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Brasilien |

Mikrozephalie-Kinder kämpfen um ihr Überleben

Kinder mit Mikrozephalie haben nicht nur kleine Köpfe, sondern sind auch in ihrer Motorik eingeschränkt - entsprechende Förderung fehlt in Brasilien. Foto: brar_j, CC BY 4.0.
Kinder mit Mikrozephalie haben nicht nur kleine Köpfe, sondern sind auch in ihrer Motorik eingeschränkt - entsprechende Förderung fehlt in Brasilien. Foto: brar_j, CC BY 4.0.

Josileni Maria Tavares (40) strahlt. Der kleinen Rayane Vitoria, 15 Monate alt, geht es "dank der wunderbaren Ärzte" besser. Einmal im Monat führen die Mediziner im Universitätskrankenhaus von Aracaju eine ganze Batterie von Untersuchungen durch, heute an Rayanes Herz. "Es schlägt ein wenig zu langsam, aber keine Sorge." Rayane ist mit der Hirnschädigung Mikrozephalie auf die Welt gekommen. Ihr Zweitname Vitoria stehe für den Sieg, der ihr Überleben bedeute, so die Mutter.

Das Krankenhaus betreut 57 Mikrozephalie-Kinder aus dem Hinterland des armen Bundesstaates Sergipe. Auch Josileni und Rayane kommen aus jener Region, die seit Jahren von Dürre geplagt und wirtschaftlich unterentwickelt ist. Die Betreuung der Patienten aus dem Landesinneren in der Universitätsklinik von Aracaju wird von der Zentralregierung in der fernen Hauptstadt Brasilia finanziert.

Mikrozephalie-Kinder aus Aracaju selbst hingegen stehen derzeit ohne Behandlung da. Denn für sie ist die Kommune zuständig - und deren städtische Krankenhäuser werden seit sechs Monaten bestreikt. Weder für Medikamente noch für Ärzte ist Geld da.

Diskriminierung als Teufelsgeschöpf

Josileni bekommt von der Zentralregierung aus einem Mikrozephalie-Programm zudem monatlich rund 300 Euro für Rayane. Die alleinerziehende Mutter hat noch zwei weitere Kinder; die älteste Tochter leidet an Epilepsie. Die Nachbarn halten die kleinköpfige Rayane für ein Teufelsgeschöpf. Doch Josileni kämpft weiter.

Mit Rayane auf dem Schoß tritt sie immer wieder die sechsstündige Busfahrt nach Aracaju an. In ihrer Kleinstadt im Landesinnern ist das staatliche Gesundheitssystem SUS zusammengebrochen; es fehle an allem, sagt sie. "Die Ärzte erscheinen einfach nicht mehr zum Dienst. Stellen Sie sich vor, Rayane passiert dort was. Sie ist doch zerbrechlich wie eine Eierschale."

Gelbfieber im Fokus

Seit Ende 2015 wurden in Brasilien rund 2.000 Kinder mit Mikrozephalie geboren. Nun scheint die Epidemie gestoppt und die gebärfähigen Frauen immun gegen das Zika-Virus zu sein. Derzeit schaut die Presse stattdessen auf die Gelbfieber-Epidemie, die sich von Südbrasilien aus verbreitet. Die Website des Gesundheitsministeriums zu Zika ist momentan offline.

Doch die Kinder mit Mikrozephalie leben weiter - und sie werden älter, womit neue Herausforderungen auf das Gesundheitssystem zukommen. Spezialnahrung tritt an die Stelle der Muttermilch. Manchmal müssen teure Magensonden eingesetzt werden, da die schwache Muskulatur der Kinder die Flüssigkeit nicht durch den Körper transportieren kann.

Bewegungstraining gegen Instabilität

"Sofias großes Problem ist die Instabilität ihres Oberkörpers", sagt Mutter Luiza Raquel Sampaio, deshalb könne sie nicht alleine sitzen. Sofia wird heute 18 Monate alt. "Ihre Entwicklung ist langsam, aber sie lernt stets neue Dinge, gewinnt mehr Kontrolle über ihren Nacken, schaut öfter nach oben." Neuerdings trägt sie zudem eine Brille.

Von Montag bis Freitag ist Mutter Luiza mit Sofia bei den Ärzten. "Viermal die Woche Physiotherapie, einmal Logopädie, einmal ein spezielles Bewegungstraining, dazu stets zum Neurologen, Gastroenterologen und zum normalen Kinderarzt." Das geht nur, weil die Eltern eine Privatversicherung abgeschlossen haben. Die auf das SUS angewiesenen Kinder seien hingegen seit Monaten ohne Betreuung, so Luiza. Ohnehin sei die Entwicklung eines Mikrozephalie-Kindes äußerst langsam. Ohne Behandlung blieben Fortschritte komplett aus.

Altern als Herausforderung

"Das große Problem für die Mütter ist derzeit der Zugang zu einer multidisziplinären Behandlung, und die gibt es in den Kleinstädten nicht", so die Kinderärztin Roseane Porto vom Universitätskrankenhaus Aracaju. Die vor einem Jahr dort eingerichtete Mikrozephalie-Abteilung will die Kinder umfassend bis zu ihrem dritten Lebensjahr betreuen. "Aber was passiert danach mit ihnen?", fragt die Kinderärztin Adriana Barbosa.

Die chronische Unterversorgung des staatlichen Gesundheitssystems betreffe zwar nicht nur die Mikrozephalie-Babys, sondern die gesamte Bevölkerung. "Doch gerade bei diesen Kindern wird es mit dem Älterwerden immer neue Komplikationen geben. Wie sollen die Eltern damit umgehen?", so Barbosa.

Luiza ist derweil zuversichtlich. Es bestehe die Chance, dass Sofia irgendwann laufen lerne, haben die Ärzte gesagt. Wann, das stehe noch in den Sternen. Doch Luiza hat keine Eile. "Sofias Welt hat ihre eigenen Zeitabläufe. Und die respektiere ich."

Quelle: KNA, Autor: Thomas Milz, Foto: brar_j,CC BY 4.0.

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