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Peru |

Interview: Investigative Journalisten aus Berufung

IDL-Reporteros heißt die kleine Redaktion, die in Peru in den letzten Jahren mit harter Recherche Korruption innerhalb des politischen Systems und in der Justiz aufgedeckt hat. Das hat für viel Aufsehen gesorgt und könnte der Redaktion am 28. September den „Global Shining Light Award“ für investigativen Journalismus einbringen.

Romina Mella Pardo (34) hat Journalismus studiert und drei Jahre bei der Tageszeitung „La República“ gearbeitet, bevor sie zu IDL-Reporteros wechselte. Dort arbeitet sie bis heute, ist aber auch als Gastdozentin an der Päpstlichen katholischen Universität von Lima (PUCP) aktiv und koordiniert ein investigatives Recherche-Netzwerk in Lateinamerika.
 
Blickpunkt Lateinamerika: Hat Peru ein strukturelles Korruptionsproblem? Immerhin sitzen beziehungsweise saßen zwei ehemalige Präsidenten (Ollanta Humala und Pedro Pablo Kuczynski) in Untersuchungshaft, die Auslieferung von Alejandro Toledo ist in den USA beantragt und Alan García hat sich durch seinen Freitod den Ermittlungen entzogen.
 
Romina Mella Pardo: Der Odebrecht Skandal ist eine Zäsur für die gesamte Region, nicht nur für Brasilien, wo der Skandal 2014 publik wurde, sondern auch für die Nachbarländer. In Peru haben wir bei IDL-Reporteros 2011 mit der Recherche über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an den Baukonzern durch Politiker bis hoch in den Präsidentenpalst begonnen – also drei Jahre bevor der Skandal publik wurde. 2015 haben wir dann einen regionalen Rechercheverbund angeschoben, den wir Red de Periodismo Estructurado nennen. Bei der Recherche sind wir gut vorangekommen, haben nachweisen können, wie das System der prall gefüllten Umschläge, die Odebrecht verteilte, funktionierte. Odebrecht hat systematisch korrumpiert, um an Großaufträge zu kommen – in der gesamten Region. Die Firma hat Wahlkämpfe finanziert, Politiker auf regionaler und auch auf nationaler Ebene mit hohen Summen bestochen – darunter auch die vier genannten Präsidenten Perus. 
 
Welche Bedeutung hat das Recherchenetzwerk, das „Netz des strukturierten Journalismus“?
 
Anders als in Brasilien, wo die Kollegen die Staatsanwälte und Polizei begleiteten, waren es in Peru und dem Rest Lateinamerikas investigativ arbeitende Journalisten, die die Korruptionsfälle ans Licht brachten. In Peru wurde die Staatsanwaltschaft daraufhin aktiv, in anderen Ländern war das nicht unbedingt so. Generell sind wir dank der engen Kooperation innerhalb des Rechercheverbundes weit vorangekommen, haben Hintergründe aufgezeigt, Beweise vorgelegt und Strukturen aufgedeckt. Ich koordiniere die gemeinsame Arbeit in unserem Rechercheverbund, an dem Journalisten aus Brasilien, Ecuador, Kolumbien, Guatemala, Uruguay und Venezuela sowie Panama teilnehmen. 
 
Dass der brasilianische Baukonzern Odebrecht systematisch bestochen hat, ist international bekannt, dass aber alle peruanischen Präsidenten seit 1990 Geld angenommen haben, weniger. Hat „Lava Jato“, so der Name des Korruptionsskandals, das Vertrauen in die Politik erschüttert?
 
Ja, das ist unstrittig.  Allen Präsidenten, die dieses Land nach der Re-Demokratisierung ab dem Jahr 2000 regiert haben, sind enge Kontakte zum Odebrecht-Konzern nachgewiesen worden. Alle haben nach dem Stand der Ermittlungen Geld angenommen – Alejandro Toledo nach derzeitigem Stand der Ermittlungen zwischen 20 und 30 Millionen US-Dollar. Aber auch Vorsitzende von Parteien, Regional- und Lokalpolitiker – der bekannteste Fall ist der von Keiko Fujimori, Tochter von Ex-Diktator Alberto Fujimori und Vorsitzende von „Fuerza Popular“. Sie sitzt in Untersuchungshaft. Nicht nur gegen sie sondern auch gegen andere Parlamentarier von „Fuerza Popular“ wird ermittelt. Aber es ist nicht nur der Odebrecht-Konzern, der bestochen hat – auch andere brasilianische Konzerne gingen nach diesem Muster vor. Öffentliche Aufträge gegen persönliche Zuwendungen lautete die Devise.
 
Sind auch nationale Baukonzerne involviert?
 
Ja, wir nennen sie den Club der Baukonzerne. Und es geht nicht nur um Bauprojekte sondern auch um Konzessionen für den Betrieb von Infrastrukturprojekten.
 
Am 7. Juli 2018 veröffentliche IDL-Reporteros Telefonmitschnitte, die systematische Korruption im Justizsystem belegen. Welche Folgen hat das gehabt?
 
Es war ein Schock für die peruanische Gesellschaft, denn die Telefonmitschnitte belegen, dass die Korruption bis an die Sphären der Justiz reichen. Richter, Staatsanwälte, darunter der Generalstaatsanwalt des Landes, Politiker, Unternehmer sind involviert – ein weitreichendes, korruptes Netzwerk. 
 
Wie arbeitet IDL-Reporteros?
 
Wir haben 2015 entschieden, uns auf „Lava Jato“ zu konzentrieren, recherchieren systematisch, überprüfen, werten Dokumente aus und sammeln Beweise, die wir archivieren und den Kollegen zur Verfügung stellen. Wir verfolgen mehrere Stränge, recherchieren auf mehreren Ebenen, und das hat Früchte getragen und es geht weiter. Wir sind noch nicht am Ende angekommen. Gerade sind wir dabei, neue Fälle zu recherchieren und zu analysieren. 

IDL-Reporteros ist 2010 als erstes unabhängiges, investigatives Recherche-Portal Perus gegründet worden und die Idee dafür hatte Gustavo Gorriti, von Beginn an und bis heute der Redaktionsleiter. Wir werden von der Open Society Foundation unterstützt, sind ein kleines fünfköpfiges Redaktions-Team und freuen uns natürlich für den „Global Shining Light Award“ nominiert zu sein. Das macht uns und unsere Arbeit auch international sichtbar. 
 

Interview:  Knut Henkel

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