Keine Haft für Colonia-Dignidad-Arzt
Der in Chile wegen Kindesmissbrauch verurteilte deutsche Colonia-Dignidad-Arzt Hartmut Hopp (74) muss seine Haftstrafe nicht in einem deutschen Gefängnis absitzen. Nach einer am Dienstag veröffentlichten letztinstanzlichen Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist das in Chile festgestellte Verhalten Hopps in Deutschland nicht strafbar. Damit hoben die Düsseldorfer Richter eine gegenteilige Entscheidung des Landgerichts Krefeld auf.
Bundestagsabgeordnete reagierten enttäuscht auf den Richterspruch. "Insbesondere für die Opfer in Chile und Deutschland ist es ein Schlag ins Gesicht, dass Hopp straffrei bleiben soll", erklärte der Linken-Abgeordnete Jan Korte. Das Urteil sei "in erster Linie die Folge der jahrzehntelang nur halbherzig und schlampig erfolgten Strafverfolgung und juristischen Aufarbeitung in Chile und hierzulande". Umso wichtiger sei, dass die Bundesregierung die Aufarbeitung der in der Colonia Dignidad begangenen Verbrechen vorantreibe. Der menschenrechtspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Brand (CDU), sprach von einem bitteren Urteil. Die Opfer dürften nicht allein gelassen werden und müssten endlich konkrete Hilfen erhalten.
Rechte Hand Schäfers
Der Mediziner Hopp war in Chile wegen Vergewaltigung von vier Minderjährigen unter 12 Jahren und sexuellen Missbrauchs von 16 Minderjährigen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Tag verurteilt worden. Seine Taten soll er zwischen 1993 und 1997 in der Colonia Dignidad begangen haben. Hopp war ein enger Vertrauter des Kolonie-Gründers Paul Schäfer, der 2006 wegen Kindesmissbrauchs zu 34 Jahren verurteilt worden war und 2010 mit 88 Jahren in der Haft starb. Auf dem Areal rund 350 Kilometer südlich von Santiago hatte der Laienprediger seinen Anhängern ein "urchristliches Leben im gelobten Land" versprochen, aber ein diktatorisches Regime mit Zwangsarbeit, Folter und Kindesmissbrauch ausgeübt.
Der Umstand, dass Hopp als Führungsmitglied der Kolonie das System stützte und das dortige Internat mitgründete, reicht laut Oberlandesgericht nicht aus, um eine Beihilfe zu den Taten Schäfers zu begründen. Die Tatsachenfeststellungen der chilenischen Gerichte belegten keine Handlungen Hopps, durch die Schäfer der Zugriff auf die Kinder ermöglicht oder erleichtert worden wäre. Er habe Schäfer auch keine Kinder zugeführt. Zu einer nachträglichen Beweiserhebung zu Lasten des Verurteilten sehen sich die Düsseldorfer Richter nicht veranlasst. Bei dem sogenannten Exequaturverfahren, wonach Entscheidungen ausländischer Strafgerichte auch im Inland für vollstreckbar erklärt werden können, seien die deutschen Gericht an die im Ausland gewonnenen Tatsachenfeststellungen gebunden.
Hopp hatte sich im Mai 2011 nach Deutschland abgesetzt, um einer Verurteilung durch den Obersten Gerichtshof Chiles zu entgehen. Chile ersuchte Deutschland 2014 um die Übernahme der Vollstreckung der Haftstrafe. (KNA)