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Interview: "Niemand will hier die Umwelt schützen"

Umweltaktivistin Virgina Pérez (57) setzt sich gegen die Vergrößerung der Zellulosefabrik in Arauco im Süden Chiles ein. Schon jetzt hat dort die angeblich nachhaltige FSC-zertifizierte Forstwirtschaft Mensch und Umwelt erheblichen Schaden zugefügt. 

Lateinamerika Chile Zellulose Forstwirtschaft Nachhaltigkeit

Virgina Pérez (57) vor der Zellulosefabrik "Planta Horcones" in Arauco, Chile. Foto: Sophia Boddenberg

Virgina Pérez (57) ist Umweltaktivistin und Mitglied des Stadtrats der Comuna de Arauco in der Región Biobío im Süden Chiles. Dort baut das Unternehmen Arauco gerade seine Zellulosefabrik zur größten Lateinamerikas aus. Arauco ist zweitgrößter Zellulose-Produzent weltweit und exportiert hauptsächlich nach Europa, in die USA und nach China. Zellulose ist ein wichtiger Rohstoff für die Papierherstellung und die Bekleidungsindustrie. Virginia Pérez kritisiert, dass das Unternehmen die Umwelt verschmutzt und nichts zur Entwicklung der Gemeinde beiträgt.

Blickpunkt Lateinamerika: Sie setzen sich seit einigen Jahren gegen die Vergrößerung der Zellulosefabrik des Unternehmens Arauco ein. Was treibt Sie an? 

Virginia Pérez: Während der Militärdiktatur in den Siebziger Jahren wurde das Dekret 701 verabschiedet, das die Subvention von Forstunternehmen durch den Staat ermöglichte. So begann der Naturwald zu verschwinden und überall wurden Forstplantagen angebaut. Hier in der Provinz Arauco sind etwa 78 Prozent des Bodens mit Monokulturen bepflanzt, mit Kiefer und Eukalyptus. Der Naturwald speichert Wasser und produziert Sauerstoff, die Forstplantagen nicht. Auf dem Boden unter den Bäumen auf den Plantagen wächst nichts. Ein weiteres Problem hier ist der Landraub. Viele Menschen musste ihre Ländereien verlassen, weil die Forstplantagen so viel Schatten werfen, dass sie kein Obst und Gemüse mehr anpflanzen können. Alles, was hier an Zellulose produziert wird, wird exportiert. Wir sehen es dann später als fertiges Papier wieder. 

Welche Auswirkungen hat die Zellulosefabrik auf die Bewohner und die Umwelt? 

Die Verschmutzung durch die Zellulosefabrik hat direkte Auswirkungen auf die Bewohner, auf die kleinen Farmen der Bauern. Die Bienen und die Vögel verschwinden. Früher gab es hier Füchse und Waschbären. Jetzt sieht man mit viel Glück vielleicht noch ein Kaninchen hier und da. Die Zelluloseproduktion verschmutzt unsere Gewässer, weil das Unternehmen seine chemischen Abwässer ins Meer schüttet. Das Unternehmen behauptet, dass sie die Abwässer vorher reinigen und dass sie nichts verschmutzen. Aber es gibt keine Lebewesen mehr im Ozean. 

Ist es nicht illegal, die Abwässer ins Meer zu schütten? 

Die Gesetzgebung schützt die Unternehmen. Und es gibt keine Kontrollen. Wir sind hier nicht in Santiago. Wenn über Santiago eine Giftwolke schwebt, dann kümmert sich jemand darum, aber hier nicht. Der Gestank der Fabrik führt zu Kopfschmerzen und macht die Menschen depressiv. Die Sichtweise des Unternehmens ist ausschließlich wirtschaftlich, es will mehr Zellulose produzieren und exportieren. Niemand will hier die Umwelt oder die Menschen schützen.

Woher kommt der Gestank?

Der Gestank entsteht durch die Verbrennung der chemischen Abfälle. Alle festen Abfälle werden als Biomasse verbrannt, um Strom zu generieren. Das wird dann CO2-Ausgleich genannt. Der Strom wird an das zentrale Stromnetz verkauft und das Unternehmen verdient noch mehr Geld. Aber wir kriegen noch nicht einmal günstigeren Strom oder wenigstens Straßenlaternen. Und dazu kommt, dass das Unternehmen seine Steuern in Santiago zahlt. Es ist also doppelt ungerecht. 

Schafft das Unternehmen denn wenigstens Arbeitsplätze? 

Die Leute, die in der Forstindustrie arbeiten, sind billige Arbeitskräfte: Sie schlagen zum Beispiel Holz. Die qualifizierten Arbeitskräfte bringt das Unternehmen von außerhalb mit. Wir haben hier 80 Kilometer Strand, wir könnten vom Tourismus leben. In Europa werden Strände und Küstenregionen geschützt, aber hier werden sie mit industriellen Fabriken zugebaut. Und niemand macht etwas dagegen.

Arauco wurde vom Forest Stewardship Council (FSC) als nachhaltiges Forstunternehmen zertifiziert. Was halten Sie davon?   

Ich vertraue FSC nicht. Dahinter stehen leider viele wirtschaftliche Interessen. Wir haben zum Beispiel gefordert, dass die Plantagen nicht weniger als 30 Meter von den Gewässern entfernt gepflanzt werden dürfen. Nichts ist passiert. Wir haben Fotos an FSC geschickt und nichts hat sich geändert. FSC zertifiziert, dass die Lebensqualität und die Biodiversität beschützt wird. Aber unsere Gewässer sind verschmutzt. Die Zahl von Kindern mit Lerndefiziten und Verhaltensstörungen hat sich in den letzten Jahren verdoppelt. Wir leben zwischen Meer und Wald in einer Umgebung, die äußerlich sauber wirkt, aber tatsächlich ist alles verseucht.  Das führt zu Verzweiflung bei den Bewohnern. Sie haben schon lange die Hoffnung auf eine bessere Lebensqualität verloren. Die einzige Perspektive, die Jugendlichen hier haben, ist, auf den Forstplantagen zu arbeiten. 

Interview: Sophia Boddenberg, Chile

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