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Peru, Venezuela |

Peru: Coronakrise trifft Flüchtlingskrise

Über 250.000 Corona-Infizierte und fast 8000 Corona-Tote - Peru ist nach Brasilien und Mexiko Corona-Hotspot Nummer drei in Lateinamerika. Gefährlich ist das Virus vor allem für die vielen Flüchtlinge aus Venezuela.

Flüchtlinge aus Venezuela trifft die Corona-Krise besonders schwer (Archivbild: Flüchtlinge aus Venezuela in Cúcuta Kolumbien). Foto: Florian Kopp/ Adveniat 

Diese Geschichte könnte Mut machen in Zeiten von Corona. Sie könnte von Carmen Parra handeln, einer jungen Ärztin aus Venezuela, die seit zwei Jahren in Peru lebt. Die wie so viele - mittlerweile sind es über fünf Millionen Menschen - ihre Heimat verlassen hat, um im Ausland ihr Glück zu suchen. Und die es in Lima, 3000 Kilometer entfernt von ihrer Heimatstadt Guárico, gefunden hat.

"Vor zwei Jahren habe ich meine Heimat Venezuela wegen der Wirtschaftskrise verlassen, allein mit meinen drei Kindern. Mein Mann war gestorben, meine Mutter, mein Vater auch. In Venezuela hatte ich zwar Medizin studiert, aber mich als Rezeptionistin, Bedienung und Kassiererin durchgeschlagen", sagt sie. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR half Parra, ihren Abschluss in Peru anerkennen zu lassen. "Jetzt arbeite ich in einem Krankenhaus in Lima und bei einem privaten Notdienst."

Die 35-Jährige gehört zu den Ärzten an der Front, die sich um die Corona-Kranken kümmern. Die unermüdlich versuchen, dass Peru buchstäblich die Kurve kriegt und die Zahl der fast 8000 Toten nicht noch weiter ansteigt.

Dankbarkeit und Ausländerfeindlichkeit

Manchmal gelingt es ihr, dazu beizutragen: "Ich habe hier drei Tage lang einen 65-Jährigen mit Corona-Symptomen behandelt. Es ging ihm sehr schlecht, irgendwann wurde er verlegt. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass er nicht überlebt hatte, bis er einige Tage später plötzlich vor mir stand und sich dafür bedankte, dass ich ihm das Leben gerettet habe."

Dass Peru trotz eines der härtesten Lockdowns in der Region so hart vom Coronavirus betroffen ist, habe auch damit zu tun, dass sich die Menschen nicht an die Abstandsregeln hielten, erklärt Parra.

Irgendwann will sie nach Venezuela zurück, aber nicht in nächster Zeit. Denn nur hier in Lima könne sie derzeit ihre drei Kinder, Sophia (13 Jahre), Fidel (sechs) und Isabella (drei) durchbringen.

Dass sie sich dabei oft auf die Zunge beißen muss, weil sie wegen ihrer Herkunft angefeindet wird, nimmt sie mittlerweile schulterzuckend in Kauf: "Manche sagen zu mir: 'Du bist Venezolanerin und Ärztin? Das kann doch unmöglich sein!' Aber immerhin: Viele ändern ihre Meinung über uns, nachdem sie bei uns Venezolanern in Behandlung waren."

Notstand im Notstand

Doch Geschichten wie die von Carmen Parra, oder anderen venezolanischen Flüchtlingen, die als Ärzte zum Beispiel in den entlegensten Dörfern im Dschungel und Hochland aushelfen, wo kein peruanischer Doktor freiwillig hinwill, sind die Ausnahme und nicht die Regel.

Die triste Realität der meisten venezolanischen Flüchtlinge in Peru ist eine andere, und niemand weiß das besser als Federico Augusti. Der Argentinier ist Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Lima. Agusti sagt: "Viele der Venezolaner sagen uns, dass sie nur noch ein Mal pro Tag essen, dass sie mehr schlafen, um weniger Hunger zu haben oder aber gar nichts essen, damit wenigstens ihre Kinder etwas zwischen die Zähne bekommen."

830.000 Venezolaner leben mittlerweile in Peru, sie sind jetzt die größte ausländische Community des Landes. 480.000 von ihnen haben einen Asylantrag gestellt. Peru ist nach Kolumbien Anlaufstelle Nummer zwei für Venezolaner, die vor der politischen und humanitären Krise in ihrer Heimat geflohen sind. Die Coronakrise trifft sie doppelt hart, Agusti nennt es den Notstand innerhalb des Notstandes.

"Neun von zehn Venezolanern hier arbeiten im informellen Sektor und dabei verdienen sie auch noch im Schnitt 40 Prozent weniger als die Peruaner. Die meisten von ihnen hatten keine Chance zu sparen oder sich irgendwie auf die strikten Quarantänemaßnahmen der Regierung ab Mitte März vorzubereiten. Wir gehen davon aus, dass etwa 270.000 Venezolaner von der Coronakrise extrem betroffen sind: kein Essen, keine Medizin und kein Dach über dem Kopf."

Gefährlicher Weg zurück nach Venezuela

Federico Agusti hat wenig geschlafen in letzter Zeit. Fieberhaft versucht er, die Flüchtlinge, die es am allernötigsten haben, auf die gerade einmal 650 Schlafplätze zu verteilen, die das UNHCR in Peru anbietet. Doch täglich rufen ihn Menschen an, die sich mit COVID-19 angesteckt haben. Weil das Virus dort am härtesten zuschlägt, wo die soziale Ungleichheit am größten ist. Aber wie soll man die Infizierten isolieren? Wie die Abstandsregeln auf engstem Raum einhalten? Und wie die Infektionsketten nachverfolgen?

Wegen Corona machen sich jetzt Zehntausende auf den Weg nach Hause, erklärt Agusti: "Viele gehen zurück nach Venezuela, weil sie Angst haben, dass ihre Eltern und Großeltern, die sie dort zurückgelassen haben, an Corona sterben. Außerdem sagen sie uns: 'Wenn wir selbst wegen eines Virus umkommen, dann doch bitte in unserer Heimat.'"

Die Coronakrise hat in Peru also eine zweite Flüchtlingswelle ausgelöst: Aber diesmal schwappt sie zurück, über Ecuador und Kolumbien, über die Anden. Und ist ungleich gefährlicher für die Venezolaner als damals, als sie gekommen sind, sagt Federico Agusti: "Die Grenzen sind alle dicht. Die Menschen gehen zu Fuß und wandern illegal über die Grenze. Auf dem Weg sind sie kriminellen Banden und sexueller Ausbeutung schutzlos ausgeliefert."

Autor: Oliver Pieper, Quelle: Deutsche Welle 

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