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Venezuela |

Interview: „Die Fanatiker auf beiden Seiten müssen isoliert werden“

Lateinamerika Venezuela Adveniat Demonstration Krankenhaus

Mitarbeiter eines staatlichen Krankenhauses in Venezuela protestieren gegen den Mangel an medizinischem Material und Medikamenten. Auf dem Plakat links ist zu lesen: "Meine einzige Waffe ist meine Stimme". Foto: Adveniat/Florian Kopp

Pablo Urquiaga wurde 1945 auf Kuba geboren und kam bereits 1968 nach Venezuela, wo er sein Theologie-Studium abschloss. 1975 wurde er zum Priester geweiht. Seine Sicht auf die innere Zerissenheit Venezuelas schildert er in einem Interview mit dem nicht-staatlichen, gemeinnützigen Online-Portal Noticias Aliadas. Blickpunkt Lateinamerika übersetzt nachstehend einen Auszug des Interviews:

Ist die schwere Wirtschaftskrise, die Venezuela durchmacht, ihrer Ansicht nach vom Ausland aus erzeugt – oder ist sie die Folge der Fehler der Regierung Maduro?

Ich glaube, beides trifft zu. Für die Wirtschaftskrise ist auch die absurde Blockade der USA verantwortlich, ebenso wie die Hyperinflation, die von außen verursacht wurde. Zudem sind einige Minister der Maduro-Regierung in Korruptionsfälle verwickelt, vor allem solche im staatlichen Ölunternehmen PDVSA  Die Wirtschaftspolitik war desaströs und muss sich radikal ändern. Venezuelas Währung, der Bolívar, droht zu verschwinden. Es wurden Unternehmen verstaatlicht, die früher reichhaltig und hochwertig produzierten. Viele von diesen sind ruiniert. Die Regierung muss von ihrem ideologischen Fanatismus ablassen. Wir sollten aber andererseits an den realen Erfolgen des revolutionären Prozesses festhalten, den der verstorbene Ex-Präsident Hugo Chávez zu Gunsten der Ärmsten begann. Das ist unantastbar. Man muss aber an Verbesserungen arbeiten, um effizienter zu produzieren und anschließend gerecht verteilen zu können. In den Staatsunternehmen mangelte es an Führung und Verantwortlichkeit.

Steht die Spitze der katholischen Kirche Venezuelas wieder auf der Seite der Opposition, so wie im April 2002 beim Putschversuch gegen Hugo Chávez?

Die katholische Kirche ist radikaler gegen Maduro als sie es 2002 gegen Chávez war. Die Lösung wird darin gesehen, dass Maduro geht. Traurigerweise ergreifen einige aber offen und parteiisch Position für den selbst ernannten Präsidenten Juan Guaidó. Die Spitze der katholischen Kirche ist, mit einigen Ausnahmen, aufgrund ihrer Parteilichkeit nicht fähig, in diesem Konflikt als Schiedsrichter zu agieren. Es ist die Rede von Dialog und Frieden, und dann stellt man sich auf die Seite jener, die eine ausländische Militärintervention fordern - ganz im Gegensatz zur Position von Papst Franziskus. Es ist wichtig, die Fehler der Regierung Maduro anzuprangern, aber auch die Erfolge anzuerkennen. In keinem Dokument hat die katholische Kirche jemals die Erfolge der Revolution zugunsten der Ärmsten anerkannt. Von Unparteilichkeit kann keine Rede sein. Wir sollten das, was erreicht wurde, verändern und verbessern, es aber nicht zerstören. Zu beachten ist allerdings auch, dass einige katholische Würdenträger von der Regierung nicht mit Würde behandelt und ihnen Privilegien genommen wurden. Teilweise ist bei diesen Personen Hass zu spüren.

Und was denkt die Spitze der katholischen Kirche Venezuelas über die jüngsten Ereignisse?

Es herrscht völliges Schweigen, bislang. Niemand hat sich dazu geäußert. Die Kirche soll sich nicht zugunsten der Regierung aussprechen. Aber sie soll zum jüngsten Putschversuch und dem damit verbundenen Versuch, gewaltsam die Macht zu ergreifen, Stellung nehmen. Erinnert sei an ein christliches Prinzip: Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

Wie sieht für Sie eine Lösung aus, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden?

Um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, müssen Verständigung, Dialog und Einigung gesucht werden. Aber nicht mit allen. Sondern mit all jenen aus Opposition und Regierung, die Venezuela lieben und guten Willens sind, auch wenn die Standpunkte sich deutlich unterscheiden. Wie sagte der legendäre brasilianische Erzbischof Dom Hélder Câmara: „Wenn du anders denkst als ich, bereicherst du mich.“ Es braucht einfach Demut und die Erkenntnis, dass keiner im Besitz der vollständigen Wahrheit ist. Gewalt jeder Art muss abgelehnt und gemeinsam und zum Wohle aller nach einer neuen Alternative gesucht werden, um friedlich aus dieser Krise herauszukommen. Die Fanatiker in beiden Lagern müssen isoliert werden. Es gilt, die Gegner zu vereinen, um nie mehr in die Vergangenheit Venezuelas zurückzukehren und den Albtraum der Gegenwart zu überwinden. In einer nahen Zukunft sollen in Venezuela alle, nicht nur eine kleine Gruppe, gut und in Frieden leben.

Quelle: https://bit.ly/2VzD7Jw, Interview: Paolo Moiola, deutsche Bearbeitung: Bernd Stößel

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