Spahn will weitere mexikanische Pflegekräfte anwerben
Bundesgesundheitsminister Spahn reist nach Mexiko, um weitere Pflegekräfte anzuwerben. Die Zahl ausländischer Pflegefachkräfte in Deutschland hat sich binnen fünf Jahren fast versechsfacht. Doch es gibt auch Konflikte.
Sie gelten als ein Rettungsanker gegen den Kollaps in der Pflege: Die Zahl ausländischer Pflegefachkräfte in Deutschland hat sich binnen fünf Jahren fast versechsfacht. Waren es 2012 noch 1.500 Fachkräfte mit einem ausländischen Abschluss, wurden 2017 schon 8.800 gezählt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will diese Entwicklung noch beschleunigen. Am Freitag, 20. September 2019, reist er nach Mexiko, um weitere Fachkräfte anzuwerben.
Seit März 2018 sind 100 mexikanische Pflegekräfte mit Hilfe der Bundesagentur für Arbeit nach Deutschland gekommen. Weitere rund 300 werden in den nächsten Monaten erwartet. Angesichts der dortigen hohen Ausbildungsstandards für Pflegekräfte ist das Interesse bei den Kliniken und Pflegeeinrichtungen in Deutschland hoch. Dabei kommen die meisten ausländischen Pflegekräfte aus der europäischen Nachbarschaft: Rumänien, Kroatien, Polen und Ungarn stellten 2017 die wichtigsten EU-Herkunftsländer; hinzu kamen Bosnien-Herzegowina, Serbien und Albanien. Mit den Philippinen gibt es ein Anwerbeabkommen.
Sprachkurse und Anerkennung der Abschlüsse
Die mexikanischen Pflegekräfte, die schon in Deutschland sind, haben einen langen Weg hinter sich, räumlich und zeitlich: Genau ein Jahr zuvor hatten sie an einer Rekrutierungsveranstaltung der Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Mexiko teilgenommen. Bis zur Einreise nach Deutschland werden sie vor allem sprachlich auf ihren Einsatz vorbereitet. Außerdem werden das Visumverfahren, die Arbeitsmarktzulassung und die Anerkennung der in Mexiko erworbenen Qualifikation auf den Weg gebracht. In der Bundesrepublik muss der Spracherwerb weiter vorangetrieben werden. Denn Pflegekräfte müssen Deutschkenntnisse auf B2-Niveau vorweisen, damit sie als Fachkraft in der Gesundheits- und Krankenpflege oder in der Altenpflege arbeiten können.
In Mexiko herrscht derzeit laut BA ein Überangebot an gut ausgebildetem Pflegepersonal. Daniel Terzenbach aus dem Vorstand der Bundesagentur betont, dass bei den Rekrutierungsprogrammen, die es etwa auch für die Philippinen oder Tunesien gibt, strenge Vorgaben der UNO eingehalten würden. "Die Fachkräftezuwanderung sollte für alle Seiten Vorteile mit sich bringen." Die Integration in Deutschland ist kein Selbstläufer.
Konflikte beim Berufsverständnis
Der Einsatz der ausländischen Fachkräfte birgt mitunter heftige Konflikte, wie eine im März veröffentlichte Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Oft würden die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen davon überrascht, dass die ausländischen Pflegekräfte nach kurzer Zeit in ihr Herkunftsland zurückkehren oder in andere EU-Staaten abwandern. Ein wichtiger Grund dafür: das unterschiedliche Berufsverständnis. In vielen Herkunftsländern werden Pflegekräfte an Hochschulen ausgebildet. Pflegende etwa in Südeuropa übernehmen mehr Management- sowie Behandlungsaufgaben, die in Deutschland Ärzten vorbehalten sind. Patienten beim Essen oder der Körperpflege zu unterstützen, ist dort ungewöhnlich. Das übernehmen dort teils spezielle Service-Kräfte, teilweise müssen Angehörige einspringen.
Viele der zugewanderten Pflegekräfte haben deshalb laut Studie das Gefühl, "unter Wert" arbeiten zu müssen. Sie fühlen sich von Informationen ausgeschlossen und von Vorgesetzten schlechter behandelt. Nur 14 Prozent der zugewanderten Pfleger erklärten etwa, sie würden in tägliche Besprechungen einbezogen. Währenddessen sind es bei deutschen Mitarbeitern 37 Prozent. Und während 18 Prozent der deutschen Fachkräfte angaben, mindestens einmal pro Woche unbezahlte Überstunden machen zu müssen, waren es bei immigrierten Pflegekräften 41 Prozent. Umgekehrt kritisieren etablierte Fachkräfte, dass neu zugewanderte Kollegen schon wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht voll einsetzbar seien. Die akademische Ausbildung im Ausland wird oft als "praxisfern" kritisiert. Dafür fehlten dann aber grundlegende Kompetenzen, etwa bei der Körperpflege von Patienten.
Die Studie sieht die Arbeitgeber gefordert, solche Konflikte auszugleichen. Eine wichtige Vermittlerrolle sehen die Wissenschaftler bei jenen Pflegekräften, die schon lange in Deutschland arbeiten, aber selbst einen Migrationshintergrund haben.