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Mexiko |

López Obrador zeigt Mexikos Friedensbewegung die kalte Schulter

Präsident López Obador ist angetreten, um die Gewalt in Mexiko einzudämmen. Doch die Mordrate ist gestiegen. Der Friedensaktivist Javier Sicilia hält Obradors Strategie für gescheitert. Der Präsident verweist dagegen auf die Fehler seiner Vorgänger. 

Der Friedensaktivist Javier Sicilia bei einer Veranstaltung in El Paso, Texas. Foto: Javier SiciliaCaravan 4 PeaceCC BY 4.0

Javier Sicilia marschiert wieder. Mit seinem Panama-Hut und den Wanderstiefeln ist der Friedensaktivist wieder unterwegs, so wie 2011. Damals tötete das Organisierte Verbrechen seinen Sohn, und der verzweifelte Vater, Schriftsteller von Beruf, stieg zu Mexikos wichtigstem Friedensaktivisten auf. Damals schien es, als sei das zweitgrößte Land Lateinamerikas schon in der Apokalypse angekommen mit Zehntausenden Opfern im Krieg der Kartelle. 

Eine nachhaltige Politik für den Frieden

Jetzt, so findet Sicilia, ist es wieder Zeit, für den Frieden auf die Straße zu gehen. Für die „fast 300.000 Toten und 60.000 Vermissten“, wie er sagt und gegen den ignoranten 

Linkspräsidenten Andrés Manuel López Obador, der bei seinem Amtsantritt Ende 2018 rasche Besserung versprach und unter dem nur alles schlimmer geworden ist. 35.588  Menschen wurden in seinem ersten Amtsjahr erschossen, in Säure aufgelöst, in Massengräbern verscharrt. „Mexiko ist ein zerfallender Staat“, warnt Sicilia. „Wir wollen, dass Regierung und Zivilgesellschaft gemeinsam eine nachhaltige Politik für die Befriedung des Landes entwickeln“, unterstreicht der 63-Jährige im Gespräch. 

Aber der Präsident, der sich kurz nach seiner Wahl im September 2018 mit Sicilia traf und sich mit ihm auf eine gemeinsame Agenda einigte, will davon jetzt anscheinend nichts mehr wissen. López Obrador verweigerte dem Friedensaktivisten nach dessen tagelangem Marsch aus dem 70 Kilometer entfernten Cuernavaca nach Mexiko-Stadt am Sonntag ein Treffen. Was Sicilia mache, sei eine „Show auf Kosten der Opfer“, ließ der Präsident verkünden. „Es ist keine Show, es ist Schmerz“, skandierten Tausende Angehörige während ihres Marsches zum Präsidentenpalast.

AMLO, wie der Präsident in Mexiko kurz genannt wird, bot lediglich jemanden aus seinem Sicherheitskabinett zum Gespräch mit den Friedensaktivisten an, was diese ablehnten. „Es ist eine Geringschätzung den Menschen, dem Land und vor allem den Opfern gegenüber“, kritisiert Javier Sicilia.

"Mexiko ist in einigen Teilen gekapert vom Organisierten Verbrechen"

2019 war das Jahr mit den meisten Morden in Mexiko seit Beginn der Aufzeichnung vor 20 Jahren. Fast 100 Opfer pro Tag sind zu beklagen. Zum Vergleich: In Deutschland gab es 2018 insgesamt 386 Morde. Das heißt, in Mexiko werden in knapp vier Tagen so viele Menschen getötet wie in Deutschland im ganzen Jahr. 

Dabei haben die Morde vor allem seit 2006 dramatisch zugenommen, nachdem die damalige Regierung eine Militäroffensive begann, mit der sie das Organisierte Verbrechen niederringen wollte. Das Ergebnis: offiziell 275.000 Tote seither, Menschenrechtsorganisationen gehen von deutlich mehr Opfern aus. Die Kartelle aber sind in dieser Zeit nicht geschwächt worden. 

Mexiko ist eine der größten Demokratien der Welt, „gleicht aber einem Land im Krieg“, wie Sicilia betont. „Mexiko ist in einigen Teilen gekapert vom Organisierten Verbrechen“, sagt er. Tatsächlich sind Kartelle wie das Sinaloa-Syndikat des berühmten, in den USA inhaftierten Drogenbosses Joaquín, El Chapo, Guzmán oder das besonders blutrünstige „Kartell Jalisco Nueva Generación“ (CJNG) parallele Mächte und haben den Staat als Ordnungsmacht verdrängt. So etwa in den Bundesstaaten Sinaloa, Sonora, Guanajuato, Michoacán oder Jalisco. Dort kaufen die Verbrecherorganisationen Bürgermeister und Lokalpolitiker, dort bestechen sie Polizisten und setzen Richter unter Druck. 

Die Kartelle beschränken sich dabei längst nicht mehr auf den Drogenhandel, sondern sie widmen sich fast jedem bekannten Delikt: Menschenhandel, Schutzgelderpressung und Waffenschmuggel gehören ebenso dazu wie neuerdings ein Verbrechen, das im mexikanischen Spanisch „Huachicoleo“ genannt wird. Dahinter versteckt sich der Diebstahl und Schmuggel von Benzin, das die Banden aus Pipelines des staatlichen Ölkonzerns PEMEX abzweigen oder das sie durch das Kapern von Tankwagen erbeuten. In Guanajuato, einem kleinen, touristischen Staat im Zentrum des Landes, wurden 2019 knapp 5000 Menschen ermordet. 

Und das vor allem deshalb, weil dort die zweitgrößte von sechs Raffinerien Mexikos steht, von wo aus der gesamte Nordwesten des Landes mit Gas, Benzin und Diesel versorgt wird. Und um diesen Millionen-Markt ringen das CJNG-Kartell und die ortsansässige Mafia mit dem Namen „Santa-Rosa-de-Lima-Kartell“. „Der Markt ist so lukrativ, dass sich die Banden mancherorts fast Straße für Straße Revierkämpfe liefern“, sagt Francisco Jiménez Reynoso von der Universität Guadalajara.

Obradors Strategie gegen Gewalt 

Die Mord-Statistik 2019, die ein Anstieg um 2,5 Prozent zum Vorjahr bedeutet, ist eine bittere Niederlage für López Obrador. Er hatte der Bevölkerung im Wahlkampf eine schnelle Reduzierung der Gewalttaten versprochen. Er veränderte die Strategie seiner Vorgänger im Kampf gegen das Organisierte Verbrechen, indem er von der militärischen Konfrontation als Allheilmittel abrückte. Er zog Militär und Bundespolizei zum Teil ab, schuf mit der Nationalgarde eine neue Truppe und setzte mit Teilamnestien und Stipendien für Jugendliche andere, präventive Akzente. 

Aber es ist eine Strategie, die bestenfalls langfristig Erfolg zeitigen kann. Kurzfristig schufen die neue Politik und der Abzug der Sicherheitskräfte hingegen in manchen Gegenden ein Machtvakuum, das die Mafias rasch füllten. López Obrador erkennt das Problem zwar an, sieht sich jedoch auf dem richtigen Weg. Verantwortlich für die Situation macht er die „korrupten Vorgängerregierungen.“

Text: Klaus Ehringfeld 

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