralisieren und so den Regionen eine bessere Entwicklung zu ermöglichen. Die Regionalparlamente bewegen große Summen, was sie in der Vergangenheit vielfach für Korruption anfällig gemacht hat.

 

Mehr als 23 Millionen Einwohner sind aufgerufen, die Regional- und Vizeregionalpräsidenten sowie die Bürgermeister und Stadträte für die Periode Januar 2019 bis Dezember 2022 zu wählen. Die künftigen Regionalpräsidenten wiederum wählen die Regionalen Ratsmitglieder, die das Rückgrat der regionalen Verwaltung bilden. Ein Wahlschiedsgericht muss dieser Auswahl jeweils zustimmen. Erreicht ein Regionalpräsident nicht auf Anhieb 30 Prozent, findet im November eine Stichwahl statt.

 

19 Kandidaten wollen Lima regieren

 

Derzeit sind 368 Listen für die Regionalwahlen, 2.016 für die Provinzwahlen und 12.197 für die Distriktwahlen eingeschrieben. Auf diesen Listen gehen insgesamt 113.661 Kandidatinnen und Kandidaten an den Start. In manchen Provinzen ist die Teilnehmerzahl kaum noch zu überschauen. Allein in Lima kandidieren bisher 19 formell bestätigte Anwärter für das höchste Bürgermeisteramt - bis auf eine Kandidatin ausschließlich Männer. In den anderen Provinzen sieht es diesbezüglich ähnlich aus.

Die Wahljurys haben einen schwierigen Job. Tausende Einwände gegen Kandidaten, Listen und Bündnisse müssen untersucht und entschieden werden. Einwendungen stellen eine beliebte Methode dar, um den politischen Gegner schon vor der Wahl aus dem Rennen zu werfen. Auch müssen die Jurys die Kandidaten auf ihre rechtliche Unbescholtenheit überprüfen. Vorbestrafte dürfen nicht kandidieren. Korruption und gewalttätige Einflussnahme ist auf regionaler und lokaler Regierungsebene daher ein massives Problem.

Vetternwirtschaft macht Schule

Verwandtschaft oder Namensgleichheit helfen oft, Einfluss und Macht zu sichern. Der inzwischen von mehr als 60 Prozent der Einwohner Limas abgelehnte Bürgermeister Luis Castañeda Lossio schickt seinen Sohn Luis Castañeda Pardo ins Rennen. Im Distrikt Breña schickt Bürgermeister Ángel Wu Huapaya gleich zwei Frauen ins Rennen: seine Ehefrau und seine Exfrau. Drei Brüder von Abgeordneten kandidieren für die Regionalpräsidentschaft. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Andere bevorzugen den Wohnsitzwechsel. Allein in Lima und Callao kandidieren 15 amtierende Bürgermeister auf Listen für andere Distrikte, in denen sie kurz zuvor ihren Wohnsitz anmeldeten.

Zahlreiche regionale und lokale Bündnisse ermöglichen es auch Kandidaten nicht eingeschriebener Parteien und Unabhängigen, sich zur Wahl zu stellen. In den meisten Regionen und Kommunen gibt es, anders als bei früheren Wahlen, keine Polarisierung zwischen links und rechts. Die politischen Lager sind extrem aufgesplittert und konkurrieren untereinander. Die große Anzahl an Parteien und Bündnissen und damit Aufsplittung der Wählerstimmen wird viele Kandidaten ins Amt bringen, die nur über eine geringe Repräsentativität verfügen. Für Regionalpräsidenten reichen 30 Prozent, für Bürgermeisterämter reicht eine relative Mehrheit.

Zersplitterung der Parteien

 

Während die Linke auf nationaler Ebene mit zwei großen Bündnissen antritt, sind die konservativen bis reaktionären Kräfte heillos zersplittert und die traditionellen Parteien vollkommen geschwächt. Selbst die im Parlament mit großer Mehrheit vertretene Fuerza Popular von Keiko Fujimori musste in Lima einen völlig unbekannten Kandidaten aufstellen, der momentan bei Umfragen den letzten Platz belegt. Stark sind autoritäre Kräfte, die auf die Unterstützung reaktionärer katholischer und evangelikaler Kreise zählen können. Ihr Feindbild sind Linke und Liberale.

 

Momentan ist es schwierig, die Wahlresultate vorauszusagen. Die allgemeine Aufmerksamkeit wird sich erst kurz vor dem Abstimmungstermin auf die Kandidaten und Gruppierungen konzentrieren. Ein Drittel der Befragten gibt an, sich noch nicht entschieden zu haben.

 

Quelle: Infostelle Peru, Autor: Andreas Baumgart

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