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Interview: Trumps Sanktionen, Maduros Öl

Die US-Regierung versuchte Präsident Maduro vor einem Jahr mit Sanktionen gegen den venezolanischen Erdölkonzern PDVSA  in die Knie zu zwingen. Doch der Präsident ist immer noch im Amt - und sein Volk hungert weiter. Was haben die Sanktionen gebracht? 
 

Türme des venezolansichen Erdölkonzerns PDVSA  in Maracaibo. Foto: Wilfredorrh, PDVSA Towers in downtown Maracaibo, CC BY-NC-ND 4.0

Venezuela besitzt mehr Öl als jedes andere Land der Erde. Präsident Maduro sichert das Öl sein politisches Überleben, sein Volk hingegen hungert. Mit Sanktionen gegen den venezolanischen Erdölkonzern PDVSA versuchte die US-Regierung Maduro zu schwächen und ihn letztlich aus dem Amt zu drängen. Maduro macht hingegen die Sanktionen für die Misere in Venezuela verantwortlich. Was haben die Sanktionen der USA bewirkt? Ein Interview mit Sabine Kurtenbach, sie ist Lead Research Fellow am Giga-Institut für Lateinamerika Studien in Hamburg und Honorarprofessorin an der Universität in Marburg.

Blickpunkt-Lateinamerika: Vor einem Jahr erhob Präsident Trump Sanktionen gegen die staatliche Ölfirma PDVSA in Venezuela. Es waren die ersten nicht personenbezogenen Sanktionen gegen die Regierung von Präsident Maduro. Die USA wollten damit einen Regierungswechsel und ein Ende der politischen und humanitären Krise einleiten. Doch Maduro ist immer noch im Amt und die Situation für die Menschen bleibt weiter katastrophal. Ist Trumps Politik der harten Sanktionen gescheitert?

Sabine Kurtenbach: Als Erstes muss man sagen: Sanktionen wirken immer mittel- und langfristig. Kurzfristig wirken Sanktionen kaum. Das Zweite ist, dass diese angeblich harten Sanktionen gar nicht so hart waren. Erst kürzlich gab es eine Sonderlizenz für Chevron (der nach ExxonMobil zweitwichtigste Energiekonzern der USA Anm. d. Red.), trotz Sanktionen wieder mit venezolanischen Öl-Konzernen zu kooperieren. Zudem versucht die venezolanische Regierung, verstärkt mit Russland zusammenzuarbeiten. Rosneft (Mineralölunternehmen aus Russland Anm. d. Red.) hat immer viel in die venezolanischen Erdölanlagen investiert. Die USA haben kein Interesse daran, dass Venezuela Verträge ausschließlich mit anderen Ländern schließt. Denn sollte es zu einem Regierungswechsel kommen, wären einige dieser Verträge bindend und die USA zögen möglicherweise einen Nachteil daraus.

Dennoch steckt die venezolanische Ölindustrie in einer tiefen Krise. Es gibt zwei konträre Meinungen, wer für die Krise in der Ölwirtschaft verantwortlich ist. Nicolás Maduro macht den privaten Wirtschaftssektor und die ausländischen Sanktionen dafür verantwortlich. Seine Gegner werfen ihm hingegen vor, seine sozialistische Regierung und die seines Vorgängers Hugo Chávez hätten die Wirtschaft des Landes zugrunde gerichtet. Wer hat Recht?

Ich glaube, beides trägt seinen Teil dazu bei: Was in Venezuela klar der Fall ist, ist, dass schon die Regierung unter Hugo Chávez viel zu wenig in die Erdölindustrie investiert hatte. Sie haben das Geld lieber anders ausgegeben. Das ist sicher auch ein Grund für die Malaise, die wir im Moment beobachten.

Gleichzeitig waren die USA bis zu den Sanktionen der größte Abnehmer von venezolanischem Öl. Im Gegensatz zu China und Russland (beide importieren Öl zu großen Teilen aus Venezuela als Schuldenausgleich und bringen somit keine Devisen ins Land Anm. d. Red.) haben die USA immer in Cash bezahlt. Und somit tragen die Sanktionen natürlich dazu bei, dass der Staat noch weniger Geld hat.

Sie gehen also davon aus, dass die US-Sanktionen nicht dazu beitragen, dass sich die Situation auch für die Menschen in Venezuela verbessert?

