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Kuba |

Kuba - eine Insel im Umbruch

Amerikanische Strassenkreuzer prägen das Bild der Strasse vieler kubanischer Städte. Foto: Adveniat/Steffen.
Amerikanische Strassenkreuzer prägen das Bild der Strasse vieler kubanischer Städte. Foto: Adveniat/Steffen.

Freunde hatten gelacht, als ich ihnen von meinen Reiseplänen erzählt habe: Zwei Wochen Kuba. Kommentare wie "Willst Du mal wieder Sozialismus und Mangelwirtschaft schnuppern?" oder "Ah, eine Zeitreise in die Vergangenheit..." musste ich mir mehr als einmal anhören. Ich bin im Ostteil Berlins (in meiner Jugend "Berlin - Hauptstadt der DDR") aufgewachsen und habe daher durchaus Erfahrung mit dem "real existierenden Sozialismus".

Aber vielleicht war es gerade das, was eine solche Reise nach mehr als 25 Jahren im vereinten Deutschland verlockend machte. Und ich wollte die Chance nicht verpassen, nach der vorsichtigen Öffnung des Landes ein Kuba kennen zu lernen, in dem sich der wachsende Einfluss des Westens noch in Grenzen hält. Eine Erwartung, die nur teilweise erfüllen sollte. Aber dazu später mehr.

Am Flughafen von Varadero angekommen (die Flüge in die Touristen-Enklave waren gut ein Drittel billiger als in die gut hundert Kilometer entfernte Hauptstadt Havanna) fallen mir zuerst die Frauen in den olivgrünen Uniformen auf. Einige blicken grimmig, andere freundlich, aber fast alle tragen zum Uniformrock Netzstrumpfhosen mit Mustern und Verzierungen - so weit die Phantasie reicht. Revolution und Individualität, das scheint gar kein so großer Widerspruch zu sein, wie man immer liest.

Varadero. Drei Tage Strand, zum Ankommen und Eingewöhnen. Dann reicht es. Varadero hat weißen Sand und Luxushotels für westliche Touristen. Aber mit dem wirklichen Kuba ungefähr so viel zu tun wie der "Buena Vista Social Club" mit einer Klosterschule. Ich solle einfach dahin fahren, wo die Musik spielt, hatte mir ein alter Mann schon am Flughafen geraten.

Karibisches Lebensgefühl

Aprospros Musik: Die scheint eigentlich immer irgendwo zu spielen auf Kuba. Am Strand, in den verfallenen Häuserschluchten von Old Havanna, im Café oder auf der Straße. Die Kubaner lieben Musik und Tanz, vor allem Salsa. Und sie leben dieses Gefühl einer gewissen Leichtigkeit: Mehr als einmal habe ich erlebt, dass ein Streit einfach dadurch beendet wird, dass jemand anfängt zu singen und die Kontrahenten so beruhigt.

An den alten Mann vom Flughafen muss ich noch oft denken während der kommenden zwei Wochen. Ich habe seinen Rat befolgt und bin zwei Stunden mit dem Bus gefahren, nach Havanna. Auf dem Prado, einer früheren "Prachtstraßen" der Hauptstadt spielt die Musik. An den Wochenenden verkaufen Künstler hier Zeichnungen, Bilder und Skulpturen. Dazwischen ein DJ. Wenige Meter weiter schmettert ein junger Mann mit großartiger Stimme ein Lied, dreht eine ältere Frau spontan über die Steinplatten des Mittelstreifens zwischen den Fahrbahnen. Er sei Lehrer an der Tanzakademie am Prado sagt er. Und verdiene sich auf der Straße ein paar Dollar dazu, von den Touristen.

Gewinner und Verlierer

"Ein paar Dollar dazuverdienen", das ist für viele Kubaner überlebenswichtig geworden. In Havanna, aber auch in den ländlichen Gebieten. Von der Region um Baracoa im Osten der Insel (die noch immer unter den Verwüstungen eines Wirbelsturms leidet) bis nach Pinar del Rio im Westen, wo es die besten Zigarren der Welt geben soll - ich als Nichtraucher bin nur fasziniert von der Fingerfertigkeit der Arbeiter. Mit dem kubanischen Peso (CUP) jedenfalls, der Währung, in der die Gehälter gezahlt werden, kann man zwar Briefmarken kaufen oder mit dem Bus fahren. Aber kaum noch irgendwo einkaufen. Die meisten Geschäfte akzeptieren nur die zweite kubanische Währung, den "Peso Convertible", kurz CUC. Ein CUC entspricht 25 einheimischen Peso - oder einem US-Dollar. Und wer CUC hat, kann sich fast alles kaufen. Also muss die Edel-Währung her, koste es, was es wolle.

Deshalb vermieten landauf, landab Kubaner Zimmer in ihren Häusern. "Casa Particular" heißt das und ist erst seit ein paar Jahren erlaubt - und eine ausgezeichnete Möglichkeit, das wirkliche Kuba und die Kubaner kennenzulernen.
Pablo, der mal Fremdenführer werden will und meinen Quartiereltern in Havanna Englisch-Unterricht gibt, hat mir bei einem Spaziergang durch die Altstadt erzählt, dass sich die Preise auf Kuba vom Frühjahr bis zum Herbst 2016 vervierfacht haben.

Eine Dose Cola, einheimische Produktion kostet einen konvertierbaren Peso. Ein Liter Orangensaft (Orangen wachsen auf Kuba überall) 2,40 CUC. Das Problem: Ein Kubaner verdient im Monat umgerechnet 20 bis 30 Dollar oder CUC. Und auch wenn Strom, Wasser und Gas hoch subventioniert und damit billig sind - mit normaler Arbeit eine Familie zu ernähren, rechnet Pablo mir vor, sei kaum noch möglich.

