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Kolumbien |

Glyphosat: Duque vs Santos

Niederlage für Monsanto vor der EU-Kommission: Glyphosat-Gegner freuen sich (Symbolfoto: Avaaz, Public Domain Mark 1.0)

Gerade erst hat Bayer-Tochter Monsanto im Glyphosat-Prozess in den USA eine schwere Niederlage einstecken müssen. Ein Bundesbezirksgericht in Kalifornien entschied, dass das glyphosathaltige Pflanzenvernichtungsmittel „Roundup“ in erheblichem Umfang zur Krebserkrankung des Klägers beigetragen habe. in Europa – auch in Deutschland – wird erbittert über die Zulassung von Glysphat gestritten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kam 2015 zu dem Schluss, dass die Substanz „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ ist. In Kolumbien dagegen steht derzeit Glyphosat im Mittelpunkt einer Debatte zwischen aktueller und Vorgänger-Regierung vor dem Verfassungsgericht und geopolitischer Interessen.

Vordergründig geht es bei dem Glyphosat-Streit in Kolumbien ebenfalls um gesundheitliche Aspekte. Glyphosat wurde in Kolumbien beim Besprühen der Koka-Anbauflächen eingesetzt. Das Besprühen echter und vermeintlicher Koka-Pflanzungen begann mit dem durch die damaligen Präsidenten der USA und Kolumbien, Bill Clinton und Andrés Pastrana, im Jahr 2000 vereinbarten „Plan Colombia“, der mit dem Drogenhandel und der Guerilla aufräumen sollte. Dafür wurde u.a. Glyphosat, ein unter dem Markennamen „Roundup“ bekanntes Herbizid, eingesetzt. Erhebliche Umwelt- und Gesundheitsschäden waren die Folge. Während der Amtszeit von Präsident Juan Manuel Santos (2010-18), vor allem aber seit 2015 wurde das Besprühen eingestellt. Als Hauptgrund für diese Entscheidung wurden die gesundheitlichen Belastungen durch die Pflanzengift genannt. Das kolumbianische Verfassungsgericht bestätigte den Beschluss der damaligen Regierung in mehreren Urteilen.
Doch die neu im Amt befindliche Regierung Iván Duque möchte das Besprühen der Koka-Felder mit Glyphosat wieder aufnehmen. Und so ist seit Anfang März das kolumbianische Verfassungsgericht Schauplatz einer Auseinandersetzung zwischen dem aktuellen Präsidenten Iván Duque und seinem Amtsvorgänger Juan Manuel Santos.

Duque pro Glyphosat

Duque argumentiert, dass mit der Aussetzung des Sprühprogramms die Anbauflächen von Marihuana, Mohn und vor allem Koka in den vergangenen Jahren alarmierend angestiegen sind. Wurde im Jahr 2015 noch auf 50.000 Hektar Koka angebaut, so sind es heute 206.000 Hektar – die Flächen haben sich also vervierfacht.
Über die Gründe gibt es verschiedene Theorien. Einige schreiben dies den im Friedensabkommen mit der Guerillabewegung FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) vorgesehenen Subventionen zu, dass viele Landwirte dazu übergegangen sind, illegale Drogen anzubauen. Andere meinen, die Bergbaukrise aufgrund der gesunkenen Rohstoffpreise habe viele Landbesitzer zu Koka-Produzenten gemacht. Duque dagegen glaubt, die Wurzel des Übels liegt in der Entscheidung, das Besprühen zu beenden.

„Diese Debatte konzentriert sich nicht auf ein Herbizid, sondern auf die Verfügbarkeit aller möglichen Instrumente, gut eingesetzt, in strikter Bindung an Prävention und Vorsorge, aber mit der eindeutigen Forderung, dass diese Instrumente zur Verfügung stehen müssen“, sagte der Präsident vor dem Verfassungsgericht. Duque glaubt, dass die Aussetzung der Sprühflüge eine der Forderungen der FARC in den Friedensverhandlungen war. Der Guerilla war immer vorgeworfen worden, in den Kokoanbau und Kokainhandel verwickelt zu sein. Das Besprühen der Kokaflächen nun wieder aufzunehmen könnte Teil der Strategie sein, das Friedensabkommen mit der FARC wieder rückgängig zu machen. Duque hatte zwar im Wahlkampf versprochen das Abkommen in seinem Kern zu respektieren, aber er und vor allem sein Mentor, Ex-Präsident Àlvaro Uribe, gelten als Gegner des Friedens mit der FARC.

Unterstützung erhält Duque durch die USA, die hoffen, mit dem Besprühen Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro schwächen zu können, dessen Regierung mutmaßlich in Drogengeschäfte verwickelt ist. In den vergangenen Jahren sind mindestens eine Million Venezolaner vor der schweren wirtschaftlichen und politischen Krise in ihrem Land nach Kolumbien geflüchtet, wo vor allem in den Grenzregionen die Gesundheits- und Bildungseinrichtungen ob der Einwanderung an ihre Kapazitäten stoßen.

Santos contra Glyphosat

Santos dagegen hält die Wiederaufnahme der Sprühflüge für einen großen Fehler – nicht nur wegen der Auswirkungen auf die Gesundheit, „sondern weil es eine Strategie ist, die ihre Ineffizienz und Unwirksamkeit bereits bewiesen hat“. Auch die Katholische Kirche Kolumbien verteidigt das Sprühverbot. Erzbischof Óscar Urbina Ortega, Vorsitzender der Kolumbianischen Bischofskonferenz, warnte erst kürzlich davor, dass die Zerstörung von Anbauflächen Hunderte arme Familien auf dem Land in die Misere stürzen würde. Brasilien wiederum befürchtet, dass Glyphosat die Amazonas-Gewässer verschmutzen könnte.

Vor den Verfassungsrichtern forderte Santos Alternativen: „Es ist an Ihnen, Herren der Regierung, die Herren der Vereinigten Staaten, den Landwirten durchführbare legale Alternativen zu geben, nicht sie zu vergiften oder ins Gefängnis zu werfen.“ Er verteidigte die von seiner Regierung implementierten Programme für Kleinbauern im Rahmen des Friedensvertrages mit der FARC. „Wir haben 40 Jahre lang versucht, Koka auszurotten und es war uns nie möglich, weil wir den Landwirten nie tragfähige Alternativen anzubieten hatten. Heute mit dem Frieden [mit der FARC, Anm.] können wir das, deshalb hoffe ich, dass dieser Ansatz nicht geändert wird“, hatte Santos im Dezember in einem Interview mit der spanischen Tageszeitung El País gesagt.

Auch Camilo Romero, Gouverneur des Bundesstaates Nariño an der Grenze zu Ecuador und eines der Hauptanbaugebiete von Koka, unterstützt die Linie des Ex-Präsidenten. „Es gibt ein soziales Problem“, sagte er bei seinem Auftritt vor dem Verfassungsgericht. Dabei trug er ein T-Shirt, auf dem stand: „Nein zu Glyphosat“.

Autor: Andreas Knobloch

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