Kritik an "Landgrabbing" für Sojaanbau
Seit Jahren steigt die Produktion der Sojabohnen für den Export konstant, dieses Jahr wird ein neuer Rekord von acht Millionen Tonnen erwartet. Immer mehr Großinvestoren kaufen Land, um dort kapital – und pestizidintensiv genmanipuliertes Soja anzubauen. Bauern- und Basisorganisationen wehren sich gegen das „Landgrabbing“.
Paraguays Sojakönig Tranquilo Favero ist zufrieden. Seit Jahren steigt die Produktion der Exportbohne konstant, dieses Jahr wird ein neuer Rekord von acht Millionen Tonnen erwartet. Auch Präsident Fernando Lugo ist zufrieden, denn die Wirtschaft verzeichnet ein Rekordwachstum von 15 Prozent. Einst produzierte das südamerikanische Land Rindfleisch und Getreide, doch inzwischen reißen sich immer mehr Großinvestoren Ländereien unter den Nagel, um dort kapital – und pestizidintensiv genmanipulierte Soja anzubauen. Drei Millionen Hektar, mehr als ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche, sind es inzwischen. 1,5 Prozent der Bauern besitzen dem Soziologen Tomas Palau zufolge drei Viertel des Nutzlandes. Dem aus Brasilien stammenden Favero gehören 40.000 Hektar.
Viel Geld ist im Spiel: 1,6 Milliarden Dollar brachten die Sojaexporte nach Asien im vergangenen Jahr, in diesem Jahr sind es schon 1,8 Milliarden. Paraguay ist der viertgrößte Sojaexporteur weltweit.
Sprühflugzeuge und lächerliche Preise
Die Investoren sind nicht zimperlich. In San Miguel in der Provinz San Pedro wurden vor dreizehn Jahren die ersten Sojafelder angelegt. Agripina Brites störte sich daran nicht weiter. Doch dann kamen die Sprühflugzeuge. Das Schädlingsbekämpfungsmittel wurde vom Winde verweht, auf den Schulhof, auf ihre Felder, auf ihr Häuschen. Die Kinder begannen über Schwindel und Kopfschmerzen zu klagen, die Küken starben, die Ernte ging ein.
Dann kamen die Landhaie, boten lächerliche Preise. Die zehn Hektar von Agripina veranschlagten sie mit 50 Millionen Guaranies (rund 8000 Euro). „Dafür bekomme ich andernorts höchstens sieben Hektar, und ohne Haus“, seufzt Agripina. Und doch wird sie wie all die anderen auch verkaufen. San Miguel ist ein sterbendes Dorf, eingeschlossen von einer 3000 Hektar großen, grünen Sojawüste.
„Landgrabbing“ auch in Lateinamerika verbreitet
Das „Landgrabbing“ in Lateinamerika ist weniger bekannt als in Afrika, aber ebenso verbreitet, warnt die auf das Thema spezialisierte Nicht-Regierungs-Organisation „Grain“. Es hat viele Formen, subtile wie in Paraguay, aber auch gewaltsame wie in Kolumbien und Mittelamerika. Und oft, so Grain, stecken multinationale Firmen dahinter. Doch das wissen die Betroffenen gar nicht, denn in Zeiten der Globalisierung sind die Firmenverflechtungen über Beteiligungen, Banken, Treuhand- Investment- und Pensionsfonds undurchsichtig geworden.“ Dabei geht es um großangelegte Spekulation mit Land, Agrotreibstroffen und Lebensmitteln“, so Grain. Oft würde der Boden nur „gemietet“ – und nach Ablauf der Zeit vergiftet und unfruchtbar wieder zurückgegeben. „Die Staaten setzen so ihre Ernährungssouveränität aufs Spiel und heizen die Binnenmigration und die städtische Verelendung an.“
Basisorganisationen setzen sich zur Wehr
Doch in Lateinamerika haben Bauern- und Basisorganisationen einen lange Tradition und setzen sich zur Wehr. So marschierten in Paraguay kürzlich Tausende landlose Bauern durch die Hauptstadt Asunción, um Grundstücke zu fordern. Kurz danach begann das Landinstitut Indert im Osten des Landes mit der Vermessung von 250.000 Hektar, die sich brasilianische Sojabarone – allen voran Favero – angeeignet haben. 28.000 davon sind den Bauern zufolge eigentlich Staatsland. „Wir lehnen die Ausweitung des Gensoja-Anbaus ab, denn er bedroht unsere Flüsse, vergiftet unsere Erde und tötet unsere Brüder, die ohnehin von der Regierung vergessen sind“, erklärten ihrerseits die Guarani-Indianer.
Gesetzesblockaden und Bedrohungen
Doch Favero und Freunde kontern. Sie blockieren im Kongress ein Gesetz über das Verbot einiger besonders toxischer Pestizide und eines, das die Sojaexporte höher besteuert; sie schickten die ihnen hörigen, örtlichen Bürgermeister und Staatsbediensteten gegen die Landvermesser auf die Straße.
Zehn Bauern- und Umweltaktivisten wurden Menschenrechtsorganisationen zufolge in den vergangenen drei Jahren ermordet, gegen 500 laufen derzeit Prozesse wegen Ruhestörung, Landfriedensbruch und Unterstützung von Guerillaorganisationen. Menschenrechtler würden bedroht und das Militär immer häufiger bei Landkonflikten eingesetzt.
Sandra Weiss