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Mexiko |

Keine Hoffnung auf die mexikanische Justiz

„Ich gehe, aber ich gebe nicht auf“, heißt es in einer Erklärung der 28-jährigen América del Valle, die laut Berichten der mexikanischen Tageszeitung „La Jornada“ am Vormittag des 23. Juni in der venezolanischen Botschaft in Mexiko-Stadt politisches Asyl beantragt hat und anschließend mit einer Erklärung an die öffentlichkeit ging. Darin heißt es, sie sehe keinen anderen Weg, da es in ihrem Land keine Gerechtigkeit und keine fairen Prozesse gebe. Aktivisten würden in Mexiko stattdessen kriminalisiert. Die Entscheidung habe die Aktivistin der Organisation Vereinigung der Völker zur Verteidigung des Landes (FPDT) ohne Kenntnis ihrer Familie und ihres Anwalts getroffen. Del Valle hatte vier Jahre im Untergrund gelebt, weil gegen sie mehrere Haftbefehle vorliegen, gegen die sie erfolglos Widerspruch eingelegt hatte.

Unter anderem wird sie angeklagt, eine „einer Entführung gleichkommende Straftat“ (secuestro equiparado) begangen zu haben, womit ein Angriff auf die öffentliche Infrastruktur gemeint ist. Wegen dieses Delikts waren im Sommer 2008 zehn der FPDT nahe stehende Aktivisten, die sich 2006 der Beteiligung bei den Protesten einer Straßensperrung schuldig gemacht haben sollen, zu Haftstrafen von je 31 Jahren verurteilt worden. Ignacio del Valle, der Vater von América del Valle und damals führender Kopf der FDPT, die sich vor allem gegen Landenteignungen im Zuge eines Flughafenausbaus engagierte, erhielt eine Strafe von 45 Jahren. Da Ignacio del Valle wegen ähnlicher Delikte bereits eine Strafe von 67 Jahren erhalten hatte, soll er insgesamt 112 Jahre hinter Gittern verbüßen.

Im Mai 2006 waren mehr als 3.500 Polizisten gegen gewalttätige Proteste im nahe bei Mexiko-Stadt gelegenen San Salvador Atenco eingesetzt worden. Die Proteste hatten sich daran entzündet, dass die Behörden versucht hatten, in Texcoco, einem Nachbarort von San Salvador Atenco, ambulante Blumenverkäufer zu vertreiben. Der Einsatz in San Salvador Atenco war international in die Schlagzeilen geraten, weil die Polizei unverhältnismäßig brutal gegen die Anwohner vorgegangen war. Nach Angaben des Menschenrechtszentrums „Miguel Agustín Pro Juárez“ seien damals über 200 Aktivisten inhaftiert worden und zwei Menschen ums Leben gekommen. Polizisten hätten nach dem Einsatz ausgesagt, man habe ihnen befohlen, auf alles einzuprügeln, was sich bewege. Auch der Gebrauch von Schusswaffen sei ausdrücklich gestattet worden. In den Tagen nach dem Einsatz hatte die Nationale Menschenrechtskommission Mexikos 189 Klagen über Menschenrechtsverletzungen gegen die Polizei erhalten, darunter die Anzeigen von 26 Frauen, die angaben, auf dem Weg zum Gefängnis sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen ausgesetzt gewesen zu sein.

Die FPDT und andere Organisationen fordern von der mexikanischen Justiz seit Jahren erfolglos eine Verurteilung der an den Übergriffen beteiligten Polizisten sowie faire Prozesse gegenüber den Aktivisten. So hatte beispielsweise ein Richter verfügt, einen wegen Vergewaltigung zu drei Jahren Haft verurteilten Polizist gegen eine Kaution von umgerechnet nur etwa 500 Euro wieder auf freien Fuß zu setzen. Außerdem wurde das Strafrecht dahingehend abgeändert, dass Nötigung zu Oralverkehr kein Vergewaltigungsdelikt mehr ist.

„In Mexiko gibt es keine Gerechtigkeit. Für mich liegt es eigentlich auf der Hand, dass der Oberste Gerichtshof die Justizirrtümer, zu denen auch die absurde Haftstrafe von 112 Jahren gehört, korrigieren müsste. Aber die Richter haben Anweisung, einen „legalen“ Winkelzug zu finden, damit viele der Urteile gegen unsere Mitstreiter aufrechterhalten werden können“, so del Valle in ihrem Kommunique.

Am 23. Juni wurden die Fälle der wegen der Unruhen von Atenco zu hohen Haftstrafen verurteilten Aktivisten vor dem Obersten Gerichtshof verhandelt. Die Urteilsverkündung werde aber erst für den 30. Juni erwartet, erklärte die Vorsitzende der FPDT, Trinidad Ramírez Velázquez del Valle. Ihre Tochter, América del Valle, wird bis zu einer Entscheidung über das Asylgesuch in der venezolanischen Botschaft bleiben.


Autorin: Bettina Hoyer

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