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Venezolanische Flüchtlinge - ein Exodus von historischem Ausmaß

Foto (Symbolbild): Adveniat/Ole Schmidt
Foto (Symbolbild): Adveniat/Ole Schmidt

Seine schwarze Reisetasche ist voller Löcher; die Rollen sind zerfetzt. 3.500 Kilometer, 23 Tage lang, ist Joel Pena damit durch halb Südamerika gelaufen, die Tasche auf den Rücken gebunden, obendrauf eine dünne Liegematte und eine Decke. Gegessen hat er, was ihm die Leute zusteckten, übernachtet hat er oft im Freien. Nun ist der 32-jährige Venezolaner in Perus Hauptstadt Lima angekommen und hat in der Notunterkunft der dortigen Bischofskonferenz Unterschlupf gefunden.

In Südamerika findet ein Exodus statt, den der Kontinent so noch nicht erlebt hat. Mehr als zwei Millionen Venezolaner haben bereits ihre Heimat verlassen. Längst geht es ihnen nicht mehr nur um ein besseres Leben, sondern ums Überleben. Es ist der Hunger, der sie aus ihrem Land treibt. "Ich habe zwei Mädchen, wir hatten einmal am Tag zu essen. Oft mussten wir entscheiden, ob die Kinder oder die Eltern essen können", berichtet Pena. Der Familienvater hatte zu Hause in der Kleinstadt Valera als Kellner und Lastwagenfahrer gearbeitet.

300.000 Migranten aus Venezuela im Jahr 2018

Peru ist nach Kolumbien und den USA das Land mit der größten Zahl geflohener Venezolaner. Über 400.000 Menschen sind nach Angaben des Außenministeriums bereits nach Peru eingereist - 300.000 allein dieses Jahr. Man trifft sie auf den Straßen, wo sie Kaffee aus Thermoskannen oder ihre einheimischen Maisfladen "Arepas" verkaufen oder als Kellner oder Verkäufer arbeiten. Dank ihrer singenden spanischen Aussprache sind sie für Peruaner sofort erkennbar. Anfangs wurden sie mit offenen Armen aufgenommen, auch von der Regierung in Lima. Diese stellte ihnen entweder eine spezielle Arbeitsgenehmigung aus, oder sie konnten um Asyl als politische Flüchtlinge bitten.

Fremdenfeindliche Parolen werden lauter

Je mehr Venezolaner aber ankamen, desto lauter werden inzwischen fremdenfeindliche Stimmen. In Peru arbeiten 70 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung in einem gesetzlichen Graubereich ohne jede soziale Absicherung. Lohndumping ist an der Tagesordnung, Kleinunternehmer stellen Arbeiter weit unter dem Mindestlohn an. Statt das informelle Arbeitssystem dafür verantwortlich zu machen, schieben viele Peruaner den Schwarzen Peter nun den Venezolanern zu. Im Oktober stehen Kommunalwahlen an, und einige Kandidaten gehen mit ausländerfeindlichen Parolen auf Stimmenfang.

Kirche: Einreisebeschränkungen fördern illegale Einwanderung

Die Regierung von Präsident Martin Vizcarra hat die Einreise von Venezolanern bereits beschränkt: Seit Ende August dürfen nur noch Venezolaner mit Reisepass einreisen. Die Vergabe der Arbeitsgenehmigungen soll befristet werden. "Das kommt für viele Venezolaner einem Todesurteil gleich", urteilt der Jurist Giancarlo Guerrero. Er berät im Namen der Peruanischen Bischofskonferenz die Flüchtlinge, wie sie legal im Land bleiben können. Pater Jairo Rivas, Leiter der Bischöflichen Migrationskommission, befürchtet, dass die Einschränkungen der Regierung nur die illegale Migration fördern werden. "Statt legal einzureisen, werden die Venezolaner nun illegal oder sogar als Opfer von Menschenhändlern über die Grenze kommen."

Gemeinden organisieren Notunterkünfte und Essensausgaben

Die Peruanische Bischofskonferenz, die Ordensgemeinschaften und Pfarreien stehen mit der massiven Einwanderung vor einer großen Herausforderung. Niemand hatte damit gerechnet; Hilfsprojekte wie die Notunterkünfte oder das juristische Beratungszentrum laufen erst an. Victor Garcia ist Pfarrer von San Marcos in Limas größtem Armenviertel, San Juan de Lurigancho. "Viele Venezolaner machen in der Gemeinde mit, haben sich gut integriert", berichtet er. Eine Gruppe Venezolaner trifft sich jeden Freitag in den Räumen der Pfarrei. Ordensgemeinschaften im Distrikt bieten auch Notunterkünfte und verbilligte Mahlzeiten an. "Zwar höre ich ab und zu fremdenfeindliche Sprüche. Ich meine aber, dass mehr Menschen den Venezolanern solidarisch und positiv begegnen", so Victor Garcia.

Diese Solidarität der Peruaner hat auch der Neuankömmling Joel Pena am eigenen Leib erfahren, als er nach seinem Gewaltmarsch erschöpft und schmutzig in Lima ankam. "Eine ältere Dame hat uns einfach so zum Essen nach Hause eingeladen - und uns noch 100 Soles in die Hand gedrückt." Nicht immer läuft es mehr so.

Quelle: KNA, Autorin: Hildegard Willer

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