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Mexiko versus Modelabel: Plagiat oder Inspiration

Plagiat oder Inspiration – Die mexikanische Regierung wirft Luxusmarken „kulturelle Aneignung“ vor. Darunter auch Louis Vuitton. Regierung will Rechte der Ureinwohner besser schützen.
 

Indigene, Mexiko

Die mexikanische Indigene Hermereyilda Salgado Huerta mit einer selbstbestickten Tasche, die sie an ihrem Straßenstand verkaufen wird. (Foto: Adveniat/Cathia Hecker)

Alejandra Frausto schreibt in diesen Wochen viele Briefe. Mexikos Kulturministerin, eine Vorkämpferin für die Rechte der Ureinwohner des Landes, wirft teuren Designerlabels „kulturelle Aneignung“ der Motive mexikanischer Indigenen vor. Im Juni wandte sie sich in einem Beschwerdebrief an den Chefdesigner des Modelabels Carolina Herrera, und Ende vergangener Woche ging ein ähnliches Schreiben an das französische Designerlabel Louis Vuitton. Dieses, so der Vorwurf der Ministerin, habe sich für einen edlen 14.000 Euro teuren Sessel aus der Kollektion „Dolls by Raw Edge“ bei Textilmustern aus dem zentralmexikanischen Bundesstaat Hidalgo bedient.

Das Design mit Tier- und Pflanzenmotiven beinhalte Elemente der Stickereien, welche in der Ortschaft Tenango de Doria gefertigt werden und zum geistigen Eigentum seiner Hersteller und der Gemeinde gehören, erläuterte Frausto dem Vertreter von Louis Vuitton in Mexiko. Diese Stickereien erzählten die Geschichte der Gemeinde und jedes Element habe eine „persönliche oder familiäre Bedeutung oder eine für die Gemeinde“. Wie die Produkte von Louis Vuitton zeichne sich auch Mexikos Kulturgut durch Originalität und Qualität aus. Frausto fragte das Label daher, ob sie für die „Herstellung des Stuhls die Zusammenarbeit mit der Gemeinde und ihrer Künstlern gesucht und diese auch einbezogen“ hätten und schlug Gespräche zwischen Vuitton, Gemeinde- und Regierungsvertretern vor. Louis Vuitton teilte nun per Pressemitteilung mit, es stehe in Kontakt mit Kunsthandwerkern aus Tenango de Doria, einer Stadt in Hildalgo.

Auch Carolina Herrera im Visier

Mitte Juni kritisierte die mexikanische Regierung das US-venezolanische Modelabel Carolina Herrera für die jüngste Kollektion „Resort 2020“, deren Kleider tatsächlich dramatisch dem klassischen „Sarape-Umhang“ ähneln, der aus der nordmexikanischen Stadt Saltillo stammt und den die bunten Blockstreifen auszeichnen. Die Ministerin bittet das Modehaus deshalb öffentlich zu erläutern, wieso es kulturelle Elemente verwendet, deren Herkunft vollständig dokumentiert sei. Frausto fragt zudem, wie das Label die betroffenen indigenen Gemeinden honorieren werde.

Mexikos linker Staatschef Andrés Manuel López Obrador ist der erste Präsident, der sich für die Interessen der Ureinwohner einsetzt und dessen Regierung das Thema des Schutzes geistigen Eigentums der indigenen Völker thematisiert. Dabei geht es um die Frage, ob sich die Modehäuser für ihre Kollektionen bei den Motiven lediglich inspiriert haben oder ob es sich schlicht um Plagiat handelt. In Mexiko leben die 62 verschiedenen Ureinwohner-Ethnien weitgehend im Schatten, kaum ein Politiker setzte sich bisher für ihre Rechte ein. Die Nachfahren der Maya, Otomi, Tarahumara, Mixtecos oder anderer Völker machen aber gut zehn Prozent der Bevölkerung des zweitgrößten Landes Lateinamerikas aus.

Unsichtbare sichtbar machen

Jenseits der rechtlichen Frage hat der Konflikt vor allem eine moralische Dimension. Die 13 Millionen Ureinwohner gehören zugleich zu den ärmsten und marginalisiertesten Mexikanern. Der Verkauf ihres Kunsthandwerks ist für sie nicht nur eine Frage des Stolzes, sondern auch eine Einnahmequelle. Dementsprechend sieht Ministerin Frausto in der Auseinandersetzung mit den beiden Designerlabeln auch einen grundsätzlichen Aspekt. „Es geht hier um ein ethisches Prinzip, das uns dazu zwingt, ein unaufschiebbares Thema auf den Tisch zu bringen. Wir müssen die Unsichtbaren sichtbar machen“. Denn schon seit mehr als zehn Jahren kopieren Luxuslabel oder Modeketten mexikanische Motive verschiedenster Ethnien. Betroffen waren Unternehmen wie Hermès, Isabel Marant, Zara und die argentinische Marke Rapsodia. 
 
In den beiden aktuellen Fällen gab es unterschiedliche Reaktionen. Carolina Herrera streitet den mexikanischen Einfluss ihrer Kollektion nicht ab. Sie sei in der „Lebensfreude Lateinamerikas“ inspiriert und als Bewunderung für die handwerklichen Fähigkeiten der mexikanischen Indigenen zu sehen. Aber auf die Frage nach finanzieller Beteiligung der geistigen Urheber geht das Unternehmen nicht ein. Vuitton hingegen kündigte jetzt an, mit den Kunsthandwerkern aus der Stadt Tenango de Doria gemeinsam einen Stuhl für ihren neue Möbelserie entwickeln zu wollen. Das geht der mexikanischen Regierung aber noch nicht weit genug. Ministerin Frausto kündigte eine Gesetzesinitiative an, die in Zukunft die indigenen Gemeinden als rechtmäßige Eigentümer ihrer Kultur- und Identitätsmerkmale schützen soll. So sollen die Ur-Völker vor der „kulturellen Aneignung“ ihrer Motive zu kommerziellen Zwecken von großen Unternehmen bewahrt werden.

Autor: Klaus Ehringfeld

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