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Mexiko: Die Weltmarktfabriken produzieren weiter - trotz Corona

In den Weltmarktfabriken im mexikanischen Ciudad Juárez wird weiterproduziert - zu Lasten der Gesundheit der Angestellten. Sie können sich kaum vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen.

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Die Arbeiterstatuen in Ciudad Juárez tragen einen Mundnasenschutz. Doch für die Arbeiter in den Maquilas ist die Gefahr einer Ansteckung groß. Foto: C. Rosas Heimpel

“Unsere Leben zählen nicht, wir sind austauschbar”, empört sich eine Arbeiterin hinter blauem Mund­schutz, die von ihren Kollegen gefilmt wird. Andere stellen Videos von Streiks in den Fabrikhallen ins Netz. Es geht um Leben und Tod. “Für die Unternehmen stehen selbst in dieser Ausnahmesituation die Gewinne an erster Stelle.” In der Grenzstadt Juárez haben sich die Montagefabriken internationaler Unternehmen zu Infektionsherden des SarsCov2-Virus entwickelt. Die Sterberate hat aufgrund weit verbreiteter Vorerkrankungen, die oft auf die körperlich zehrende Arbeit in den Fabriken zurückzuführen sind, und aufgrund eines völlig versagenden öffentlichen Gesundheitssystem unglaubliche 25 Prozent erreicht. 

Arbeiter können sich Quarantäne finanziell nicht leisten

Knapp 300.000 Menschen sind in den rund 300 sogenannten Maquilas angestellt, die an der Grenze Elektronik für die Autoindustrie, medizinische Produkte und Roboter­technik zusammen­setzen. Bedingt durch Hungerlöhne führen sie ein Leben zwischen Margina­li­sierung und Verschuldung, das sich von Generation zu Genera­tion wiederholt. Und so kann rund ein Viertel der Bevölkerung der Grenzstadt auf keinerlei Ersparnisse zurück­greifen, um sich in der Coronakrise in die Quarantäne zurückziehen zu können. 

Eigentlich hatte die mexikanische Regierung schon am 30. März die Schließung aller nicht lebensnot­wendigen Unter­nehmen angeordnet. Während obere Angestellte nach Hause geschickt wurden, lief die Produktion weiter. Das deutsche Unter­nehmen Bosch schloss sein Werk immerhin zehn Tage nach dem Regierungsdekret. Bei anderen Unternehmen war es da schon zu spät. Mindestens 18 Todes­fälle forderte die Verbreitung des Virus unter der Arbeiter­schaft der Río-Bravo-Fabrik des Autozubehör­herstellers Lear. 

Virus mutmaßlich von deutscher Delegation eingeschleppt

Pikantes Detail: eine deutsche Delegation scheint das Virus beim mehrtägigen Besuch eines bestimmten Areals eingeschleppt zu haben, so mutmaßten Angehörige der Verstorbenen gegenüber der Presse. Ein weiteres Dutzend Covid-19-Tote waren in der Fabrik Planta Casa der Firma Regal angestellt gewesen. Das deutsche Unter­nehmen DB Schenker schloss am 7. Mai endlich die Fabriktore, nachdem ein Arbeiter an Corona verstarb. 

Ende April konnte die Belegschaft von Montagefabriken wie Foxconn und Eaton Bussmann durch Streiks erfolgreich eine Fabrikschließung bei hundert­prozentiger Lohnfort­zahlung für einen Monat erreichen. Doch bis zum heutigen Tag haben 66 Montagebetriebe in Ciudad Júarez dem Regierungsdekret keine Folge geleistet. In den Fabriken mit ihrer arbeitsintensiven Massenproduktion mit Hunderten von Menschen unter der gleichen Klimaanlage, die zum Schichtwechsel mit voll besetzten Transportbussen angefah­ren werden, ist die Ansteckungsgefahr am größten. Es gibt keine Möglichkeit, auf Abstand zu gehen. Hinzu kommt die Angst vor Entlassung beim Auftauchen von Krankheits­symptomen.

“Denn die Arbeitsrechte liegen in Ciudad Juárez brach”, so die renommierte Arbeits­rechts­anwältin Susana Prieto. Die Unternehmen hätten sich durch die Nichteinhaltung des Regierungsvorgaben strafbar gemacht. Doch nun knickte der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador vor den Forderungen der Wirtschaft ein und stufte die Autoindustrie, zu denen die meisten Montage­fabriken an der Grenze zählen, als systemrelevant ein.

Öffentlichen Krankenhäusern mangelt es an Schutzausrüstung

Während sich die SarsCov2-Infektionen über das gesamte Stadtgebiet von Juárez erstrecken, konzentrieren sich die Todesfälle in Folge einer SarsCov2-Erkrankung auf den Südosten und Nordwesten. Genau dort leben die Familien, die lediglich über das System der Maquilas Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem haben. Dabei nehmen genau deshalb viele Menschen die unterbezahlten Fabrikjobs an. Sie hoffen auf bessere gesundheitliche Versorgung dank einer Krankenversicherung. Doch in den öffentlichen Krankenhäusern fehlt es am Notwendigsten: Weder gibt es Sauerstoff noch Schutzmaterial für das medizinische Personal. Mexiko investiert nur 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Gesundheitssektor.

In der Industriestadt Juárez kommt die Verbreitung chronischer Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Asthma gerade in der arbeitenden Bevölkerung erschwerend bei SarsCov2-Erkrankungen hinzu. Umweltverschmutzung und Armut trotz Arbeit machen eine Infektion zum tödlichen Risiko. In Ciudad Juárez, das erst durch den Zuzug von Migranten aus dem Süden zur Boomtown wurde, lebt die Mehrheit der Menschen in der Misere und das hat nicht nur ökonomische sondern auch gesundheitliche Folgen.

Quarantäne wird zum 1. Juni aufgehoben

Die mexikanische Regierung hat derweilen angekündigt, trotz einer weiter in die Höhe schnellenden Corona-Infektionskurve ab dem 1. Juni die Quarantäne­maßnahmen aufzuheben. Das Wichtigste nach der Pandemie sollte die Gerechtigkeit für die Toten von Juárez sein, schreibt der Oppositionspolitiker und Universitätsdozent Victor M. Quintana S. in der nationalen Tageszeitung La Jornada.

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