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Nicaragua trauert um Ernesto Cardenal

Am Sonntag starb der nicaraguanische Schriftsteller, Befreiungstheologe und Regierungskritiker Ernesto Cardenal im Alter von 95 Jahren. Weggefährten verabschieden sich mit rührenden Worten.

Nicaragua, Ernesto Cardenal

Ernesto Cardenal am 15. November 2014 bei einer Lesung im Evangelischen Gemeindehaus in Polch, Deutschland. Foto: Ernesto Cardenal 021, Ralf SchulzeCC BY 4.0, Zuschnitt

Es ist eine Ehre, auf die Ernesto Cardenal wohl gerne verzichtet hätte. Nicaraguas Machthaber Daniel Ortega und seine Ehefrau Rosario Murillo, inzwischen Vizepräsidentin, verhängten am Sonntag nach Bekanntwerden des Todes von Cardenal eine dreitägige Staatstrauer. Ausgerechnet das Ehepaar Ortega, das Cardenal in den vergangenen Jahren wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen in dem mittelamerikanischen Land scharf kritisiert hatte.

Noch im August 2018 verurteilte der Befreiungstheologe ein hartes Vorgehen der Regierung gegen Proteste junger Leute. "Wir erleben eine humanitäre Katastrophe und Staatsterrorismus", sagte Cardenal in einem Interview der Zeitschrift "Publik-Forum". Was in Nicaragua geschehe, sei eine Tragödie, die in diesem Ausmaß nicht zu erwarten gewesen sei. Die Gewalt gehe von der Regierung unter Präsident Ortega aus. "Sie steuert die bewaffneten, polizeiähnlichen Truppen, die Scharfschützen in ihren Reihen haben", betonte Cardenal. Obwohl der Staat massive Gewalt anwende, sei es der Regierung nicht gelungen, den gesellschaftlichen Protest zu ersticken. Ernesto Cardenal starb am Sonntag, 1. März 2020 (Ortszeit), im Alter von 95 Jahren in Managua.

Adveniat: "Stimme für Frieden und Gerechtigkeit ist verstummt"

"Mit dem Tod von Ernesto Cardenal verlieren wir einen bedeutenden Fürsprecher und Anwalt der Armen. Mit ihm ist eine einflussreiche Stimme für Frieden und Gerechtigkeit in Lateinamerika verstummt", betonte Pater Michael Heinz, Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat zum Tod des nicaraguanischen Dichters, Priesters und Befreiungstheologen. "Es erfüllt mich mit Schmerz, dass Ernesto Cardenal in dem Wissen um die schweren Menschenrechtsverletzungen, die zurzeit unter Präsident Daniel Ortega in Nicaragua stattfinden, gestorben ist", sagte Heinz, der selbst von 1992 bis 2000 in Nicaragua gelebt und Versöhnungsarbeit geleistet hat. 

Einst waren Cardenal und Ortega politische Weggefährten, denen der Sturz des Diktators Anastasio Somoza (1925-1980) gelang. Nach der Revolution 1979 wurde der katholische Priester Kulturminister der sandinistischen Regierung unter Ortega. Doch weil sich Ortega und seine Frau im Lauf der Jahre mehr und mehr von den basisdemokratischen Überzeugungen entfernten, sich auf Kosten des Volkes bereicherten und schließlich Proteste brutal niederschießen ließen, kam es zum Bruch. Hinzu kam ein Kleinkrieg Cardenals mit der von Ortega kontrollierten nicaraguanischen Justiz.

Kirchliche Sanktionen gegen Cardenal 2019 aufgehoben

Viele Nicaraguaner reagierten bestürzt auf die Todesmeldung. Managuas ehemaliger Weihbischof Silvio Baez, von Papst Franziskus nach Morddrohungen aus Reihen des Ortega-Lagers ins Exil beordert, schrieb auf Twitter: "Adios Freund, Ernesto Cardenal, der jetzt seinen Psalm 15 vor Gott singen kann. 'Es gibt keine Freude für mich außer Dir! Ich bete keine Filmstars und keine politischen Führer an und ich verehre keine Diktatoren.'"

Im Februar 2019, als Baez noch in Nicaragua arbeiten konnte, ging ein Foto von ihm und Cardenal um die Welt: Im Gewand eines katholischen Priesters lag der nicaraguanische Befreiungstheologe in seinem Krankenbett. Baez kommentierte kurz zuvor: "Heute habe ich meinen Bruder und priesterlichen Freund, Padre Ernesto Cardenal, besucht, mit dem ich einige Minuten sprechen konnte". Anschließend sei er vor dem Krankenbett niedergekniet, um den Segen Cardenals als Geistlicher der katholischen Kirche zu erbitten, den ihm dieser erteilt habe.

Der Päpstliche Nuntius Stanislaw Sommertag hatte Cardenal zuvor über das Ende der gegen ihn verhängten kirchlichen Sanktionen informiert. Weil Cardenal wie zwei weitere Geistliche ein Ministeramt in der Revolutionsregierung übernommen hatte, hatte ihm Papst Johannes Paul II. 1985 die Ausübung des priesterlichen Dienstes verboten. Anschließend feierte der Botschafter des Papstes gemeinsam mit Cardenal dessen erste Messe seit fast 35 Jahren. Cardenal bedankte sich Medienberichten zufolge in einem Brief an Papst Franziskus für die Aufhebung der Sanktionen.

Gioconda Belli würdigt Cardenal als großen Poeten

Schriftstellerin Gioconda Belli, die Cardenal noch unmittelbar vor dessen Tod besuchen konnte, kommentierte: "Unser großer Poet ist soeben im Alter von 95 Jahren gestorben, nach einem Leben gewidmet der Poesie und dem Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit." Auch das Präsidentenpaar Ortega meldete sich zu Wort: "Wir erkennen seine Unterstützung für den Kampf des nicaraguanischen Volkes an", heißt es in einer Erklärung.

Quelle: KNA, Adveniat; Autor: Tobias Käufer

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