Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Peru |

"€žIch will mich wohlfühlen in meiner Haut"€?

Wilfredo Ardito setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass Menschen in Peru nicht mehr wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert werden. Seine eigene Betroffenheit und sein christlicher Glaube motivieren ihn dazu. Eine neues Gesetz bestätigt ihn in seiner Arbeit.

Eine gute Nachricht aus Peru. Auch das gibt es. Voller Freude berichtet Wilfredo Ardito aus Lima, dass die Stadt Huancavelica in den peruanischen Anden eine Verordnung erlassen hat, gegen Diskriminierung wegen der Hautfarbe zu ahnden. „Huancavelica ist die 53. Stadt in Peru mit einer solchen Verordnung“, sagt Wilfredo Ardito. Der 44-jährige Anwalt aus Lima ist seit Jahren eine treibende Kraft im Kampf gegen Rassismus in Peru und verwirklicht darin sein christliches Engagement.

Wilfredo Ardito hat die offene, ebenso wie die unterschwellige Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe am eigenen Leibe erlebt. In dem Andenland, das sich im Ausland gerne mit zöpfetragenden Indianermädchen schmückt, herrscht ein verdeckter Rassismus, den alle Peruaner sozusagen mit der Muttermilch aufsaugen: je weißer, desto reicher, klüger, schöner und mächtiger. Je dunkler die Hautfarbe, desto ärmer, ungebildeter, unbedeutender und hässlicher, so lautet die unbewusste Botschaft, die sich seit Jahrhunderten in den Köpfen der Peruaner festsetzt. Auch wenn die Wirklichkeit ganz anders aussieht. Die meisten Peruaner sind Mestizen, die mehr oder weniger indianische Gesichtszüge aufweisen. Wilfredo Ardito beschreibt sich selbst als „Sieben Wurzeln“, nach dem bekannten Kräuterlikör aus dem peruanischen Regenwald. Indianische Ureinwohner, spanische und italienische Einwanderer und afrikanische Sklaven gehörten zu seinen Vorfahren.

Bei Wilfredo sind die afrikanischen Gene sichtbarer als die italienischen, und das machte ihn zum Opfer der Diskriminierung von Kindesbeinen an. „Ich besuchte als Kind eine italienische Schule in Lima. Als ich sieben war, wurden die Jungs mit nicht-italienischer Abstammung in eine eigene Klasse geschickt. Ich war zwar italienischer Abstammung, aber zu dunkelhäutig für einen Italiener, und wurde auch rausgeschickt“. Erst nach 30 Jahren, so Wilfredo Ardito, hat er mit seinen damaligen Klassenkameraden über diese Diskriminierung gesprochen. „ Ich sprach als erster das Thema an und erfuhr, dass es vielen ähnlich gegangen war. Sie waren froh, endlich darüber sprechen zu können“.

Wahrheitskommission legt Rassismus offen

Der Bericht der Wahrheitskommission aus dem Jahr 2003 hat viel dazu beigetragen, dass der alltägliche Rassismus in Peru heute kein Tabu mehr ist. Im peruanischen Bürgerkrieg hat die Hautfarbe den Ausschlag über Tod und Leben gegeben. Die fast 70 000 Opfer des peruanischen Bürgerkrieges waren indianischer Abstammung. „Die Armee und Polizei konnten ungestraft morden, weil die Opfer ja „nur“ Indianer waren“, bestätigt Wilfredo Ardito die Bedeutung des Berichtes für die Aufarbeitung des Rassismus.

Schon vorher hatte Wilfredo Ardito mit der Nationalen Menschenrechtskoordination eine Arbeitsgruppe gegen Rassismus ins Leben gerufen. Mit spektakulären und spielerischen Aktionen machten sie den alltäglichen Rassismus in den Köpfen der Peruaner immer wieder sichtbar. So veranstalteten sie Protestaktionen vor den In-Discos in den feinen Vierteln Limas, deren Türsteher – oft selbst schwarzer Hautfarbe – niemand Dunkelhäutigen reinließen. Die Protestaktionen hatten Erfolg. Die Medien griffen das Thema auf. Rassismus passte nicht ins Bild eines sich modernisierenden Landes. Aber auch die Medien waren vor Rassismus nicht gefeit. „Eine unserer ersten Kampagnen lief gegen eine rassistische Komik-Serie im peruanischen Privatfernsehen. Der TV-Unternehmer drohte uns zuerst, schließlich setzte er die Serie – trotz hoher Einschalquoten – ab“, erinnert sich Ardito.

