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Paraguay |

Schauprozess mit Haken

Links: Fernando Lugo wurde kurz nach dem Massaker als Präsident abgesetzt. Rechts: Ein Großteil der Landwirtschaft findet in kleinbäuerlichen Betrieben statt, aber 80 % des Ackerlandes gehören Großgrundbesitzern.
Links: Fernando Lugo wurde kurz nach dem Massaker als Präsident abgesetzt. Rechts: Ein Großteil der Landwirtschaft findet in kleinbäuerlichen Betrieben statt, aber 80 % des Ackerlandes gehören Großgrundbesitzern.

Unter einem Zeltdach im Justizpalast von Asunción ist ein regelrechter Schauprozess zu Ende gegangen. Die Scharfschützen auf dem Dach und die Wasserwerfer-Fahrer haben Feierabend. Bis heute sind die tragischen Ereignisse vom 15. Juni 2012 und seine Folgen allen Paraguayern in lebhafter Erinnerung. Mehrere Polizeieinheiten und Spezialtrupps waren damals auf die Ländereien vorgedrungen, deren Name in Guaraní, der Sprache der paraguayischen Ureinwohner Marina Cué lautet. Im entlegenen Departamento Canindeyú sollten die schwer bewaffneten Uniformierten mehrere Bauernfamilien von dem 2.000 Hektar großen Stück Ackerland vertreiben. Notfalls mit Gewalt, wie so oft schon in der langen Geschichte von Vertreibung im ärmsten Land Südamerikas. Am Ende des Tages ist die rote Erde von Marina Cué mit Blut getränkt. 17 Menschen verlieren im Verwaltungsdistrikt Curuguaty durch die vom Gericht genehmigte Räumungsaktion ihr Leben. Elf Bauern und sechs Polizisten liegen tot am Boden.

Parlamentarischer Staatsstreich gegen den "Bischof der Armen"

Schnell zieht das Blutbad weitere Kreise. Nicht eine Woche streicht ins Land, und die rechtskonservativen Parteien im Parlament leiten gegen den amtierenden Präsidenten Fernando Lugo ein Amtsenthebungsverfahren ein. Der 2008 gewählte Politiker, der damals die 61 Jahre währende Einheitspartei "Partido Colorado" abgelöst hatte, sei für die Eskalation vor Ort verantwortlich und müsse abtreten, hallte es durch die Medien. Sechs Tage nach dem "Massaker von Curugutay" stimmt der Senat im Eilverfahren gegen den "Bischof der Armen". Der beliebte Befreiungstheologe akzeptiert die Abstimmung. Lugo, und mit ihm ganz Südamerika, verurteilen das Machtmanöver zwar als "parlamentarischen Staatsstreich". Doch hat mit seinem Nachfolger Federico Franco jetzt wieder die alte Elite der Großgrundbesitzer und einstigen Unterstützer der Alfredo-Stroessner-Diktatur die Hand am Ruder. Der zeitweise Ausstoß aus der Mercosur-Staatengemeinschaft wird in Asunción Schulterzuckend in Kauf genommen.

Schauprozess gegen Bauern und Landlosenbewegung

Was folgte war die Suche nach den Schuldigen. Diesmal nicht im Präsidentenpalast, sondern bei den Schwächsten der Schwachen: Paraguays Bauern ohne Land. 80 Prozent des Ackerlandes gehören in dem Agrarland nur 1,6 Prozent der Bevölkerung. Bittere Armut und Generationen der Misere stehen gegen den Luxus und Überfluss einer kleinen Minderheit. Und so liest sich auch das Urteil, das am Sonntagabend, nach einem öffentlich geführten Prozess und unter dem Schutz von mehr als 1.500 Polizisten verlesen wurde. Schnell wird klar für wen Richter Ramón Trinidad Zelaya Recht spricht. So sieht es der Jurist als erwiesen an, dass die Bauern die Finca "Campos Morombi" und andere Grundstücke und Gebäude "unrechtmäßig" besetzt hielten. Dass sie Wachleute bestohlen hätten, ihre Portemonnaies, "Gold und Schmuck", mit dem Verbrennen von Lagerbeständen gedroht, Tiere geschlachtet und Bäume gefällt hätten. Dass die Polizei in "friedlicher Absicht" angerückt sei, aber mit "Polizei raus"-Rufen und Schüssen empfangen worden sei. Dass die "sogenannten Landlosen" Verhandlungen in den Wind geschlagen hätten und das Grundstück in Marina Cué mit Waffengewalt verteidigt hätten. Er glaubt seinen Zeugen in Uniform, dass die Landbesetzer von "bewaffneten Bauern" systematisch trainiert worden seien ihren Gegnern in den Kopf zu schießen. Dass sie "extrem gewalttätig" vorgegangen seien, werden Zeugenaussagen der damals eingesetzten Polizei ins Protokoll geschrieben.

Ein Urteil, viele offene Fragen

Rubén Villalba und Luis Olmedo müssen wegen Mordes, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Besetzung von Immobilien bis zu 30 Jahren ins Gefägnis. Für Arnaldo Quintana und Néstor Castro sind es 18 Jahre Haft. Die Bauersfrauen Lucía Agüero, Fany Olmedo und Dolores López sechs Jahre. Felipe Benítez, Adalberto Castro, Alcides Ramírez und Juan Tillería bekommen vier Jahre Freiheitsentzug, heißt es in der live und im Internet übertragenen Urteilsverlesung. Doch hat der Richterspruch einen entscheidenden Haken: Ein Verfahren gegen die beteiligten Polizisten hat es nie gegeben. Stattdessen sei es sogar erwiesen, dass Villalba, der mitten im Gerichtsverfahren ohnmächtig wurde, aus seinem Gewehr den ersten Schuss abgegeben habe. Diese Einseitigkeit stößt auf Kritik. "Die Generalstaatsanwaltschaft hat nicht überzeugend erklären können, warum sie den Tod der elf Bauern nicht untersucht", wundern sich Beobachter wie Amnesty International und die Entwicklungsorganisation Oxfam. Paraguay habe sich international verpflichtet "unabhängige und unparteiische Untersuchungen" zu führen, was nicht gegeben sei. Aber nicht nur das Massaker von 2012, der Tod der Bauern, die willkürlichen Verhaftungen, Vertreibungen und Foltervorwürfe gegen den Sicherheitsapparat bleiben "unaufgeklärt", so die NGOs. Die alten Forderungen der Kleinbauern-Familien, die zwar acht von zehn Agrarbetriebe in Paraguay stellen, aber nur knapp vier Prozent der Nutzflächen zur Verfügung haben, sie bleiben weiter ohne Antwort.

Autor: Benjamin Beutler

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