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Kolumbien |

Interview: Indigene Frauen fordern politische Teilhabe

Roseli Finscuechavaco (38), Nasa-Indigene, koordiniert mit zwei weiteren Frauen seit sieben Monaten das Frauenprogramm des Dachverbands der indigenen Völker in der Region Cauca (CRIC). Dank der Gründung von Frauenräten auf lokaler Ebene spielen Frauen heute eine politisch aktivere Rolle und treten selbstbewusster für ihre Reche ein. Sogar im Regionalparlament des Cauca sitzt mittlerweile eine gewählte indigene Abgeordnete. 

Indigene Frauen Kolumbien Nasa Amazonas Menschenrechte

"Unsere Stimme wird nicht so gehört und akzeptiert, wie wir uns das wünschen", sagt Roseli Finscuechavaco, Koordinatorin des Frauenprogramms beim Indigenen-Dachverband CRIC. Foto: Knut Henkel 

Blickpunkt Lateinamerika: Gibt es Widerstände gegen das politische Engagement von Frauen?

Roseli Finscuechavaco: Ja, natürlich. Denn patriarchale Strukturen sind auch in indigenen Familien weit verbreitet. Unsere Stimme wird nicht so gehört und akzeptiert, wie wir uns das wünschen. Wir Frauen haben es mit Widerständen auf emotionaler, politischer, ökonomischer und eben auch auf Gender-Ebene zu tun. Da unterscheiden sich die Strukturen innerhalb der indigenen Gesellschaft nicht sonderlich von denen der kolumbianischen. 

Ist Gewalt gegen Frauen ein Problem?

Ja, die Zahl der Frauenmorde in der Region Cauca ist alarmierend. Im letzten Jahr wurden 64 Frauenmorde registriert – neun der ermordeten Frauen waren Indígenas. 
Vor allem die politisch aktiven indigenen Frauen sind in den Fokus der bewaffneten Akteure gerückt. Früher gab es Morddrohungen, Vertreibungen, aber selten direkte Angriffe. 

Was sind die Gründe?

Unseren Recherchen zufolge stehen im Hintergrund oft Landkonflikte – um strategisch wichtige Landstriche, um den Zugang zu Wasser oder zu Bodenschätzen. Dagegen wehren sich die Frauen, treten für die Rückgabe von Land ein, wehren sich gegen das Eindringen von Banden und Investoren in indigene Territorien und Land, das für sie eine wichtige kulturelle Bedeutung hat. Das macht sie mehr und mehr auch zu militärischen Zielen paramilitärischer Gruppen und anderer bewaffneter Akteure. In der Region Cauca gibt es viele Interessen: Bergbau, Drogenanbau, aber auch die strategischen Korridore für den Waffen- wie Drogenschmuggel sind wichtige Faktoren. 

Ist die Situation brisanter als zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Farc-Guerilla und der Regierung im November 2016?

Ja, ohne Zweifel. Das Misstrauen und die Verunsicherung nehmen zu, denn früher war klar, wer zu wem gehört. Das ist heute nicht mehr der Fall, und der Cauca ist eine Region, die von der Zentralregierung im Stich gelassen wird.  Die Zahl von 12 Morden im Jahr 2019 an indigenen Repräsentanten, Männern wie Frauen, belegt das. Nach den Angaben des Misión de Observación Electoral, wurden 2019 in der Region Cauca 27 soziale und politische Aktivisten ermordet. Allerdings sind nicht alle Fälle dokumentiert und verifiziert.

Die Regierung hat immer wieder die Präsenz des Militärs verstärkt – zuletzt im November letzten Jahres. Ist das ein sinnvolles Konzept?

Nein, denn die Militärs sorgen nicht für mehr Sicherheit, sondern für mehr Druck. Ein Beispiel ist die Zerstörung der Kokafelder, ohne den Bauern wirtschaftliche Hilfen für den Anbau und die Vermarktung alternativer Produkte zu bieten, wie im Friedensabkommen von 2016 fixiert. Da ist das Ausreißen der Kokapflanzen von Hand vorgesehen. Doch die Regierung von Iván Duque hat mehrfach Anträge gestellt, die Besprühungen mit Chemikalien aus der Luft wiederaufzunehmen. Trotz eines Verfassungsgerichtsurteils, dass das verbietet. Zudem ist das Militär gegen Kokabauern mit Waffengewalt vorgegangen. Wir lehnen die Militarisierung der Region ab. 

Welche Bedeutung haben die Personenschützer der Unidad de Protección (UNP)? Schützt sie indigene Repräsentanten?

Ja, sie ist im Cauca präsent, aber das reicht vorne und hinten nicht. Grundlegende Rechte werden im Cauca nicht eingehalten. Da helfen weder mehr Militärs noch die UNP. Gerade die Militärs haben Kontakte zu bewaffneten Organisationen, von denen wir bisher nicht wissen, welche Ziele sie verfolgen. 

Sprechen Sie von einer neuen Generation von Paramilitärs?

Ja, mehr oder weniger läuft es darauf hinaus. Das bestätigen auch unabhängige Ermittler, die von vielen neuen Gruppen sprechen, die im Drogenhandel genauso tätig sind wie in illegalen oder halblegalen Bergbauprojekten – und diese Gruppen eint, dass sie keinerlei Respekt für die Rechte der Frauen zeigen. Sie agieren überaus brutal und skrupellos und gehen auch gegen Führungspersonen, darunter immer öfter Frauen, vor.

Dennoch sind Frauen bei Demonstrationen deutlich sichtbarer als früher.

Wir werden jedes Mal mehr. Eine neue Generation rückt nach, wofür auch ich ein Beispiel bin. Allerdings nimmt der Prozentsatz von Frauen in den Führungspositionen ab. Da setzen wir vom Frauenprogramm an. Politische Bildung ist deshalb sehr wichtig. 

Interview: Knut Henkel

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