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Uruguay, die neue Drehscheibe des globalen Drogenhandels

Fehlendes Personal und mangelhafte Organisation: Uruguay ist den Herausforderungen des global vernetzten Drogenhandels nicht gewachsen. Dabei wird Uruguay immer bedeutender für den Drogenschmuggel.

Kokainfund in Deutschland (Foto: picture-alliance/AP Photo)

"Uruguay steht in der Angelegenheit nicht gut dar", sagte der Chef der obersten Zollbehörde Uruguays Enrique Canon vor einigen Tagen als Reaktion auf den Fund von 600 Kilo Kokain in einem Flugzeug. Es befand sich auf dem Weg von Uruguay und wurde in Frankreich abgefangen. Die 4,5 Tonnen Kokain, die außerdem am Freitag (2.8.) in Hamburg aus einem in Uruguay beladenen Containerschiffs gefischt wurden, kosteten Canon dann seinen Posten.

Diese 4,5 Tonnen des tödlichen weißen Pulvers haben einen Marktwert von etwa einer Milliarde Euro. Noch nie ist in Deutschland auf einen Schlag so viel Kokain sichergestellt worden. Es war aber nicht das erste Mal, dass in diesem Jahr eine größere Menge Kokain aus Uruguay im Hamburger Hafen beschlagnahmt wurde. Im April entdeckte der deutsche Zoll 440 Kilogramm Kokain in einem mit Reissäcken beladenen Container. Laut den Transportpapieren war der Container in Uruguay an Bord des Transportschiffes gekommen.

Die Schweiz Südamerikas

Uruguay ist das kleinste spanischsprachige Land in Südamerika und genießt den Ruf, eine wohlhabende, ruhige und sichere Oase zu sein, auf einem Kontinent, das viele politische und soziale Unruhen kennt. "Uruguay galt in der Vergangenheit zusammen mit Ländern wie Costa Rica oder Chile als ein eher stabiles und sicheres Land. Aber diese Reputation spiegelt nicht mehr die heutige Realität wider", sagt Chris Dalby, Managing Editor bei Insight Crime, einem US-amerikanischen Journalisten-Netzwerk, das sich auf das Thema der organisierten Kriminalität in Lateinamerika spezialisiert hat.

Das Land habe zwar kein akutes Gewaltproblem, wie viele andere Länder in der Region. Aber dies habe auch zu einer gewissen Nachlässigkeit geführt. Die Grenzkontrollen seien im Vergleich mit anderen lateinamerikanischen Ländern ungenügend. Dies werde nun sowohl von bolivianischen und brasilianischen Drogenkartellen als auch deren Kunden in Europa ausgenutzt, sagt Dalby im Gespräch mit DW.

Kokainschwemme

Erschwerend kommt hinzu, dass die Nachfrage nach Kokain weltweit steigt. Laut dem letzten UN-Drogenbericht erreichte die Produktion im Jahr 2017 einen historischen Höchstwert. Damals sind gut 2000 Tonnen Kokain hergestellt worden. Dies sei ein Anstieg um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, heißt es im Bericht der UNODC, dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen und Verbrechensbekämpfung.

"Dieses Kokain muss ja irgendwo hin", meint Chris Dalby. Die Drogenhändler würden zunehmend auch bisher weniger genutzte Ausfuhrwege und Transitländer aus Südamerika nutzen. Dazu zähle auch Uruguay. "Seit mindestens zehn Jahren kommt das bolivianische Kokain über Uruguay auf den europäischen Markt. Die Behörden in Uruguay wurden 2013 auf das Problem aufmerksam. Aber das Problem wahrzunehmen heißt noch nicht, dass auch etwas dagegen unternommen wurde", meint Chris Dalby.

Fragmentierung des globalen Drogenhandels

Auch der globale Drogenhandel selbst wandelt sich und entwickelt sich weiter. Die Zeit der Drogenbosse alten Stils, die vom Anbau, der Aufbereitung bis zur Lieferung an den Endkunden, alle Stationen des Drogenhandels in einer Hand kontrollierten sei vorbei, sagt Dalby. An ihre Stelle sei ein komplexer Herstellungs- und Vertriebsprozess getreten, an dem viele kleinere und auf ihren Bereich spezialisierte Gruppen beteiligt seien. "Der globale Drogenhandel ist fragmentierter als früher mit vielen kleineren Playern, die unabhängig voneinander operieren", sagt Dalby. Und dabei spielt auch Uruguay mittlerweile eine Rolle.

Das Land hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Drehscheibe des globalen Drogenhandels entwickelt, bei der viele kriminelle Banden, sowohl in Südamerika als auch in Europa, eng zusammen arbeiten. "Uruguay steht nun im Rampenlicht des internationalen Drogenhandels", sagt Experte Dalby.

Mutmaßlicher Empfänger in Italien

Kann die Drogenmafia den Verlust einer so wertvollen Lieferung, wie der in Hamburg, im Wert von einer Milliarde Euro einfach so wegstecken? "Das tut definitiv weh", meint Chris Dalby. Wobei aufgrund der aktuellen Arbeitsaufteilung nicht die Drogenmafia in Südamerika von dem Verlust betroffen sein werde, sondern der Empfänger. "Die Empfänger in Europa müssen jetzt die Verluste tragen. Das ist wahrscheinlich die italienische Mafia 'Ndrangheta aus Kalabrien, aber auch kriminelle Vereinigungen auf dem Balkan und in Russland." Dies seien eher begründete Vermutungen, so Dalby. Wer genau am die Empfänger seien, könne man nicht zu hundert Prozent sagen. "Wir wissen auch nicht wie viel Kokain diese Banden in Südamerika ordern. Wahrscheinlich ist der Fund in Hamburg nur ein Tropfen in einem Ozean."

Handlungsbedarf in Uruguay

Uruguay muss sich endlich den Herausforderungen des international vernetzten Drogenhandels stellen, findet der uruguayische Sicherheitsberater Robert Parrado: "Dieses Land war schon immer ein Transitland für Drogen". Der größte Schwachpunkt sei aber die mangelhafte Ausbildung und das fehlende spezialisierte Personal, sagt Parrado im Gespräch mit DW. "Dieser gewaltige Kokain-Fund in Hamburg offenbart die gravierenden Mängel der Grenz- und Zollkontrollen in Uruguay", so Parrado. Das Problem sei von der Politik aber jahrelang vernachlässigt worden. Das Land habe leider keine Spezialeinheit, die sich mit speziell ausgebildeten Kräften der Aufklärung schwerer Verbrechen wie Drogen- Waffen- oder Menschenhandel widmet, so Parrado.

Der Experte von Insight Crime in Washington zeigt sich aber vorsichtig optimistisch: "Die Behörden in Uruguay haben zugegeben und eingesehen, dass ihre Kontrollen unzureichend sind. Ein Zeichen dafür ist auch der sofortige Rücktritt des Direktors der Zollbehörde, Enrique Canon", so Chris Dalby. Dies gibt dem Experten Grund zur Hoffnung, dass Uruguay endlich den Kampf gegen die Drogen aufnimmt.

Autor: Gabriel González Zorrilla, Deutsche Welle 

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