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Nationale Lösungen funktionieren nicht

Analog zur globalisierten Wirtschaft fordert Erik Loomis globale Handelsgerichte, die Arbeitnehmerrechte global vertreten. Foto: Screenshot Youtube
Analog zur globalisierten Wirtschaft fordert Erik Loomis globale Handelsgerichte, die Arbeitnehmerrechte global vertreten. Foto: Screenshot Youtube

Erik Loomis ist Autor von „Empire of Timber: Labor Unions and the Pacific Northwest Forests“ (Cambridge University Press, 2016) und „Out of Sight: The Long and Disturbing Story of Corporations Outsourcing Catastrophe“ (The New Press, 2015) und hat zuletzt an der University of Rhode Island gelehrt. Sein neuestes Buch „A History of America in Ten Strikes“ erscheint im Okober bei The New Press. Artikel von Loomis finden sich in The Nation, Dissent Magazine, The New Republic u.a. Zeitschriften.

Die Linke hat immer gegen Freihandelsabkommen wie TPP (Trans-Pacific Partnership) oder NAFTA (North American Free Trade Agreement) argumentiert, vor allem wegen Lohndumpings und dem Herabsetzen von Umweltstandards. Hat sie in US-Präsident Donald Trump einen unverhofften Verbündeten gefunden?

Nein! Aber seit Trumps Wahlsieg stelle ich bei der Linken eine Art Stillschweigen zu Freihandel fest. In den Jahren 2015/16 noch gab es eine starke und in gewisser Weise wirkungsvolle, linke Kritik an TPP. Ich habe das Gefühl, dass die Leute verwirrt sind, weil jetzt Trump ankommt und von den Dingen redet, von denen die Linke geredet hat, auch wenn er nicht wirklich dasselbe sagt. Er will Handelsabkommen zurückfahren, allerdings nicht aus demselben Grund wie die Linke. Die substantielle Kritik von vor zwei Jahren ist weg. Ersetzt wurde sie durch eine sanfte Verteidigung von Freihandel als Verteidigung der Globalisierung, die oberflächlich ist.

Ging es bei Freihandelsabkommen wie NAFTA nicht auch immer um die Mobilität des Kapitals? Und jetzt kommt Trump und kündigt Zölle auf Stahl, Aluminium, vielleicht auch Autos an…

Richtig. Trump ist wütend auf die Welt und das ist seine Reaktion. Aber Teil des Problems ist: Wie können wir Antworten auf Themen finden, die über Zölle und Protektionismus der alten Schule hinausgehen? Auf Strategien, die A) nicht funktionieren und B) eine Ablehnung der Globalisierung darstellen, sei es, weil sie mexikanische Einwanderer dämonisieren oder Stahlwerke in China. Es kann nicht so schwer sein, Kritik am Freihandel mit einer Verteidigung der Globalisierung zu verbinden. Trump führt Zölle ein und die Linke spricht nicht groß darüber, weil sie nicht wirklich ernsthaft darüber nachgedacht hat: Wie sieht es eigentlich an der Basis aus? Was sind unsere Strategien? Die Linke muss über „Kapitalismus ist Scheiße“ oder „Freihandel ist schlecht“ hinausdenken.

Trump beschuldigt Mexiko, US-amerikanische Jobs zu stehlen, aber er erwähnt nie, dass US-Konzerne billige Arbeitskräfte ausbeuten. Arbeitnehmerrechte scheinen kein Thema zu sein…

Von Trump kann man nichts erwarten. Er nutzt den Ärger und die Verbitterung, besonders unter den weißen Arbeitern. Viele Leute denken, dass die USA durch NAFTA übervorteilt werden. Aber einige dieser Trump-Bundesstaaten sind riesige Agrarstaaten, die ihre landwirtschaftlichen Produkte auf den mexikanischen Markt werfen, was dazu führt, dass die mexikanischen Bauern verarmen und gezwungen sind wegzugehen. Und wohin gehen sie? Einige von ihnen kommen nach Mexiko-Stadt, andere finden in den maquiladoras [Billiglohn-Montage-Fabriken entlang der Grenze zu den USA, Anm.] Arbeit und wieder andere gehen in die USA. Nur denken die US-Amerikaner nicht so weit: Wie hat unsere Politik erst das Problem geschaffen, über das wir heute verärgert sind?

