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Haiti droht in den Bürgerkrieg abzurutschen

Schwere Unruhen mit mehreren Toten erschüttern karibischen Krisenstaat. Die Bevölkerung will Präsident Moïse aus dem Amt drängen.

Haiti Port-au-Prince Karibik Stadtansicht

Blick von oben über die haitianische Hauptstadt Port-au-Prince. Foto: Adveniat/Martin Steffen

Es sind bekannte Bilder, die am Wochenende aus Haiti um die Welt gingen: Bilder von wütenden Menschen, die in der Hauptstadt Port-au-Prince Straßenbarrikaden aufbauten, Reifen anzündeten, Polizeireviere zerstörten, Geschäfte plünderten und immer wieder lautstark den Rücktritt von Präsident Jovenel Moïse forderten. Mindestens vier Menschen wurden getötet. 
 
Seit Jahresanfang geht das schon so. Mal flammen die Proteste gegen die Regierung auf, mal flauen sie wieder ab. Aber angesichts einer dramatischen Wirtschaftslage in einem ohnehin völlig verarmten Land tragen vor allem die jungen Menschen ihre Verzweiflung immer wieder massiv auf die Straße. Seit Monaten wird das Benzin in dem Karibikstaat knapper, Krankenhäuser bekommen keinen Sprit mehr für ihre Stromgeneratoren, der Nah- und Fernverkehr kommt zum Erliegen, und die Lebensmittelversorgung bricht zusammen. Die Menschen wollen nur noch, dass der ungeliebte und weitgehend untätige Präsident Moïse so schnell wie möglich seinen Platz räumt. 

Landesweite Demonstrationen 

So schlimm wie dieses Wochenende sei es aber noch nie gewesen in den vergangenen Jahren, berichteten Beobachter vor Ort. Die Menschen gingen nicht nur in der Hauptstadt auf die Straße, sondern auch in St. Marc im Zentrum des Landes und in Les Cayes im Süden. „Fangt den Dieb“, riefen die Demonstranten unter Bezugnahme auf Moïse und hielten leere Teller hoch zum Zeichen ihres Hungers und des gebrochenen Versprechens der Regierung, die Versorgungslage zu verbessern. 
 
Der Filmemacher und Menschenrechtsaktivist Arnold Antonin vergleicht die aktuellen Proteste mit den Unruhen, die Ende Februar 2004 zum Sturz des damaligen Staatschefs Jean-Bertrand Aristide geführt haben. „Heute sind die Proteste nur wesentlich gewalttätiger und weniger kontrolliert als damals“, unterstreicht Antonin im Gespräch. „Trotz der generalisierten Ablehnung der Regierung gibt es keine klare Führung auf Seiten der Demonstranten“. Das mache die Proteste wesentlich gefährlicher. Es scheint, als stehe das ärmste Land Amerikas, einmal mehr an der Schwelle zum Bürgerkrieg. 

Zwei Dollar am Tag zum Überleben
 
Die aktuellen Proteste haben sich seit Mitte vergangener Woche verschärft. Am Mittwoch stürmten Demonstranten eine Parlamentssitzung, um die Wahl des im Juli zum Regierungschef ernannten Fritz William Michel zu verhindern. Bei der Auseinandersetzung im Parlament zückte ein Senator eine Pistole und schoss um sich, wobei er zwei Menschen verletzte. Die Sitzung wurde unterbrochen, die Regierung nicht gewählt, und Präsident Moïse sagte seine Reise zur UN-Vollversammlung nach New York ab. 
 
Mehrfach wandte sich der Staatschef, der in Haiti die exekutive Gewalt innehat, seither an die Bevölkerung und bot eine „Regierung der Nationalen Einheit“ an. Aber die Protestierer lehnen alle Angebote bisher ab und setzten auf weitere Eskalation, wie Antonin sagt. Der Präsident, dem die Bevölkerung Korruption und Misswirtschaft vorwirft, hat in seinen gut zwei Amtsjahren keine Ideen und Perspektiven für das ärmste Land der westlichen Hemisphäre entwickelt. Mehr als die Hälfte der zehn Millionen Haitianer muss mit umgerechnet zwei Dollar am Tag überleben. 60 Prozent der Menschen haben keine Arbeit.

Regierung soll Millionen veruntreut haben

Praktisch seit Beginn seiner Amtszeit sieht sich der Bananen-Unternehmer Moïse Protest gegenüber. Mal bildete er das Kabinett um, mal nahm er eine Benzinpreiserhöhung zurück. Aber die Proteste ließen nicht nach. Denn die Regierung steht im Verdacht, Gelder veruntreut zu haben, die im Rahmen des Petrocaribe-Abkommens nach Haiti geflossen sind. Das vom verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez 2005 aufgelegte Programm garantiert den Karibikstaaten Öl zum Vorzugspreis. Haiti trat dem Abkommen 2008 bei. Nach einem jüngst veröffentlichten Bericht des haitianischen Rechnungshofes sollen bis mindestens 2016 illegal Millionen abgezweigt worden sein. Betroffen von den Vorwürfen sind 15 Minister der amtierenden Regierung und der Vorgängeradministration. Auch der Präsident selbst soll über eines seiner Unternehmen noch vor seiner politischen Karriere Geld aus dem Petrocaribe-Programm abgezweigt haben. 

Autor: Klaus Ehringfeld

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