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Moreno, Benzin und das Geld: Staatskrise in Ecuador

Ecuador wird seit Tagen von heftigen Protesten erschüttert - und die Wut der Studenten, Landarbeiter und Indigenen gegen Präsident Moreno eskaliert immer weiter. Dieser vermutet ein Komplott. Doch wer sind die wahren Akteure des Konflikts?

Die Staatskrise in Ecuador spitzt sich immer weiter zu: Zunächst verhängte Präsident Lenín Moreno den Ausnahmezustand, dann verlegte er den Regierungssitz von Quito in die Hafenstadt Guayaquil. Der Grund dafür war die angespannte Sicherheitslage, die sich durch die anhaltenden Proteste dramatisch verschlechtert hatte. Am Mittwoch, 9. Oktober 2019, stürmten indigene Gruppen das leere Parlamentsgebäude in Quito. 10.000 Indigene versuchten mithilfe weiterer Demonstranten eine Polizeiblockade zu durchbrechen, einige schafften es bis ins Regierungsgebäude vorzudringen.

Derzeit halten die Straßenproteste weiter an: Wegen eines Generalstreiks bleiben Geschäfte, Behörden und Schulen geschlossen, der öffentliche Nahverkehr steht still. Derweil hat die Regierung wichtige Erdölpipelines des Landes außer Betrieb gesetzt, da indigene Gruppen Förderanlagen im Amazonasgebiet besetzt halten, wie die ZEIT berichtet.

Doch wie konnte es so weit kommen? Wer sind die Akteure in diesem Konflikt? Eine zentrale Rolle spielt Präsident Moreno selbst.

Der Präsident: Lenín Moreno

Die Ecuadorianer wählten Moreno 2017 zum Präsidenten. Er gehört der PAIS Allianz an, einer Partei, die dem gemäßigten sozialistischen Spektrum zugeordnet wird. Moreno folgte damit seinem Parteifreund Rafael Correa ins Amt, unter dessen Präsidentschaft Moreno bereits Vize-Präsident war. Nach seiner Wahl brach Moreno allerdings mit dem links-nationalistischen Kurs seines Vorgängers: Immer stärker passte er sich einer globalen und „neo- liberalen“ Wirtschaftsordnung an; das werfen ihm zumindest seine Gegner vor.

Moreno selbst sieht das anders, denn Ecuadors Konjunktur kriselt, der Haushalt ist defizitär. Er versuche nur die Wirtschaft seines Landes zu sanieren, argumentiert er, und dafür brauche er Geld.

Der Geldgeber: Der Internationale Währungsfonds IWF

Der Internationale Währungsfonds bietet seine Hilfe an; er hat zugesagt, 4,2 Milliarden US-Dollar an Krediten an Ecuador zu überweisen. Voraussetzung ist, dass Ecuador sein Haushaltsdefizit in den Griff bekommt. Moreno kürzte daraufhin vergangene Woche die Subventionen für Benzin und Diesel. Die Streichungen seien laut dem Präsidenten und dem IWF bitter nötig gewesen, da die Subventionen jährlich rund 1,3 Milliarden Dollar verschlingen. Dank der Subventionen hatte Ecuador den drittniedrigsten Benzinpreis in ganz Lateinamerika, was auch den Benzinschmuggel in die Nachbarländer begünstigte

Doch diese Maßnahme brachte das Pulverfass zum Explodieren, denn der Preis für Benzin schoss schlagartig um 25 Prozent nach oben und Diesel wurde fast doppelt so teuer. Vor allem die sozial Schwächeren trifft die Erhöhung - sie fühlen sich von der Regierung hintergangen und werfen ihr Klientelismus für Reiche vor.

Der Protest: Indigene, Gewerkschaften und andere Gruppen

Vor allem die indigene Bewegung tritt als zentraler Akteur des Protests auf, allen voran der Dachverband der indigenen Völker in Ecuador CONAIE. Die Organisation hat enormen politischen Einfluss, was auch auf die Bevölkerungsstruktur des Landes zurückzuführen ist - 40 Prozent der 17 Millionen Ecuadorianer haben indigene Wurzeln.

Vor etwa einer Woche beteiligte sich CONAIE zunächst an den Protesten der Taxi-, Bus- und LKW-Fahrer, bis sie sich als treibende Kraft der Proteste etablierte. Die indigenen Gruppen machen das brutale Vorgehen der Polizei und der Militärs während der Proteste mitverantwortlich für die Eskalation – CONAIE verbreitete zahlreiche Bilder von teils schwer verletzten Demonstranten auf Twitter. Zudem ließ CONAIE verlauten, dass Militärs und Polizisten, die indigenes Territorium betreten, nach „indigenem Recht“ festgesetzt würden.

Hauptsächlich werfen sie dem Präsidenten vor, er würde durch seine Politik die Interessen wohlhabenderer Schichten begünstigen. Hierbei sind die Kürzung der Subventionen auf Diesel und Benzin nur einer der Kritikpunkte. Ecuador-Expertin des Hamburger Giga-Instituts, Ximena Zapata, äußerte gegenüber der Deutschen Welle, dass es den Indigenen auch um „Entlassungen im öffentlichen Dienst, Lockerungen des Arbeitsrechts, die Steueramnestie für die Wohlhabenden oder die Begrenzung der Ölförderung in bestimmten indigenen Gebieten“ gehe. Diese Maßnahmen würden die ohnehin bestehende Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrößern. Laut Zahlen des Nationalen Instituts für Statistik leben 25 Prozent der Ecuadorianer in Armut.

Unter den Streikenden befinden sich jedoch nicht nur indigene Gruppierungen, sondern auch Studenten, Landarbeiter, Gewerkschaftsmitglieder und Spediteure. Mittlerweile werden die Stimmen lauter, denen es nicht reicht, dass Moreno seinen Kurs ändert - sie wollen den Präsidenten zurücktreten sehen. Seit seinem Wahlsieg 2017 sind seine Beliebtheitswerte ohnehin um 70 Prozent zurückgegangen.

Der Vorgänger: Rafael Correa

Moreno hat in einer Fernsehansprache zunächst seinen Amtsvorgänger Rafael Correa beschuldigt, einen Staatsstreich vorzubereiten. Die Anschuldigung weist er entschieden zurück und fordert Neuwahlen: „Es gibt keinen Staatsteich. Konflikte in einer Demokratie lösen sich bei Wahlen und genau solche fordern wir“, heißt es von Correa in den Sozialen Medien.

Der Nachbar: Venezuela

Correa ist nicht der einzige, den Moreno mit einem Staatsstrich in Verbindung bringt: Er vermutet, dass es auch eine Verbindung zum venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro gibt. Correa sei demnach vor Kurzem nach Venezuela gereist, um gemeinsam mit Maduro Ecuador zu destabilisieren. Maduro wehrt sich gegen den Angriff, wie die spanische Zeitung el País berichtet. Er macht demnach den Einfluss des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Proteste in Ecuador verantwortlich.

Autor: Julian Limmer (Quellen: Deutsche Welle, die ZEIT, el País, KNA)

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