Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
|

Kleine Verlage aus Lateinamerika auf der Buchmesse

Die lateinamerikanische Ecke der Buchmesse. Foto: Thomas Völkner
Die lateinamerikanische Ecke der Buchmesse. Foto: Thomas Völkner

Es sind sechs kleine Messestände, drei mal zwei nebeneinander, die in 90-Grad-Winkeln zueinander angeordnet sind und so gemeinsam ein Karree bilden. An den Seiten- und Rückwänden sind Regale angebracht, auf denen ein buntes Sortiment hierzulande quasi unbekannter Bücher steht. Schließlich noch pro Stand: Ein Tisch mit zwei, drei Stühlen, daran jeweils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des jeweiligen Buchverlags. Auf einem Tisch stehen eine Kalebasse mit Bombilla und eine Thermoskanne, woanders hängt ein Poster mit Zeichnungen von Tieren aus den Tropenwäldern, und ein großformatiges Verlagssignet erinnert an Ornamente aus vorkolumbischer Zeit. Kein Zweifel: Hier sind die Lateinamerikaner.

Die Frankfurter Buchmesse, auf der jedes Jahr im Oktober über 7.000 Verlage aus rund 100 Ländern vertreten sind, leistet sich ein Einladungsprogramm für junge Verlagsunternehmen aus Afrika, Asien, Lateinamerika sowie den post-sowjetischen und post-jugoslawischen Räumen. Das von der Buchmesse und dem Auswärtigen Amt finanzierte Programm soll rund zwei Dutzend Verlagsleuten einen genauen Einblick in den internationalen Handel mit Büchern und anderen Informationsmedien geben. Während nämlich die Kommunikation inzwischen spielend leicht sämtliche Grenzen überwindet, straucheln Bücher allzu häufig an den Mechanismen des Handels und den Gepflogenheiten der Buchmärkte. Wer zur weltweit größten Bücherschau eingeladen wird, darf nicht nur sich und seine Produktion vorstellen, sondern nimmt auch an einem mehrtägigen Seminar teil, in dem es um Buchgestaltung, Lizenzverkäufe und den Vertrieb von Büchern geht.

Die feine lateinamerikanische Note der Buchmesse

2014 sind sechs Kleinverlage aus Lateinamerika gekommen. Je einer aus Argentinien, Costa Rica, Guatemala, Puerto Rico, Uruguay und Venezuela. Neben den Gemeinschaftsständen, die diverse lateinamerikanischen Verlegerverbände schicken, sind also auch die Individualisten unterwegs. Sie sind nicht nur zum Lernen da, sondern geben der riesigen Buchmesse eine kleine, aber feine Note.

Der Dichter Luis Méndez Salinas aus Guatemala unterhält sich gerade angeregt mit einem einem Poesie-Fan aus Deutschland. Hinter ihm die eindrucksvolle Sammlung von Gedichtbänden, die seine Catafixia Editorial in den vergangenen fünf Jahren veröffentlicht hat: Hunderte zeitgenössische Autorinnen und Autoren aus dem gesamten iberoamerikanischen Sprachraum dürften es sein, die hier eine Möglichkeit zur Publikation erhalten haben. Die dünnen Bände tragen fantasievolle, bisweilen fast provokative Titel wie "Judas" (junge Poesie aus Costa Rica) oder "Cholos" (peruanische Autoren, die zwischen 1970 und 1990 geboren wurden). Wesentlich länger als Catafixia ist der Standnachbar Carlos Roberto Gómez mit seinem Verlag Isla Negra Editores auf dem Markt. Der Puerto-Ricaner beschäftigt sich mit spanischsprachiger Literatur aus der Karibik, wobei er den Begriff "Literatur" weit fasst. Zu den 400 Büchern, die seit 1992 entstanden sind, zählen Romane und Kurzgeschichten ebenso wie Essays, Dramentexte, Poesie und akademische Abhandlungen.