Nein, so würde ich das nicht generell sagen. Man muss sich nur klarwerden, dass Sanktionen eine begrenzte Wirksamkeit haben. Man muss das etwas differenzieren: Die personenbezogenen Sanktionen (Sanktionen, die sich etwa gegen private Vermögen von Regierungsmitgliedern richten Anm. d. Red.) halten auch sehr viele Menschen in Venezuela für sinnvoll. Aber diese allgemeinen Sanktionen gegen die Regierung haben das Potenzial, die humanitäre Krise noch zu verschärfen. Denn wenn die Regierung kein Geld mehr hat, können beispielsweise auch keine Medikamente mehr gekauft werden. 

Die USA sprechen dagegen davon, dass sie es nicht zulassen wollen, dass die Regierung von Maduro dem eigenen Volk das Öl "raube" und für seine Zwecke nutze. Die Trump-Regierung rechtfertigt die Sanktionen etwa damit, nur den Interessen der Menschen in Venezuela zu dienen und einen demokratischen Übergang herbeizuführen und ein Ende der Krise einzuläuten. Aber passiert damit nicht genau das Gegenteil?

Das ist immer die Frage der kurzfristigen und langfristigen Ziele: Die USA wollten mit ihren Sanktionen dazu beitragen, dass entweder das Militär die Fronten wechselt oder aber, dass das Regime implodiert. Das geschah aber nicht. Unter anderem deshalb, weil sich die Einnahmequellen von Staat und Bevölkerung diversifiziert haben. Neben dem Öl spielen mittlerweile auch die Überweisungen von venezolanischen Flüchtlingen aus dem Ausland eine große Rolle für das tägliche Überleben.  Insbesondere jetzt, wo der Dollar freigegeben wurde.

Zum anderen gibt es aber auch die illegale und kriminelle Wirtschaft, etwa den illegalen Goldabbau, der an der Grenze zu Brasilien und Guayana stattfindet. Hier fließt das Geld vor allem außer Landes und nützt nur dem Militär,  derorganisierten Kriminalität oder der Regierung.

Wie wichtig ist dann die Ölindustrie noch für den Machterhalt von Maduro?

Immer noch sehr wichtig! Solange das Öl die Haupteinnahmequelle bleibt. Bis vor Kurzem waren 95 Prozent der Exporte Öl. Auch wenn sich das jetzt verringert haben sollte, bleibt es wichtig.

Was könnten ausländische Regierungen wie die der EU und der USA denn statt Sanktionen machen, um die Krise in Venezuela einzudämmen?

Ich glaube, wenig. Die Veränderung muss von innen kommen. Was Venezuela braucht, ist ein nationaler Dialog zwischen den moderaten Kräften beider politischer Lager. Was man dabei nicht vergessen darf, ist, dass die Chavisten immer noch Rückhalt im Volk haben. Kollegen meinten kürzlich, 20 Prozent stünden immer noch hinter der Partei. Genaue Zahlen gibt es aber nicht. Und auch die Opposition findet keinen mehrheitlichen Rückhalt, sondern bleibt fragmentiert. 

Zudem müsste Venezuela einen historisch, strukturell neuen Weg finden, sich von der Abhängigkeit des Erdöls zu lösen - und zwar nachhaltig und auf soziale Inklusion bedacht. Denn die Krise hat ja nicht vor ein paar Jahren angefangen. Eigentlich ist es seit den achtziger Jahren ein ständiges Auf und Ab. Weder der Chavismus noch die Regierungen davor, an deren Politik manche innerhalb der Opposition anknüpfen wollen, haben das strukturelle Problem gelöst.

Wie könnte denn ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell für Venezuela aussehen?

Das ist die entscheidende Frage, nicht nur für Venezuela, sondern für die ganze Region: Was gibt es jenseits des Modells, das Rohstoffe aus dem Boden zieht, und was gibt es für andere Entwicklungsmodelle?

Venezuela war lange Zeit ein Land, das zahlreiche Touristen anzog. Hier gibt es sicher Potenzial. Allerdings ist der Tourismussektor von starken Schwankungen betroffen.

Absurd ist aber vor allem, dass Venezuela fast seine gesamten Lebensmittel importiert. Das Land müsste seinen eigenen Agrarsektor ausbauen. Doch Öl war einfach immer viel lukrativer und einfacher zu gewinnen. Venezuela muss viel stärker auf Vielfalt setzen und seine Wirtschaft diversifizieren.

Frau Prof. Dr. Kurtenbach, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Julian Limmer 

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