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Kolumbien, El Salvador |

Lateinamerika: Quarantäne einhalten – aber wie?

Experten weltweit sind sich einig: Nur wenn die Quarantäne-Maßnahmen eingehalten werden, lässt sich das Coronavirus bekämpfen und die Gesundheitssysteme aufrechterhalten. Doch viele Menschen in Lateinamerika können es sich nicht leisten, zu Hause zu bleiben. Ausgerechnet das vergleichsweise arme El Salvador macht vor, wie es gelingen könnte. 

(Symboldfoto) Mann an seinem Hauseingang in San Salvador. In El Salvador halten sich die meisten Menschen an die Quarantäne-Regeln und bleiben zu Hause. Foto: Marin Steffen/ Adveniat 

Esteban Barboza zuckt mit den Schultern. „Nichts, die Regierung kümmert sich nicht um die Millionen Menschen, die im und vom informellen Sektor leben“, kritisiert der Sekretär der kolumbianischen Transportarbeitergewerkschaft (SNTT). „In Kolumbien hat man an die Ärmsten schlicht nicht gedacht, nur die Stadtverwaltung von Bogotá ist mit Nahrungsmittelpaketen ausgerückt“, so der in Bogotá lebende Mann. Dabei, da sind sich die Gesundheitsexperten einig, entscheidet über den Erfolg der Quarantäne-Maßnahmen, ob die Verbreitung des Virus verlangsamt werden kann oder nicht. Doch in Kolumbien, so Barboza sarkastisch, werden die Menschen eher am Hunger als am Virus sterben.

44,6 Prozent der Bevölkerung in Kolumbien ist laut den offiziellen Statistiken im informellen Sektor tätig. Verdient ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Orangensaft oder anderen Produkten als fliegende Händle in den Straßen Bogotas, als Lastenträger auf den Märkten, Taxifahrer oder Hausangestellte. Diese Mesnchen sind bis zum 7. April leer ausgegangen – sprich vom den sozialen Abfederungsmaßnahmen für kleine, mittlere und größere Unternehmen waren sie ausgeschlossen. Das wird sich mit der Auszahlung von 160.000 kolumbianischen Pesos (knapp 40 Euro) an rund drei Millionen Haushalte nun ändern. Kolumbien ist mit dieser Maßnahme eine der letzten Regierungen Lateinamerikas, die mit Sozialprogrammen ermöglichen, dass die Leute wirklich zu Hause bleiben können.

El Salvodor als Vorreiter im Kampf gegen Corona. 

An der Spitze der lateinamerikanischen Länder befindet sich das kleinste: El Salvador. Dort wurde die Schließung der Grenzen bereits am 11. März angekündigt. Am 14. März wurde das Nationale Notstandsgesetz und das Gesetz zur Einschränkung von Verfassungsrechten erlassen, mit denen Versammlungsfreiheit und Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden können. Das Notstandsgesetz gestattet auch die Anordnung zwangsweiser Quarantäne und die gilt seit dem 22. März landesweit für dreißig Tage und wurde bis zum 28. April ausgeweitet.

Zügig ging die Regierung des rechtskonservativen Populisten Nayib Bukele jedoch auch bei der Ankündigung von sozialen Hilfsmaßnahmen vor, die zudem deutlich generöser als in Kolumbien ausfielen. 300 US-Dollar pro Haushalt wendet die Regierung auf und zog dafür den Energieverbrauch heran. Jeder Haushalt, der weniger als 250 Kilowattstunden verbraucht, gilt als Kleinabnehmer und somit als Förderwürdig. Das sind rund 1,5 Millionen Haushalte und laut Experten werden so 60-70 Prozent der 6,7 Millionen El Salvadorianer erreicht. Das ist beispiellos in der Region. Zumal parallel die Zahlung der Wasser-, Strom- und des Telefons oder Internetzugangs ausgesetzt und auf die Nach-Corona-Zeit vertagt wurden. Der dreimonatige Aufschub gilt auch für die Bedienung der Kredite und die Zahlung der Mieten.

Viel Lob, trotz neuen Schulden 

Das umsichtige Hilfsprogramm wurde in zwei Schritten auf den Weg gebracht und hat dafür gesorgt, dass Proteste ausblieben und die Leute zu Hause blieben. Grundvoraussetzung, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und dafür hat der überaus populäre Nayib Bukele auch international viel Lob erhalten. Politikwissenschaftler wie Merike Blofield vom GIGA Institute für lateinamerikanische Studien lobten den Ansatz. Dafür hat die Regierung in El Salvador sich weiter verschuldet, nimmt allein für das 300 US-Dollar-Programm rund 450 Millionen US-Dollar in die Hand. Hinzu kommen weitere Maßnahmen, die sich insgesamt auf zwei Milliarden US-Dollar belaufen könnten.  Doch gerade die soziale Absicherung ist in dieser Dimension einzigartig und könnte Erfolg haben. Bisher sind in El Salvador 103 positiv auf das Coronavirus getestete Menschen registriert, fünf Todesfälle gibt es bisher. Auch wenn die Dunkelziffer höher liegen dürfte, ist das eine relativ niedrige Quote, die auch Regierungen, die ähnlich umsichtig agierten, nicht vorweisen können – wie etwa in Peru.

Dort wurde ein Hilfe über 380 Soles, umgerechnet 103 Euro, an bedürftige Haushalte ausgezahlt. Präsident Martín Vizcarra hat sich mit seinem Krisenmanagement hohe Zustimmungsraten erarbeitet und geht auch transparent mit Infektionszahlen und Testkapazitäten um. Derzeit hat Peru 4323 positiv getestete Fälle, 121 Menschen starben an Covid-19 und die Regierung diskutiert derzeit über die Ausweitung der Quarantäne-Maßnahmen. Die soziale Absicherung ist dabei ein wichtiges Element. Das ist in Ländern wie Kolumbien deutlich weniger der Fall und auch das benachbarte Ecuador versucht in Zeiten der Pandemie zu sparen. Dort erhalten nur 400.000 Familien eine Hilfe über gerade 60 US-Dollar. Doch die Sozialpolitik der Regierungen wird mit darüber entscheiden, ob das Virus in Lateinamerika zur Katastrophe wird oder ob sich die Pandemie stoppen lässt. Mehr soziale Absicherung ist dabei ein wichtiges Element. Ausgerechnet das arme El Salvador hat dabei Standards gesetzt.

Autor: Knut Henkel

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