Besonderen Anklang fand eine Strandbesetzung im Januar 2007. Im schicken Nobelstrandort Asia hatten die Arbeitgeber ihren (meist indianisch aussehenden) Hausangestellten verboten, den selben öffentlichen Strand wie sie zu benutzen. Hunderte von Jugendlichen aus Lima protestierten dagegen und besetzten symbolisch den Strand. Die Aktion fand ein großes Medienecho, der Rassismus der schicken, schönen und meist weißen Strandhausbesitzer wurde öffentlich entlarvt.

Der Kampf gegen Rassismus in den Köpfen der Menschen braucht einen langen Atem. Wilfredo Ardito bringt das Thema immer wieder als Dozent bei seinen Studierenden an der Katholischen Universität in Lima an. Als Mitarbeiter einer Menschenrechtsorganisation organisiert er Fortbildungen und Aktionen zum Thema. Als Bürgeranwalt ist er unermüdlich dabei, Missstände aufzudecken. Ein weites Betätigungsfeld bieten die Werbeprospekte der großen Kaufhäuser oder die Stellenanzeigen. „Wir schreiben Beschwerdebriefe, wenn die Kaufhäuser nur weiße Models zeigen, oder wenn Firmen wieder mal jemanden mit „gutem Aussehen“ suchen“, so Ardito. An die 1200 Brief haben er und seine Mitstreiter von der Antirassismus-Gruppe in den letzten 2 Jahren verschickt.

Christen können keine Rassisten sein

„Ich möchte in einer Welt leben, in der wir alle uns in unserer Haut wohl fühlen können“, antwortet Wilfredo Ardito auf die Frage, was ihn motiviert. Sein christlicher Glaube spielt dabei ebenso eine Rolle. „Einmal fragte mich ein deutscher Bekannter, wie das möglich sei, Christ und Rassist zu sein, das ginge ja nicht zusammen. Aber wir hier in Peru haben die Erfahrung, dass dies jahrhundertlang sehr wohl zusammenging.“ Dennoch oder gerade deswegen beobachtet er, dass in den christlichen Kirchen ein neues Bewusstsein eingesetzt hat. „Ich werde sehr oft eingeladen von Pfarreien, von Ordensleuten, von konfessionellen Schulen, um dort über Rassismus zu sprechen“. Gerade der alltägliche Rassismus zeigt, wie sehr der traditionelle Katholizismus auf äußere Rituale setzt. „Viele wollen aber kohärent mit ihrem Glauben leben, und weisen jede Art des Rassismus deswegen zurück“.

Bei der Option für die Armen, so Ardito, könne man sich in theoretische Analysen über Armut und Reichtum flüchten. Beim Thema Rassismus ginge das nicht mehr. „Denn da geht es ganz konkret darum, wie ich mit meinem Nächsten umgehe und wie mit mir umgegangen wird“. Besonders Christen stellen sich diesem Thema „Rassismus“, viele seiner Mitstreiter, so Ardito, tun dies wie er aus ihrem christlichen Glauben heraus.

Den jahrhundertlangen Rassismus in den Köpfen seiner Landsleute umzupolen, ist ein langwieriges Unterfangen. Eben wieder, so Ardito, habe eine Frau die Straßenseite gewechselt, als er auf sie zugegangen sei. „Sie hat automatisch gemeint, ich sei gefährlich, nur weil meine Hautfarbe dunkel ist“. Solche Erfahrungen sind wie kleine Nadelstiche. Millionen von Peruanern und Peruanerinnen machen sie jeden Tag, ihr ganzes Leben lang.

Das Schweigen darüber zu brechen, und die alltägliche Diskriminierung auch mit rechtlichen Mitteln anzugehen und immer wieder in der öffentlichkeit darauf hinzuweisen, ist auch der Verdienst von Wilfredo Ardito und seinen Mitstreitern. Dazu gehört, die Erfolge der kleinen Schritte zu feiern. Wie der, dass Huancavelica, die kleine Provinzstadt hoch oben in den Anden, als 53. peruanische Stadt eine Verordnung gegen Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe verkündet hat.

Autorin: Hildegard Willer

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