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Peru |

Gold, Müll und Waffen in der höchsten Stadt der Erde

Die Fußwege sind nicht besser als die Straßen: holprig und voller Müll. Foto: DW/F. Viohl
Die Fußwege sind nicht besser als die Straßen: holprig und voller Müll. Foto: DW/F. Viohl

Der Weg in die höchste Stadt der Erde führt über eine Müllhalde. Links und rechts des Weges türmen sich die Abfälle, der Kleinbus kommt nur im Schritttempo voran. Die Schlaglochpiste ist der einzige Zugang in eine Stadt, die mittlerweile 60.000 Einwohner haben soll - und die nur aus einem Grund existiert: Gold. "La Rinconada, 5015 Meter über dem Meeresspiegel" steht auf dem Ortsschild. Dahinter geht es noch ein Stück bergauf.

 

Fidel Chipanas hat sich mittlerweile an die Höhe gewöhnt. Seit neun Jahren lebt der Bergmann jetzt hier - in der Hoffnung auf den einen großen Fund. "Das Schlimmste hier oben ist nicht die Kälte oder die harte Arbeit, sondern der Gestank", erzählt der 45-Jährige. Das Abwasser fließt mitten über die Straße. Zumindest der Frost helfe ein bisschen gegen den Geruch, sagt Chipanas.

 

Der informelle Kleinbergbau in Peru

 

Peru ist der größte Goldproduzent Lateinamerikas. Mit einer Jahresförderung von 150 Tonnen steht der Andenstaat an weltweit sechster Stelle. Der informelle Kleinbergbau macht zwar nur einen kleinen Teil der Produktion aus. Doch von ihm leben Zehntausende. In den peruanischen Amazonasgebieten waschen illegale Goldsucher das Edelmetall aus den Flüssen. In den Anden graben sie Minen in den Berg. Über den Arbeitern sitzt in bedrohlicher Nähe der Gletscher, den sie "schlafende Schönheit" nennen. Wehe, wenn sie erwacht.

 

Eigentlich dürfte es Orte wie La Rinconada gar nicht geben. Seit Jahren versucht die peruanische Regierung erfolglos, die Goldsucher in die Legalität zu bringen. "Doch die Menschen wehren sich dagegen, weil sie denken, dann nicht mehr genug zu verdienen", sagt Ingenieur Jesús Álvarez Quispe vom Bergbauministerium der Region Puno. Mit sechs Mitarbeitern müsse er im Südosten Perus 80.000 Goldschürfer überwachen - "ein Ding der Unmöglichkeit".

 

Raubbau an Mensch und Natur

 

Doch schneller Reichtum ist in La Rinconada nur eine Legende. Denn die Bergleute arbeiten unter dem sogenannten Cachorreo-System. 30 Tage lang schürfen sie für einen der vielen Subunternehmer nach Gold, ohne einen Lohn zu bekommen. Am 31. Tag dürfen sie dann alles behalten, was sie in der Mine finden. Ein Versprechen, das Tausende anlockt. "Das Problem ist aber, dass man die Männer am entscheidenden Tag meistens dorthin schickt, wo es gar nichts zu finden gibt", sagt Bergarbeiter Chipanas. NGOs sprechen von moderner Sklaverei.

 

Hinzu kommt die massive Umweltverschmutzung. Chipanas zeigt die Gesteinsmühlen der "Trapicheros", der Männer, die das Gold per Amalgamverfahren von den Brocken trennen. Ein Arbeiter hantiert mit Quecksilber, Handschuhe trägt er dabei nicht. Aus zehn Tonnen Gestein holen sie an diesem Tag knapp acht Gramm Gold. Die Mine gebe von Jahr zu Jahr weniger her, sagt Chipanas. Außerdem ist der Goldpreis in den letzten Monaten stark gefallen. Der harte Kampf ums Überleben ist noch etwas härter geworden.

 

La Rinconada hat nichts von all dem Gold

 

Das einzige Unternehmen, das eine staatliche Abbaulizenz in La Rinconada hat, heißt "Corporación Ananea". Die Firma sitzt in Juliaca, etwa drei Autostunden von den Minen entfernt. Ein Interview will dort niemand geben. Eine Sekretärin, die anonym bleiben will, schätzt, dass 350 Subunternehmer Gold an die Firma liefern. Sie sind es, die ihre Leute nach dem Cachorreo-Prinzip beschäftigen. "Hier werden jeden Tag enorme Reichtümer aus dem Berg geholt, ohne dass unsere Gemeinde irgendetwas davon hat", sagt Neciforo Quispe. Er ist stellvertretender Bürgermeister von La Rinconada und fühlt sich von der Regierung in Lima im Stich gelassen. Auch die "Corporación Ananea" habe bislang keinen Beitrag für den Ort geleistet, der bis heute keine Kanalisation oder Müllabfuhr hat.

 

Umweltorganisationen warnen davor, Abwasser und Quecksilber könnten längst in den nahen Titicacasee geflossen sein. Der See gilt als Wiege der Inka-Kultur. Bereits jetzt seien die Flüsse unterhalb der Minen so stark verseucht, dass die Fischer aufgeben mussten, erzählt eine Frau, die hier aufgewachsen ist.

 

Ein Ort jenseits von Recht und Gesetz

 

Als wäre dies nicht genug, zählt La Rinconada auch noch zu den gefährlichsten Orten Perus. "Die Bergleute beklauen sich oft untereinander. Schusswaffen kann man überall im Ort kaufen", sagt Polizist Jorge Pinto. Seine kleine unbeheizte Wache ist die letzte Bastion des peruanischen Staates, der diesen Ort längst aufgegeben hat. Statt Recht und Gesetz herrschten im Nachtleben Alkoholismus und Prostitution, sagt Pinto. "Wer etwas Gold gefunden hat, trägt den Erlös in die nächstbeste Kneipe."

Wie kann man hier leben? Fidel Chipanas sagt, er arbeite weiter, bis er genug gefunden habe, um seinem Sohn eine gute Ausbildung zu bezahlen. "In einem einzigen Stein können auch mehrere Gramm Gold stecken", sagt er, einige Koka-Blätter kauend. Darauf hoffen hier alle. Doch die meisten Goldsucher verlassen La Rinconada genauso arm wie sie gekommen sind.

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Franz Viohl

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