Meuternde Polizei stürzt Ecuador ins Chaos
Eine Meuterei von Polizei und Teilen des Militärs hat am Donnerstag Ecuador an den Rand eines Umsturzes gebracht. Aus Protest gegen ein Sparpaket besetzten hunderte demonstrierende Polizisten am Morgen das Parlament und blockierten Strassen mit brennenden Autoreifen. “Gebt uns wieder, was ihr uns genommen habt!” forderten sie. Uniformierte der Luftwaffe sperrten einen Teil des internationalen Flughafens der Hauptstadt Quito, der deshalb seinen Flugverkehr einstellen musste.
Präsident Correa leicht verletzt
Der linke Präsident Rafael Correa, der die Rebellen bei einem Besuch im Polizeihauptquartier von Quito zum Einlenken zu bewegen versuchte, wurde mit Buhrufen, Flaschen und Tränengas empfangen. “Ich werde nicht nachgeben, wenn ihr den Präsidenten umbringen wollt, nur zu, hier bin ich!”, rief Correa entnervt. Wie Reporter vor Ort berichteten, wurde der Staatschef, der wegen einer kürzlichen Knieoperation an Krücken ging, von einem Wurfgeschoss getroffen und konnte von seinen Bodyguards nur mit Mühe und Not ins angrenzende Polizeihospital getragen werden.
Dort wurde er wegen Atemnot behandelt. Das Hospital wurde umgehend von demonstrierenden Polizisten umstellt, während hunderte von Regierungsanhängern herbeieilten, um den Staatschef zu “retten” und die Demokratie zu verteidigen. Sie wurden mit Tränengas zurückgedrängt,dabei starb nach Regierungsangaben ein Mensch und sechs wurden verletzt. “Mir wird gerade gesagt, dass meuternde Polizisten versuchen, übers Dach und durchs Fenster hier einzudringen”, schilderte Correa live vom Krankenbett dem staatlichen Radiosender. Er verhängte den Ausnahmezustand und liess sämtliche Radio- und Fernsehstationen gleichschalten mit dem staatlichen Rundfunk.
Schulen und Geschäfte geschlossen
Schulen und Geschäfte in der Hauptstadt Quito und der Wirtschaftsmetropole Guayaquil schlossen wegen der Unruhen. Es kam vereinzelt zu Überfällen und Plünderungen von Banken und Lebensmittelmärkten. Inmitten des Chaos sprach der Generalstab der Streitkräfte dem Staatschef seinen vollen Rückhalt aus. “Wir verstehen den Unmut der Kollegen, billigen die Ausschreitungen aber nicht und fordern sie auf, diese einzustellen”, sagte Polizeichef Florencio Ruiz. Correa bezeichnete die Meuternden als “Verräter” und warf dem Ex-Präsidenten und ehemaligen Putschistenmilitär Lucio Gutiérrez vor, hinter den Unruhen zu stecken. Gutiérrez, dessen rechte “Vaterlandsgesellschaft” die grösste Oppositionsfraktion im Parlament stellt, wies von Brasilia aus die Vorwürfe von sich. Am Abend schien sich die Lage etwas zu beruhigen, als Correa eine Delegation der Meuternden im Hospital empfing.
Sondersitzung der OAS
Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) rief eine dringliche Sondersitzung in Washington ein. Sie sprach Correa ihren Rückhalt aus und verlangte die Einhaltung der demokratischen Ordnung. Ecuadors Aussenminister Ricardo Patiño erklärte, die Meuterei sei absolut inakzeptabel, da die Gehälter der Sicherheitskräfte unter der Regierung Correas mehrfach erhöht worden seien. Das am Mittwoch vom Kongress verabschiedete Gesetz gleicht die Entlohnung der Staatsdiener im gesamten Land an, womit die Sonderzulagen für Beförderungen und andere Extras weggefallen wären.
Allerdings war der Staatschef selbst nicht zufrieden mit dem Gesetz, weil die Parlamentarier auch seiner eigenen Partei einer generellen Verringerung des Staatsapparats nicht zugestimmt hatten. Correa hat deshalb mit der Auflösung des Kongresses gedroht. Eine Massnahme, die zwar verfassungsgemäss ist, jedoch allgemeine Neuwahlen zur Folge hätte, in denen Correa seine Mehrheit und seinen eigenen Posten aufs Spiel setzt. Die Episode ist die schwerste Krise für den seit vier Jahren regierenden und 2009 wiedergewählten Correa. Beobacher fürchten nun eine Rückkehr der chronischen Instabilität in dem Andenland, in dem in den vergangenen 15 Jahren drei Präsidenten gestürzt wurden.
Autorin: Sandra Weiss