Spätestens da beginne ich, der Tourist aus dem Westen, zu verstehen. Warum mir alte Männer auf der Straße immer wieder Bilder des kubanischen Nationalhelden Che Guevara verkaufen wollen. (Sie kommen mit ihrer in einheimischen Pesos ausgezahlten Rente nicht über die Runden.) Warum auch in einfacheren Restaurants in der Altstadt von Havanna eher selten Kubaner sitzen. (Sie können sich zehn CUC für ein Essen plus Getränk nicht leisten.) Oder warum der Busfahrer, dem ich mangels kubanischer Pesos einen CUC in die Hand drücke, mich breit anlächelt. (Er hat gerade mehr als einen Tagesverdienst von mir bekommen.)

Und mir wird schlagartig klar, wie groß die Unterschiede im sozialistischen Kuba inzwischen sein müssen: Oscal etwa, der mich vor zwei Tagen in seinem zitronengelben Oldtimer (ein amerikanisches Modell aus den fünfziger Jahren) durch die Gegend gefahren hat, will für eine Stunde Stadtrundfahrt dreißig CUC haben. Als ich dankend ablehne, lässt er nicht locker: Er bietet 25, dann 20 CUC. Schließlich willige ich doch ein. Und er verdient er in einer Stunde so viel wie ein Lehrer in einem ganzen Monat.

Meister der Improvisation

Die Oldtimer. Sie gehören zu Kuba wie Rum und Salsa. Und waren einer der Gründe, warum ich unbedingt hier her kommen wollte. Bevor irgendwann Massen von amerikanischen Touristen Kuba überrennen (ein Dutzend Flüge aus den USA gehen derzeit täglich nach Havanna, bald werden es wohl 20 sein) und vom besonderen Flair der alten Gassen in Havanna nichts mehr übrig bleibt. Einen solchen Oldtimer zu besitzen gleicht einem Lottogewinn. Oscal öffnet stolz die Motorhaube. Und erklärt: Japanischer Motor, deutsches Getriebe, Bremsen aus russischer Produktion. Alles selbst zusammengebaut. In mehr als fünfzig Jahren Mangelwirtschaft sind die Kubaner Meister im Improvisieren geworden.

Das gilt (natürlich) für alle Bereiche des Lebens. Die meisten Häuser - nicht nur in Old Havanna - sind in einem grauenvollen Zustand. Eingestürzte Decken, verwitterte Fassaden. Aber die Kubaner - viele konnten ihre vier Wände vor Jahren zu günstigen Konditionen kaufen, kaum jemand wohnt zur Miete - reparieren und restaurieren mit allem, was sie an Baumaterial bekommen können. Tauschen Wasserleitungen gegen Ziegelsteine. Und sind verdammt stolz auf die alten Kolonialbauten, deren brüchige Mauern so viel mehr Geschichte atmen als die oft gesichtslosen Neubauten am anderen Ende Havannas.

Chance und Aufbruch

Improvisieren und etwas auf die Beine stellen, das scheinen vor allem junge Kubaner zu ihrem Lebensmotto gemacht zu haben. Eduardo hat vor ein paar Monaten am Strand von Guardalavaca im Nordosten Kubas einen Tisch, einen kleinen Kühlschrank und einen alten Ofen aufgestellt. Dazu einen Mixer. Fertig ist die Imbissbude des Self-Made-Unternehmers. Eduardo erzählt mir die Geschichte von der Touristin, die am späten Nachmittag plötzlich Hunger hatte und im staatlichen Hotel-Restaurant nichts mehr bekam. Feierabend. Auch Eduardo sei schon am Zusammenpacken gewesen. Aber er habe alles, was noch da war an Lebensmitteln auf eine Pizza gepackt und sich für seine Kreation einen eigenen Namen ausgedacht. Die Dame sei begeistert gewesen und habe am nächsten Tag gleich vier Freundinnen mitgebracht.

Die zaghafte Öffnung Kubas, vor allem jungen Leuten geht sie nicht schnell genug, das höre ich immer wieder während meiner Tour über die Insel. Beispiel Internet: Seit einiger Zeit lässt die Regierung auf ganz Kuba WLAN-Hotspots einrichten. Die digitale Isolation Kubas ist seitdem einem Fenster zur Welt gewichen. Und auch wenn die dafür nötigen Zugangskarten oft Mangelware sind (ich habe fünf Stunden lang vergeblich versucht, in den offiziellen Verkaufsstellen welche zu bekommen) und der Internetzugang mit zwei CUC pro Stunde (ein Zehntel eines durchschnittlichen Monatslohnes) extrem teuer ist, wird das Internet rege genutzt. Vor allem abends versammeln sich hunderte Menschen am Straßenrand sitzen oder in einem der vielen Parks - mit Laptops auf dem Schoß und Mobiltelefonen in der Hand. Ein untrügliches Zeichen, dass es hier Internet gibt. Und in irgendeiner dunklen Ecke verkaufen Schwarzmarkthändler die Zugangskarten - Drogendealern nicht unähnlich - mit satten Preiszuschlägen.

Als ich nach zwei Wochen wieder ins Flugzeug nach Hause steige sind mir drei Dinge ziemlich klar:
- Das isolierte sozialistische Kuba, von dem man oft in Büchern liest, ist an vielen Stellen längst verschwunden.
- Der Wandel auf der kleinen Karibikinsel, er wird nach dem Tod des "Commandante" Fidel Castro und dem Ende der Eiszeit mit den USA kaum noch aufzuhalten sein.
- Und: Ich möchte wiederkommen. Schon sehr bald.

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Dan Hirschfeld.

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