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Fake News: Brasiliens Justiz schafft Präzedenzfall

Brasiliens Oberstes Gericht hat Facebook und Twitter verurteilt, mehrere Accounts zu sperren - weltweit. Nun wollen sich die Konzerne dagegen gerichtlich wehren. Wie weit darf der Kampf gegen Fake News gehen?

Fake News

Fake News. Bild: pixabay, S. Hermann und F. Richter

Meinungsfreiheit oder Zensur? Beim Kampf der brasilianischen Justiz gegen Fake News sind Facebook und Twitter wieder einmal zwischen die Fronten geraten. Bundesrichter Alexandre de Moraes vom Obersten Bundesgerichtshof (STF) hat die Netzwerke angewiesen, Konten mit kriminellen Inhalten weltweit zu sperren.

Dass nationale Richter auch auf internationale Ebene Social-Media-Kanäle sperren können, ist ein Novum und könnte weltweite Konsequenzen haben. "Für die Konzerne steht einiges auf dem Spiel", sagt Pablo Ortellado, Politik-Professor an der Universität von São Paulo (USP) und Spezialist für soziale Proteste und Neue Medien: "Facebook will einen Präzedenzfall vermeiden."

Bereits im Juni hatte der STF im Rahmen der sogenannten "Fake-News- Ermittlungen" die Sperrung von zwölf Facebook- und 16 Twitter-Konten von Anhängern des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro verfügt. Die Begründung: Über diese Accounts seien Falschnachrichten sowie Hetze und Drohungen gegen Bundesrichter verbreitet worden.

Umweg über ausländische Server

Beide Konzerne sperrten die fraglichen Accounts in Brasilien. Allerdings waren die Facebook-Seiten über den Umweg ausländischer Server immer noch aufrufbar - auch aus Brasilien. Bei Twitter genügt es sogar, einen ausländischen Standort in den App-Einstellungen anzugeben. Daraufhin ordnete der zuständige Richter Alexandre de Moraes am 30. Juli die komplette Sperrung der Konten an. Twitter kam dem nach. Facebook erst einmal nicht.

Moraes verurteilte daraufhin Facebook zu einer Strafe von umgerechnet mehr als 300.000 Euro und verfügte unter Androhung weiterer Geldstrafen, dass die Konten weltweit gesperrt werden müssten. Dies lehnte Facebook ab. Erst nachdem Moraes dem Direktor von Facebook und Instagram in Brasilien, Conrado Leister, mit noch höheren Geldstrafen und persönlichen Konsequenzen gedroht hatte, lenkte der US-Technologiekonzern ein.

Facebook legt Berufung ein

Schon häufiger wurden Internetkonzerne von nationalen Gerichten dazu verurteilt, Inhalte zu löschen - zum Beispiel aus persönlichkeits- oder strafrechtlichen Gründen. In Deutschland zum Beispiel verpflichtet sie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kriminelle Inhalte zu löschen.

Auch umgekehrte Fälle gibt es: Mehrfach haben deutsche Gerichte von Facebook die Wiederherstellung gelöschter Kommentare gefordert, weil sie - entgegen der Einschätzung des Konzerns - von der Meinungsfreiheit gedeckt waren.

All diese Urteile erfolgten allerdings auf nationaler Ebene. Das Urteil in Brasilien schränkt nun erstmals die Zugriffsmöglichkeiten von Nutzern in aller Welt ein. Und das, so Professor Ortellado, wolle sich Facebook nicht gefallen lassen. Deshalb habe das Unternehmen Berufung eingelegt.

"Vorweggenommene Zensur"

Der Gerichtsentscheid des STF ist in Brasilien sehr umstritten. "Gesetzeswidrige Inhalte per Gerichtsurteil zu verbieten und ihre Löschung anzuordnen, ist vollkommen demokratisch", so Ortellado. "Aber einzelne daran zu hindern, am öffentlichen Diskurs teilzunehmen, weil man befürchtet, sie könnten kriminelle Inhalte publizieren, ist etwas anderes: Ich gehöre zu denen, die dies vorweggenommene Zensur nennen."

In diesem Punkt stimmt er mit Brasiliens Präsident Bolsonaro überein, der bereits höchstpersönlich die Staatsanwaltschaft beauftragt hat, die Sperrung der Konten zu überprüfen: "In der Sache ist das richtig", sagt Ortellado, "nur ist es nicht Aufgabe des Präsidenten, sich für die Rechte einzelner Personen einzusetzen."

Urteil ein "Schuss ins Knie"?

Der Hauptstadtkorrespondent des brasilianischen Nachrichtenportals UOL, Tales Faria, kommt sogar zu dem Schluss, dass Richter Moraes den Anhängern Bolsonaros mit seinem Urteil sogar einen Gefallen getan haben könnte: Diese hätten nur darauf gewartet, auf internationaler Ebene Unterstützung zu bekommen.

Nun hätten sie die Möglichkeit, internationale Institutionen wie den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte einzuschalten. Würde dieser zu einem anderen Urteil als der STF kommen, wäre Moraes "Übertreibung" ein "wahrhaftiger Schuss ins eigene Knie" gewesen, schreibt Faria.

Wie sinnvoll Sperrungen einzelner Nutzerkonten überhaupt sind, ist ohnehin fraglich, wie das Beispiel der Rechtsextremistin Sara Winter zeigt: Die 28-Jährige mit dem bürgerlichen Namen Sara Giromini gehört zum Führungszirkel der bewaffneten Miliz "300 do Brasil", deren Anhänger Bolsonaro unterstützen.

Nachdem ihr Twitter-Account gesperrt wurde, eröffnete sie einen, in dem sie sich als "politische Gefangene, zensiert vom STF" darstellt. Ihr Facebook-Konto ist weiterhin aktiv, ihre Kanäle auf Youtube und Telegram ebenfalls. Und auf Twitter hat sie bereits am 24. Juli einen neuen Kanal "Sara Winter on Fire" eingerichtet: Statt ehemals fast 270.000 Follower hat sie dort bisher zwar erst 34.000, aber das kann sich schnell ändern.

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Jan D. Walter

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