In einem Ihrer Artikel beschreiben Sie, wie US-Unternehmen Freihandelsabkommen zur Senkung von Löhnen, zur Zerstörung von Gewerkschaftsorganisation, zum Abbau von Umweltstandards nutzen…

Die Globalisierung der Moderne ist ein gewinnorientierter Prozess, in dem Unternehmen versuchen, Arbeiterrechten, Gewerkschaften, Mindestlöhnen, Umweltstandards usw. zu entkommen. So entsteht eine Situation, in der all diese Jobs verschwinden und Menschen aus Mexiko hierher kommen. Es ist eine Situation geschaffen worden, in der Konzerne weltweit agieren und es ein globales Rechtssystem um diese Investor-Staat-Schiedsgerichte [Investor State Dispute Settlement (ISDS) courts, Anm.] herum gibt, das die Rechte von Konzernen schützt, während die Bürger auf ihre nationalen Rechtsvorschriften beschränkt sind.

Wenn wir davon ausgehen, dass sich die Globalisierung nicht ändern wird, dann müssen wir überlegen: Was sind unsere Alternativen? Was können wir tun, um Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards zu gewährleisten? Die praktischste Antwort ist, die Regulierungsregime, die im 20. Jahrhundert geschaffen wurden, auf internationaler Ebene anzuwenden. D.h., die Investor-Staat-Schiedsgerichte müssen demokratisiert werden. Solange diese Art von Gerichten nur Unternehmen zur Verfügung steht, um ihren Willen auf Kosten der Bevölkerung durchzusetzen, ist es eine Katastrophe. Aber wenn Sie diese Gerichte nutzen können, um ein System globaler Rechte zu schaffen, in dem die Bürger diese Unternehmen verklagen können, z. B. Mindestlöhne zu zahlen, dann wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.

Sie wollen Unternehmen rechtlich zur Verantwortung zu ziehen…

Das ist die Idee. Es muss wahrscheinlich auf nationaler Ebene beginnen. US-Konzerne müssen z.B. für ihre globalen Versorgungsketten in die Pflicht genommen werden. Die weltweiten Lieferketten existieren, um Konzerne vor Verantwortung zu schützen, beispielsweise für Kinderarbeit in Kobaltminen im Kongo. Eine solche Rechenschaftspflicht würde einen globalen Prozess starten über weltweit gültige Standards für Arbeitbedingungen, Löhne und Umweltrichtlinien. All diese Gespräche über freiwillige Vereinbarungen und Überwachung sind Unsinn wenn Sie keine rechtliche Verantwortung haben, dann macht es keinen Sinn.

Denken Sie, dass die Gewerkschaften stark genug sind, um Druck für Veränderungen auszuüben? Oder wer soll es tun?

Es wird nicht von den Gewerkschaften kommen. Sie können eine unterstützende Rolle spielen. Es muss von Graswurzel-Bemühungen kommen, wie wir sie während der Bernie Sanders-Kampagne [in den Vorwahlen der Demokratischen Partei, Anm.] gesehen haben. Es gibt Occupy Wall Street, die Kämpfe für 15 US$-Mindestlohn und andere Bewegungen. Diese werden den demokratischen Herausforder von Trump 2020, wer auch immer das sein wird, stark beeinflussen. Deshalb muss die Linke ziemlich konkret darüber nachdenken, wie ein globales Handelsregime aussehen soll. Es ist an der Zeit, dies auf konkretere Weise zu artikulieren, um es zu einem Teil vorwärtsgewandter Politik und einem Standpunkt der Demokratischen Partei zu machen.

Geht es in gewisser Weise auch um globale Allianzen? Der ganze Trump-Diskurs ist national, über US-amerikanische Arbeiter vs. mexikanische Arbeiter… Aber sie stehen doch auf derselben Seite oder nicht?

Lassen Sie mich es so sagen: Arbeiter können nicht auf der gleichen Seite stehen, wenn es in der Diskussion darum geht, jeden Job zu schützen. Wenn wir über den Schutz US-amerikanischer Arbeitsplätze sprechen sie sind nicht auf derselben Seite. Wenn es darum geht, mexikanische Jobs zu schützen sind sie es nicht. Ich denke, dass es eine globale Lösung geben muss. Es ist ein globales Problem. Nationale Lösungen funktionieren nicht. Konzerne agieren global, also müssen sie auch global zur Verantwortung gezogen werden können. Der Weg zur Schaffung eines globalen Arbeiterbündnisses besteht darin, dass die westliche Arbeiterklasse die Linke in ihrem Land unter Druck setzt, ihre eigenen nationalen Gerichte zu öffnen, damit diese ArbeiterInnen für sich selbst kämpfen können. Das ist für mich die Definition von Solidarität. Sie nutzen den größtmöglichen Einfluss, den Sie in Ihrem eigenen Land haben, um den ArbeiterInnen aus anderen Ländern einen Weg zu eröffnen. Das ist für mich der konkreteste Weg, wo ich eine breitere globale Allianz sehe.

Interview: Andreas Knobloch

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