Wachsende lokale Märkte

"Kinder sollen aus meinen Büchern keine fertigen Antworten erhalten, sondern zum Nachdenken angeregt werden", sagt Jeannette León, die Leiterin von Cyls Editores aus Venezuela. Sie betont, dass sie gerne die Werkzeuge liefern möchte, mit denen Kinder sich Wissen aneignen. Das Cyls-Programm besteht entsprechend fast ausschließlich aus Text-Bildbänden zu Sachthemen aus Naturwissenschaften und Technik, Sport, Kultur und Sozialwissenschaften. León berichtet, wie sie die Bände in Schul- oder Klassenzimmer-Bibliotheken unterbringt. Das staatliche Schulsystem in Venezuela sei zurückhaltend, doch in Privatschulen wie in denen der katholischen Organisation "Fe y Alegría" gebe es großes Interesse. Neben den Büchern werden auch kostenlose Handreichungen für Lehrkräfte verteilt, in denen Anregungen zur Arbeit gegeben werden. Einzelne Bände gingen auch an Bildungseinrichtungen in anderen Ländern. Das sei kein Problem, meint die Verlegerin, die Inhalte seien universell und im Grunde auch für Kinder in Europa geeignet.

Einen anderen Ansatz verfolgt der seit 2008 in Costa Rica tätige Kinderbuchverlag La Jirafa y Yo, bei dem die landestypischen Sachbuchthemen ausdrücklich im Vordergrund stehen. Die meisten Lehr- und Lesebücher, die im costa-ricanischen Schulsystem eingesetzt würden, kämen aus größeren Ländern wie Mexiko oder Spanien, erläutert die Verlagsleiterin Ana Catalina Valerio. Geschichten aus den Provinzen des Landes, besonders solche aus mündlicher Überlieferung, und Sachbücher über Tiere, die in Costa Rica heimisch sind, fehlten bislang im Angebot an Lehrmaterialien. Es gebe in Costa Rica neuerdings eine Generation junger Eltern, so Valerio, mit zwei Überzeugungen: dass das Lesen für die Kinder wichtig sei und dass Bildung verstärkt über heimische Geschichte und Geschichten vermittelt werden müsse. Schön illustrierte Ausgaben von Erzählungen aus der Region Guanacaste, von Schlaglichtern aus der Historie der Hauptstadt San José und eine bildliche Umsetzung des Liedes "Como un pájaro" des Komponisten Fidel Gamboa beweisen, wie ernst es die Büchermacher und ihre Giraffe meinen.

Grenzgänger zwischen Philosophie und Literatur

Dem weltweiten intellektuellen Diskurs zeigt sich der Verlag Caja Negra Editora aus Buenos Aires verpflichtet, der gerade als "Bester argentinischer Buchverlag des Jahres" ausgezeichnet wurde. Die Bände, die Co-Verleger Ezequiel Fanego mitgebracht hat, lassen sich auch in den Reihen der angesagten deutschsprachigen Theorieverlage finden: Alexander Kluge, Jean-Luc Godard, William S. Burroughs und eine Untersuchung der "Generación Hip-Hop". Die Texte sind Grenzgänger zwischen Philosophie und Literatur, behandeln Aspekte der modernen Technologie ebenso wie die Geschichte des Kinos. Thematisch etwas breiter ist Criatura Editora aus Uruguay aufgestellt. Das Unternehmen, das erst 2011 gegründet wurde, veröffentlicht Romane, Short Storys, Aufsatzsammlungen und Kinderbücher. Neben eingeführte Autoren wie Mario Bellatin sollen vermehrt junge Stimmen aus ganz Lateinamerika treten. Welche das sein werden, hätte ich Julia Ortiz von Criatura gerne gefragt, doch sie war wohl gerade unterwegs in einer anderen Messehalle. Und das ist auch in Ordnung so. Immerhin gehören das Knüpfen von Kontakten und die Sichtung anderer Verlagsprogramme fest zur professionellen Messeteilnahme.

Thomas Völkner

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz