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Generalstreik in Brasilien gegen Rentenreform gescheitert

Der geplante Generalstreik in Brasilien gegen die Rentenreform und Bildungskürzungen legte weder das Land lahm, noch kam es zu Massendemos. Dennoch gab es gewalttätige Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei.

Vereinzelt kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, wie hier in Sao Paulo. Foto: Reuters/N. Doce

Am 1. Mai hatten Gewerkschaften und Studentenorganisationen in Brasilien zu einem Generalstreik für den 14. Juni aufgerufen. Sie wollten gleichzeitig gegen die Kürzungen im Bildungssystem und die im Kongress eingebrachte Rentenreform demonstrieren. Das Land sollte – wie vor zwei Jahren – stillstehen und den Protest der Gesellschaft gegen die Reformen der rechtspopulistischen Regierung wirkungsvoll demonstrieren. Doch das Ziel wurde nicht erreicht.

Zwar kam es in den meisten Großstädten Brasiliens am Freitagmorgen zu teilweisen Ausfällen von öffentlichen Verkehrsmitteln, viele Schulen blieben geschlossen und der Zugang zu Raffinerien und Busbahnhöfen wurden versperrt. Dennoch öffneten viele Banken, Geschäfte und etwa die Flughäfen ganz normal. Die meisten Menschen gelangten zu ihren Arbeits- und Studienplätzen – wenn auch mit Verzögerungen. Am frühen Abend sammelten sich in mehreren Großstädten, aber vor allem in São Paulo und Rio de Janeiro, tausende von Menschen zu größeren Demonstrationen. Vereinzelt kam es dabei zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der hart durchgreifenden Polizei, die sofort Gummigeschosse und Tränengas einsetzte.

Massenprotest blieb aus

Dennoch blieben die Demonstrationen insgesamt verhalten. Es wurde auch nicht nur gegen die Rentenreform und die Bildungskürzungen demonstriert – wie die Organisatoren es gefordert hatten. Auch eine Ablösung des Justizministers und ehemaligen Richters Sérgio Moro wurde gefordert. Vor einigen Tagen waren gehackte Telefongespräche des Richters veröffentlicht worden, der den Korruptionsprozess „Lava Jato" eingeleitet und federführend vorangetrieben hat. Dabei scheint es Absprachen zwischen Moro und den Staatsanwälten gegeben zu haben.

Die fehlende Resonanz des Aufrufs zum Generalstreik könnte an einem Stimmungswandel in der Gesellschaft liegen: Die Rentenreform wird in Brasilien inzwischen mehrheitlich als notwendig erachtet – wenn auch nicht in der Form, wie sie jetzt von der Regierung im Kongress eingereicht wurde. Noch im April waren nach Umfragen des Instituts Datafolha rund die Hälfte der Brasilianer grundsätzlich gegen die Reform und 41 Prozent dafür. Im Mai dagegen ermittelte das Ibope-Institut, dass 59 Prozent der Brasilianer eine Reform der Alterssicherung unterstützen und nur noch rund ein Drittel (36 Prozent) sie ablehnen. Die Rentenreform wird als notwendig angesehen, weil das Haushaltsdefizit des brasilianischen Staates rund acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beträgt. Das ist eines der größten Budgetdefizite weltweit. Vor allem wegen der hohen Renten- und Pensionszahlungen wächst die Staatsverschuldung rasant. Der Staat hat immer weniger Mittel übrig für andere Sozialausgaben, Investitionen in die Infrastruktur oder etwa Bildung.

Geschwächte Gewerkschaften und Existenznöte

Die Demonstrationen gegen die Kürzungen im staatlichen Bildungsetat vor wenigen Wochen waren dagegen weitaus eindeutiger ausgefallen. Die Regierung des Präsidenten Jair Bolsonaro hat vor allem bei den öffentlichen föderalen Universitäten gestrichen – wo sie zu Recht den stärksten Widerstand gegen ihre Politik vermutet. Das hat zu überraschend starken Protesten geführt, so dass jetzt im Kongress einige der Maßnahmen gestoppt oder gar rückgängig gemacht wurden.

Aus zwei weiteren Gründen dürfte der aktuelle Generalstreik gescheitert sein: Einerseits sind die brasilianischen Gewerkschaften geschwächt durch die Reform vor zwei Jahren, wonach die Abführung der Gewerkschaftsbeiträge von Löhnen und Gehältern nicht mehr automatisch erfolgt – also keine Zwangsmitgliedschaft mehr besteht, wie über Jahrzehnte. Dadurch sind Gewerkschaften nun chronisch unterfinanziert und fürchten, dass sie bei einem Streik juristisch für die Ausfälle belangt werden könnten. Am Freitagnachmittag erklärten auch mehrere Arbeitnehmervereinigungen, dass sie nicht zu Demonstrationen aufgerufen hätten. João Doria, der Gouverneur von São Paulo drohte, dass er öffentliche Angestellte wegen ihres Fernbleibens vom Arbeitsplatz belangen oder entlassen werde.

Auch die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit dürfte die Streiklust gedämpft haben: Rund 12,5 Prozent der Brasilianer sind offiziell arbeitslos. Rechnet man noch die Menschen dazu, die unterbeschäftigt sind oder die Suche nach Arbeit aufgegeben haben, dann sind das 28,4 Millionen Menschen. Viele derjenigen, die nach zwei Jahren Rezession und drei Jahren Stagnation noch Arbeit haben, wollen ihren Job keinesfalls riskieren – und erschienen lieber an ihrem Arbeitsplatz als zu Hause zu bleiben.

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Alexander Busch

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