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Honduras: Hoffnungsfeuer in der Nacht

Ein New Yorker Gericht hat den Bruder des honduranischen Präsidenten Juan Antonio Hernández verurteilt - ihm droht lebenslange Haft. Die Anklage: Schmuggel von 200 Tonnen Kokain. Kurz darauf kam es auf den Straßen von Honduras zu Protesten gegen die Verstrickung von Politik und Drogen. Eindrücke von vor Ort von Christina Weise. 

Vermummte Demonstranten in Honduras (Foto: Jürgen Escher/Adveniat) 

Auf der einen Seite der Flammen steht eine kilometerlange Autoschlange. Geduldig in der Dunkelheit wartend. Einer hat eine Hängematte unter seinen LKW gehängt, andere Fahrer picknicken zusammen am Straßenrand. Obwohl sie seit Stunden warten, ist die Stimmung gut. Auf der anderen Seite der brennenden Autoreifen haben sich vor allem junge Männer zwischen 20 und 40 Jahren versammelt. Sie singen und tanzen, immer wieder ruft einer „Fuera JOH!“. Die Stimmung ist hoffnungsvoll.

"Wir leben in einer Narco-Diktatur"

Nachdem am Freitag in den USA der Bruder des honduranischen Präsidenten Juan Orlando Hernández (genannt JOH) wegen großangelegten Handels mit Kokain verurteilt wurde und die Anklage den Präsidenten als Mitverschwörer beim Schmuggel von Dutzenden Tonnen Kokain bezeichnete, zog es die Honduraner in vielen Städten und Regionen spontan auf die Straße. Endlich tat sich etwas. Endlich wurde jemand zur Rechenschaft gezogen. Dem verurteilten Juan Antonio Hernández droht lebenslange Haft. Er war im letzten Jahr in den USA festgenommen worden. Er sei an allen Phasen des Handels mit mehr als 200 Tonnen Kokain durch Honduras beteiligt gewesen, die für die USA bestimmt waren, habe Polizeibeamte zum Schutz von Drogentransporten bestochen, umfangreiche Bestechungsgelder von großen Drogenhändlern angenommen und schwerbewaffnete Kokaintransporte arrangiert. Außerdem soll er die Wahlkämpfe der amtierenden Nationalen Partei seit 2009 mit Drogengeldern mitfinanziert haben - unter anderem mit einer Million US-Dollar des mexikanischen Drogenbosses Joaquín „El Chapo“ Guzman.

Der honduranische Präsident, der seine zweite Amtszeit im Januar 2018 unter dem Vorwurf des Wahlbetrugs antrat, wurde nicht angeklagt. Aber das Urteil bestätigt, was alle schon seit Jahren wussten: „Wir leben in einer Narco-Diktatur. Wir fordern den sofortigen Rücktritt des Präsidenten. Fuera JOH!“ Der große drahtige junge Mann trägt ein rotes Tuch über Mund und Nase. Zu seinem Schutz. Er gehört der Linkspartei Freiheit und Neugründung (Libre) an und protestiert wie viele Honduraner seit Monaten gegen die Regierung. Heute in seiner Heimatstadt Tela.

Historischer Moment, um für Rechte zu kämpfen

Plötzlich wird der ruhige Anführer der Proteste aufgeregt. Er hat jemanden entdeckt: Padre Melo. Der honduranische Priester ist in einem Auto vorgefahren, wird sofort durch die Straßenblockade gelassen und von jungen Männern mit Masken umringt. Ruhig und mit einem Lächeln im Gesicht umarmt er sie. Er muss nichts sagen. Er hat schon so viel gesagt. Bei den zahlreichen Demonstrationen, bei seinen Predigten und jeden Abend um 20 Uhr in seinem Kommentar auf „Radio Progreso“, dem ersten unabhängigen Radio des Landes, dessen Leiter er ist. Padre Melo ist ein bekannter Widerstandskämpfer im Land, setzt sich unermüdlich gegen die Ungerechtigkeiten ein und mobilisiert die Menschen. Dafür wird er bedroht, verfolgt, angegriffen. Vor 10 Jahren putschte das Militär in Honduras, seitdem wird das Land diktatorisch regiert. Gute Bildung und Gesundheitsversorgung sind nur einer kleinen reichen Elite vorbehalten. Der Großteil der Bevölkerung wird von der Regierung unterdrückt und ist extrem arm. Für sie erhebt Padre Melo die Stimme. „Es ist ein entscheidender, historischer Moment. In solch einer Situation war Honduras noch nie. Nun kann alles passieren. Deswegen dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen und müssen mehr denn je für unsere Rechte kämpfen“, sagt er, den Rücken zum Feuer. Die Blockade in Tela bleibt friedlich, in den Großstädten geht die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstranten vor.

Einen Tag später patrouillierten hunderte von Soldaten in der Hauptstadt Tegucigalpa. Und obwohl die Bevölkerung sich vor der Armee und der Polizei, deren Waffen und hoher Gewaltbereitschaft fürchtet, ist für Montag ein Generalstreik angekündigt. Padre Melo wird in Tegucigalpa dabei sein, der junge Mann mit dem roten Tuch in seiner Heimatstadt. Zum ersten Mal seit vielen Jahren haben die Honduraner die Hoffnung, dass sich endlich etwas ändert. Zum Besseren.

Autorin: Christina Weise

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