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Kann Haddad das Ruder noch herumreißen?

Wolken über Brasilien - Blick von der Favela Vidigal auf den Strand Ipanema (Symbolfoto: Weise/Adveniat)
Wolken über Brasilien - Blick von der Favela Vidigal auf den Strand Ipanema (Symbolfoto: Weise/Adveniat)

In der letzten Woche hat die Kampagne von Fernando Haddad dann doch noch Fahrt aufgenommen. Nachdem der Präsidentschaftskandidat der linken Arbeiterpartei PT seit Wochen in Umfragen bei 15 bis 20 Prozent Rückstand auf Jair Messias Bolsonaro verharrte, konnte er in den letzten Tagen aufholen. Am Donnerstagabend attestierten ihm die Institute 44 Prozent der Stimmen und damit 12 Prozent weniger als Bolsonaro. Innerhalb einer Woche reduzierte Haddad damit den Rückstand um 6 Prozent.

 

Auf den Wahlkampfveranstaltungen wirkt Haddad plötzlich angriffslustig, mit bisher nicht gekanntem Elan beschwört er die „virada“, die „Wende“. Auch seine Anhänger fassen neuen Mut. Landesweit stellen sie sich auf öffentlichen Plätzen zum Gespräch mit noch unentschiedenen Wählern oder solchen, die sich der Stimme enthalten wollen. „Lass uns reden“ steht auf ihren Schildern. Meist haben sie zwei Klappstühle dabei, einen für sich, den anderen für gesprächsbereite Passanten.

„Romper a bolha“, die (Filter)Blase durchbrechen, so das Konzept. Man müsse die Leute aus den ideologischen Blasen der sozialen Netzwerke herausholen und sie im Gespräch überzeugen. Jeder fünfte Wahlberechtigte hatte sich beim ersten Wahlgang am 7. Oktober der Stimme enthalten. Man könne weder die linksradikale PT noch den rechtsradikalen Bolsonaro wählen, so das häufige Argument. Es geht um rund 30 Millionen Stimmen, die für die PT die „Wende“ einleiten könnten. Nach Schätzungen liegt der Vorsprung Bolsonaros derzeit bei 15 bis 20 Millionen Stimmen.

Schlechte Aussichten für die linke Wende

Doch das Aufbäumen des linken Lagers kommt wohl zu spät. Schon am Sonntag findet die Stichwahl statt. Viel zu lange hatte die PT nach dem ersten Wahlgang gebraucht, sich auf eine neue Strategie zu einigen. Bis zum ersten Wahlgang hatte die Partei alleine auf die Popularität von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (2003-2010) gesetzt. Obwohl Lula seit April wegen Korruption und Geldwäsche inhaftiert ist, ernannte ihn die PT trotzig zu ihrem Kandidaten. Erst am 11. September übernahm Haddad die Kandidatur, nachdem Lula vom Obersten Wahlgericht von dem Urnengang ausgeschlossen worden war.

Um dem bis dahin wenig bekannten Haddad den Einzug in die Stichwahl zu garantieren, präsentierte sich dieser als höriger Schüler des Ex-Präsidenten. Statt ihre Kampagne gegen Bolsonaro zu richten, richtete sich die PT zudem gegen die anderen Kandidaten des linken Lagers. Das reichte letztlich für den Einzug in die Stichwahl. Allerdings vergrätzte die PT damit große Teile des linken Lagers. Der drittplatzierte Ciro Gomes sowie die ehemalige Umweltministerin Marina Silva erklärten zwar ihre „kritische Unterstützung“ für Haddad, aber nur, um die Wahl Bolsonaros zu verhindern. Zu gemeinsamen Auftritten mit dem PT-Kandidaten waren sie jedoch bisher nicht bereit.

Innerparteilicher Zoff

Haddad hatte auch gehofft, den sozialdemokratischen Ex-Präsidenten Fernando Henrique Cardoso (1995-2002) für seine „demokratische Front“ gegen Bolsonaro zu gewinnen. Doch Cardoso stellte die Bedingung, dass die PT vorher eine öffentliche Entschuldigung für ihre Beteiligung an den Korruptionsskandalen der letzten Jahre ablegt. Zwar schien Haddad dazu bereit zu sein, musste aber wohl innerparteilichem Druck nachgeben. Allerdings tauschte er das traditionelle Partei-Rot gegen die Landesfarben Grün-Gelb und reduzierte die Präsenz von Lula in seiner Wahlwerbung. Die von Haddad angekündigten Zugeständnisse an die konservativen Wähler des Zentrums blieben jedoch aus.

Die Starrköpfigkeit der PT-Führung wird nun wohl Bolsonaro in den Präsidentenpalast einziehen lassen. Denn die Arbeiterpartei hatte die Ablehnung Lulas innerhalb der Bevölkerung unterschätzt. Und diese Ablehnung hat Haddad nun geerbt. Die letzte Umfrage ergab, dass 52 Prozent ihn auf keinen Fall wählen wollen. So wählen viele Menschen Bolsonaro alleine aufgrund ihres regelrechten Hasses auf die PT. Der wurde durch Bolsonaros Kampagnen in sozialen Netzwerken und vor allem via WhatsApp noch zusätzlich geschürt. Millionenfach streuten Pro-Bolsonaro-Gruppen ihre giftige Propaganda über die digitalen Kanäle. Über WhatsApp wurden Millionen Brasilianer auch mit Fake News bombardiert. Die PT hatte dem nichts entgegenzusetzen.

Bolsonaros später Fehler

So bleibt Haddad nur noch die Hoffnung auf Fehler seines Gegners. Der verzichtet seit einem Messerattentat Anfang September auf sämtliche öffentlichen Auftritte. Die angesetzten TV-Debatten mit Haddad hat er abgesagt, auch weil er dem redegewandten PT-Kandidaten im direkten Duell wohl kaum gewachsen wäre. Am vergangenen Sonntag beging Bolsonaro dann aber doch einen groben Fehler. Siegesgewiss hatte er in einer Live-Schalte angekündigt, Oppositionelle aus Brasilien zu verbannen oder ins Gefängnis zu werfen. Haddad vorneweg. Er werde Säuberungen durchführen, wie sie Brasilien noch nicht gesehen hatte.

 

Der radikale Diskurs wurde zwar von Teilen seiner Wählerschaft gefeiert. Jedoch erschreckte Bolsonaro damit besonders bürgerliche Wähler. Zudem wurde ein Video öffentlich, in dem sein Sohn erklärte, dass das Militär problemlos das Oberste Gericht schließen könne, sollte dieses Bolsonaros Kandidatur juristisch infrage stellen. Angesichts der negativen Reaktion musste Bolsonaro zurückrudern. Er werde die Institutionen respektieren und Brasilien versöhnen. Doch wirklich glaubwürdig war das nicht. So kann es durchaus sein, dass Bolsonaros Fehltritte für seinen jüngsten Einbruch in der Wählergunst verantwortlich sind. Und nicht Haddads plötzlich erwachter Elan.

Autor: Thomas Milz

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