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Peru |

Menschenfett aus Peru als Schmierfett für deutsche Medien

Ein Kommentar von Hildegard Willer

Jedes Kind in Peru weiß, was ein „Pishtaco“ ist: ein „böser Mann“, der arme Menschen und einsame Reisende in den Anden umbringt, um sich an deren Fett zu laben und zu stärken. Schon die Inkas kannten die Figur des „Pishtaco“, und nachdem die weißen Spanier und später die „Gringos“ die Anden eroberten, nahm der Pishtaco in der Phantasie der indianischen Andenbewohner zunehmend die eurasischen Züge des Eindringlings aus dem Norden an. Sozusagen die weißhäutige Variante unseres früheren „schwarzen Mannes“, mit dem man Kinder erschreckt oder zumindest dazu bringt, Mama und Papa zu folgen.

Auch Erwachsene kann man in Peru damit schrecken, und alle Jahre wieder macht eine Horrorgeschichte von umherziehenden Pishtacos in einer oder der anderen Ecke Perus die Runde. Oft feiern die „Pishtacos“ dann fröhliche Urständ, wenn sich im Land Unmut regt über korrupte Politiker oder Polizisten. Zufall?

Die Geschichte, die die peruanische Polizei am 19. November 2009 der öffentlichkeit auftischte, war besonders gruselig: eine Bande, die sich selbst „Die Pishtacos aus dem Huallaga-Tal“ nennt, soll an die 60 Menschen zuerst in eine Falle gelockt haben, sie dann enthauptet, ihr Körperfett in einem versteckten Laboratorium entnommen und dieses dann für 10 000 Euro pro Liter an europäische Kosmetikfirmen verkauft haben.

Die Geschichte war ein paar Tage lang in den peruanischen Schlagzeilen und schaffte etwas, was peruanischen Schlagzeilen äußerst selten zuteil wird: sie machte die Runde um die Welt. Zuerst BBC, dann AP, AFP, auch die deutsche Presseagentur wollte bei dieser Geschichte nicht zurückstehen. Kaum ein deutsches Qualitätsmedium, welches nicht über die Fetträuber aus Peru berichtete: Focus, Süddeutsche, Generalanzeiger Bonn, der Stern und unzählige Regionalzeitungen, wie eine Google-Recherche bestätigt. Was für eine Gruselstory!

Dabei sind die Hintergründe schnell erklärt: die Bande gibt es tatsächlich, und einen Menschen haben sie nachweislich umgebracht. Die ganze Story spielt im abgelegenen Huallaga-Tal, das von Drogenhändlern beherrscht wird, wo viele Polizisten mit den Drogenhändlern gemeinsame Sache machen und wo ein Menschenleben nicht viel zählt. So wie die 60 Verschwundenen der letzten Jahre. Auch versteckte Laboratorien gibt es in dieser Gegend: allerdings wird dort kein Menschenfett abgesaugt, sondern Koka-Blätter mit Schwefelsäure und Kerosin eingestampft und als Rohstoff für Kokain außer Landes geschmuggelt.

Peruanische Lokaljournalisten vermuten, dass die Story von der Pishtaco-Bande von Drogenhändlern in die Welt gesetzt wurde, um die einheimische Bevölkerung gefügig zu machen. Und wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, darf vermuten, dass die Geschichte bewusst platziert wurde, um die peruanische öffentlichkeit von Korruptionsanklagen gegen die Regierung und Parlamentsabgeordnete abzulenken, die auch ihren Anteil am Exporterlös des Kokains einkassieren.

Warum aber gehen ausländische, und auch deutsche, sogenannte Qualitätsmedien einer so offensichtlich dünnen „Story“ auf den Leim? Die selben Medien, denen Peru das ganze Jahr über kaum eine Zeile wert ist, widmen der Pishtaco-Story mehr Platz als dem gesamten Gerichtsprozess gegen den früheren wegen Korruption verurteilten Staatspräsidenten Alberto Fujimori.

Zwei Erklärungsversuche: auch Qualitätsmedien stehen zunehmend unter dem Diktat der Leser und bringen das, was Auflage verspricht. Auch wenn man weiß, dass die Story selbst so eigentlich nicht stimmen kann. Die Medien bedienen damit eine Sehnsucht der Leser, Länder wie Peru weiterhin und vorwiegend mit exotisch-gruseligen Vorkommnissen zu assoziieren. In ihrer Beflissenheit, die exotischen Gelüste der Leser zu bedienen und daran zu verdienen, verkennen die Medien jedoch nicht nur ihren Bildungsauftrag. Vielmehr: sie machen sich damit zum Komplizen derjenigen in Peru, die ein Interesse daran haben, tatsächliche Missstände vor ihren Bürgern zu vertuschen.

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