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Kolumbien braucht eine starke Gewerkschaftsbewegung

Adela Torres (43), Sozialwissenschaftlerin, ist Generalsekretärin der Gewerkschaft der kolumbianischen Landarbeiter SINTRAINAGRO, deren Einfluss auf Politik und Wirtschaft wächst. Knut Henkel hat Torres interviewt.

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Adela Torres, Generalsekretärin der Gewerkschaft der kolumbianischen Landarbeiter, will eine höhere Organisationsquote von Arbeitern erreichen. Derzeit sind landesweit weniger als fünf Prozent gewerkschaftlich organisiert. Foto: Knut Henkel

Im September letzten Jahres hat Ihre Gewerkschaft einen neuen Tarifvertrag im Bananensektor Kolumbiens ausgehandelt. Der beinhaltet einen kräftigen Lohnzuwachs und Sonderleistungen – wie kam es dazu?
 
Wir unterhalten einen stetigen Dialog mit den Arbeitgebern und den zuständigen Ministerien, die eine vermittelnde Rolle bei den Gesprächen mit den Unternehmen spielen. Das sorgt dafür, dass Kompromisse zustande kommen, wie der Tarifvertrag, der den Arbeiterinnen und Arbeitern eine Lohnerhöhung von 5,5 Prozent bringt. Die liegt über dem Inflationsausgleich, so dass de facto am Ende mehr im Portemonnaie ist. 
 
Anders als in anderen Branchen ist Sintrainagro als Sektorgewerkschaft strukturiert und nicht als Betriebsgewerkschaft – ist das ein Vorteil?
 
Ja, definitiv. Heute verhandeln wir über einen neuen Tarifvertrag für 258 Plantagen, früher wurde auf jeder Plantage einzeln verhandelt. Das ist ein großer Vorteil, aus dem auch andere Gewerkschaften lernen können und das auch tun. Wir verhandeln heute nach dem gleichen Modell auch in Zuckerrohrsektor und in der Palmölbranche – das führt zu erfolgreichen Tarifverträgen. Damit einher geht ein steigender Organisationsgrad. Die Arbeiterinnen und Arbeiter sind zufrieden mit der Gewerkschaftsarbeit und den Abschlüssen. 
 
Das war bis in die 1990er Jahre anders – hat Sintrainagro seitdem an Mitgliedern und Einfluss gewonnen?
 
Sintrainagro hat national und international an Ansehen gewonnen und wir sind für Gewerkschaften in Kolumbien, aber auch in Mittelamerika als Modell durchaus bekannt. (In Honduras hat sich die Branchengewerkschaft Festagro nach dem Modell der Sintrainagro gegründet. Anm. des Verf.). 
 
Kolumbiens größter Gewerkschaftsdachverband CUT hat das Modell von Sintrainagro analysiert und setzt auf den Umbau der Strukturen – weg von den Betriebsgewerkschaften hin zu Branchengewerkschaften. Ein Erfolgsrezept?
 
Kolumbien ist ein Land mit einem geringen Organisationsgrad, deshalb macht die Umstrukturierung auf Branchengewerkschaften durchaus Sinn und dieses Konzept verfolgt die CUT seit einigen Jahren. Das ist aber ein Prozess, denn natürlich bringt der auch Veränderungen, die nicht überall gewünscht werden. Aber die Tatsache, dass wir ein deutlicher höheres Organisationsniveau haben, als das auf nationaler Ebene der Fall ist, spricht für sich. Kolumbien braucht eine starke Gewerkschaftsbewegung.
 
Davon ist das Land mit einer Organisationsquote von unter fünf Prozent aber weit entfernt. Woran liegt das?
 

An verschiedenen Faktoren: Zum einen gibt es viele Unternehmen, die Pleite gemacht haben, die verkauft wurden oder bei denen die Hürden für die Gewerkschaftsgründung durch andere Anstellungsverhältnisse, wie zum Beispiel Zeitarbeitsfirmen und andere Modelle, systematisch erhöht wurden. All das und natürlich auch die Verfolgung der organisierten Arbeiter durch die bewaffneten Akteure im Bürgerkrieg, vor allem durch Paramilitärs, aber auch die staatlichen Ordnungskräfte, hat dazu geführt, dass die Gewerkschaften an Mitgliedern verloren haben. 
 
Wo liegen die Herausforderungen für die Zukunft?
 

Unser Ziel ist es, in den Regionen, wo wir nicht präsent sind, in den Branchen, wo der Organisationsgrad gering ist, zu wachsen. Dazu gehört auch die Steigerung des Frauenanteils in den Betrieben. Da haben wir im Kontext des Tarifvertrags im Bananensektor einen kleinen Erfolg errungen: Wir haben uns darauf verständigt, dass mehr Frauen eingestellt und ausgebildet werden. 
 
Zum Abkommen gehört auch die gemeinsame Prävention gegen die Verbreitung des Bananenpilzes TR4, richtig? Der ist im Osten des Landes, auf der Halbinsel La Guajira, nachgewiesen worden und die Angst geht um, dass er sich in Kolumbien verbreiten könnte.
 
Prävention ist im Interesse aller Beteiligten. Von der Banane leben in Kolumbien rund 150.000 Familien, davon mehrere Zehntausend im Exportsektor. Diese Jobs sind durch den Pilz gefährdet, falls er sich verbreiten sollte. Dagegen haben wir ein Bündnis geschlossen und sorgen mit Desinfektionsmaßnahmen an jeder Plantage dafür, dass der Pilz nicht eingeschleppt wird. Da arbeiten der Verband der Bananenproduzenten Augura, die staatlichen Institutionen und wir als Gewerkschaften Hand in Hand. Heute sind alle Arbeiter im Exportsektor geschult, wissen was sie machen müssen, um das Eindringen des Pilzes auf die Plantagen zu verhindern. Es geht vor allem darum keine Erde einzuschleppen, denn darin könnte sich der in der Erde lebende Pilz befinden.

Deswegen werden Werkzeuge penibel gereinigt, die Arbeitsstiefel desinfiziert. Dasselbe gilt für Maschinen und die Container, die die Plantagen verlassen. 

Interview: Knut Henkel

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