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Rios Gouverneur schießt im Kampf gegen das Verbrechen scharf

Ergeben oder sterben - die blutige harte Linie von Rios Gouverneur Wilson Witzel gegenüber Verbrechern scheint zu wirken. Die Mordraten sinken. Im Gegensatz zu den Tötungen durch die Polizei.

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Vor den von der Drogen-Mafia kontrollierten Favelas patroulieren Militär-Polizisten. Foto (Archivbild): Adveniat/Jürgen Escher

Über Stunden verfolgte ganz Brasilien am Dienstag, 20. August 2019, die Entführung eines Autobusses in Rio de Janeiro. Ein offenbar verwirrter junger Mann bedrohte 37 Geiseln mit einer Spielzeugpistole und Benzinkanistern. Als er plötzlich aus dem Bus ausstieg, erschoss ihn ein Scharfschütze. Er wollte von der Polizei getötet werden, so ein Polizeiexperte. "Selbstmord durch die Polizei" nennt er das. Dann trat Gouverneur Wilson Witzel auf, der einen Freudentanz wie beim Fußball aufführte. Er habe das Leben der Geiseln gefeiert, rechtfertigte er sich. "Niemals würde ich den Tod einer Person bejubeln, egal wer es ist." Laut Umfragen lehnte eine Mehrheit Witzels Jubelpose ab. Doch man begrüßte den Tod des Geiselnehmers.

Denn seit Jahren wird Rio von ausufernder Gewalt heimgesucht. Versuche, mit Sozialprojekten die Armenviertel zu befrieden, scheiterten. Überraschend wählte man im Oktober den unbekannten Richter Witzel, der kein Pardon versprach, zum Gouverneur. "Wer eine Waffe hat und sich nicht ergibt, wird sterben", sagte Witzel vor einigen Tagen gegenüber Journalisten. Die Entführung von Dienstag war die perfekte Bühne für den Hardliner, der einmal Präsident werden will.

17 Tote in 80 Stunden

Berühmt wurde Witzel durch den Satz, Scharfschützen sollten die bewaffneten jugendlichen Dealer ins Visier nehmen, "auf das Köpfchen zielen und dann Peng!" Seitdem gibt es Berichte über Scharfschützen, die von Hubschraubern und Dächern aus feuern. Und zwar in den Armenvierteln, nicht bei den Reichen. "Auf den Straßen sehe ich Panik in den Augen der Menschen", sagt Reinaldo de Miranda Neves (28) von der katholischen Jugendpastoral der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Menschen fühlten sich wie Bürger zweiter oder dritter Klasse, so Neves, der im nördlichen Cavalcanti, einer armen Region, tätig ist. "Sie glauben nicht mehr, dass die Polizei den Frieden bringen will." Zuletzt hatten Polizeiaktionen in Armenvierteln innerhalb von 80 Stunden zu 17 Toten geführt, darunter Schulkinder und eine 17-Jährige, die ihr Baby auf dem Arm trug.

Witzel beschuldigte Menschenrechtsgruppen, die er "Pseudo-Verteidiger von Menschenrechten" schimpfte, die Banditen zu beschützen und die Polizei zu behindern. "Diese Leichen gehen nicht auf meine Kappe, sondern auf Eure, die ihr die Polizei nicht ihre Arbeit machen lasst." Aktivisten wehrten sich, man wolle lediglich garantieren, dass Gesetze auch für die Bewohner der Armengebiete gelten, so die Friedensgruppe "Rio de Paz".

Vorbild: Israels Kampf gegen Hisbollah

Die nackte Statistik zumindest gibt Witzels harter Linie recht. Zwischen Januar und Juli wurden im Teilstaat Rio 2.392 Morde gezählt, der niedrigste Wert seit 1991. Im gleichen Zeitraum tötete die Polizei 1.075 Personen, so viele wie noch nie. Experten warnen jedoch, derzeit gruppiere sich das organisierte Verbrechen lediglich neu. "Die harte Hand des Gouverneurs funktioniert nur kurzfristig", glaubt auch Reinaldo von der Jugendpastoral. "Die Regierung sucht nicht den Weg der Befriedung. Der Hass wird sich aufstauen und die Gewalt wird, angetrieben von Rache, noch stärker zurückkommen." Der Staat bestrafe stets, niemals versöhne er. "Langfristig wird das kein christliches Ende haben." Christliche Werte wie Vergebung und Friedfertigkeit vermisse er bei Witzel.

Der sieht sich als Verteidiger eines "christlich-jüdischen" Weltbildes, der Staat Israel und dessen Kampf gegen die Terrorgruppe Hisbollah sind seine Vorbilder. "Sollte man etwa tolerant mit der Hisbollah sein, wenn die mit Raketen und Bomben die Bevölkerung Israels angreifen? Nein, dagegen gehen wir mit Härte vor, in Rio genauso wie in Israel." Während er Drogendealer für Terroristen hält, sind die aus Polizisten, Soldaten und Feuerwehrmännern gebildeten Milizen für ihn nur "Mafiosi". Obwohl sie bereits ein Drittel von Rio brutal beherrschen, geht Witzel nicht mit Gewalt gegen sie vor. Für Reinaldo von der Jugendpastoral sind die Milizen gefährlicher als die Drogenbanden. "Sie haben Verbindungen in den Staatsapparat hinein, zur Politik und zur Polizei, sind besser organisiert und viel grausamer."

Witzel fühlt sich jedenfalls von der kritischen Presse ungerecht behandelt. Man zeige nur die Polizeigewalt, nicht die Unmenschlichkeit der Drogenbanden, beschwerte er sich kürzlich. "Das ist, als wenn wir nur die Engländer zeigen, wie sie im Zweiten Weltkrieg Dresden und Berlin bombardieren, die Existenz der Nazis jedoch verschweigen."

Quelle: KNA, Autor: Thomas Milz

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