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Brasilien |

Es stinkt zum Himmel

Die heftigen Regenfälle der letzten Wochen haben eines der gravierendsten Probleme Brasiliens zurück in das öffentliche Bewusstsein des Landes gebracht: das Fehlen von Kanalisation und Klärwerken für die Abwässer aus Millionen von Haushalten, verursacht durch eine chaotische Besiedlung und das Jahrzehnte lange Versagen der Politiker.

Die ungewöhnlich starken Regenfälle der letzten Wochen trafen vor allem den dicht besiedelten Süden und Südosten Brasiliens. Vor zwei Wochen trat so nach monsunartigen Regenfällen der Fluss Tietê in São Paulo über die Ufer und überflutete mehrere Stadtteile kniehoch mit seinem durch ungeklärte Einleitungen verseuchtem Wasser. Am Sonntag starb ein 6jähriges Kind in einem noch immer überfluteten Stadtteil an Leptospirose, acht weitere Personen haben sich ebenfalls infiziert. Durch Erdrutsche und Überflutungen starben allein im Bundesstaat São Paulo zudem mehr als 30 Menschen.

Betroffen sind - wieder einmal - die ärmsten Bevölkerungsteile. In São Paulos armer Ostzone stand das Wasser in manchen Stadtteilen über Tage bis zu einem Meter hoch und vermischte sich mit dem unter freiem Himmel ablaufendem Abwasser. Die Verseuchung des Wassers habe dabei den von den Gesundheitsbehörden festgelegten Grenzwert um das 2.000-fache überschritten, berichteten Zeitungen. Besonders gefährdet sind Stadtteile die nahe an den Flüssen liegen, in die ein Großteil des Abwassers ungeklärt eingeleitet wird.

Chaotischer Wohnungsbau und fehlende Kanalisation

"Der Fuß nimmt sich seinen Raum wieder zurück, egal was wir tun," erklärte die Universitätsprofessorin Monica Porto. Das Problem sei die ungeplante Besiedlung ehemaliger Schwemmwiesen entlang der Flüsse. Noch überlegt die Stadtverwaltung wie sie das Wasser aus den Vierteln abpumpen soll. Langfristig will man die Bewohner aus den gefährdeten Gebieten umsiedeln. An dem grundlegendem Problem fehlender Kanalisation wird das aber nichts ändern.

Denn viele Haushalte in Brasiliens größtem Ballungsraum sind nicht an die Kanalisation angeschlossen. Wie auch im Rest des Landes: in nahezu der Hälfte aller Verwaltungsbezirke Brasiliens wird Abwasser weder kanalisiert noch behandelt. In weiteren 30% wird das Abwasser lediglich kanalisiert, fließt dann jedoch ungeklärt entweder in Flüsse oder direkt ins Meer. In lediglich 20% aller Verwaltungsbezirke erfolgt eine Aufbereitung in Kläranlagen - zumindest teilweise.

Allein an der Küste des Bundesstaates São Paulo geht mehr als die Hälfte der Abwasser ungeklärt in Flüsse und ins Meer. Auf der Ilha Bela, einer beliebten Urlaubsinsel, sind gerade einmal 4% aller Haushalte an die Kanalisation angeschlossen. Als Konsequenz sind gut ein Drittel aller Badestrände des Bundesstaates regelmäßig wegen Verschmutzung für Badende gesperrt - auch jetzt mitten in der Hochsaison.

Sauberes Wasser erst in 66 Jahren

Auch im Stadtgebiet Rio de Janeiros werden regelmäßig mehr als die Hälfte aller Strände für zum Baden ungeeignet erklärt, darunter so berühmte Touristenziele wie Copacabana, Ipanema und Leblon. Hier lässt der Regen die Kanalisation übertreten so dass das Abwasser über den Sand ins Meer geschwemmt werde, erklärt der Umweltaktivist Mario Moscatelli. Zudem gelangt mit Bakterien verseuchtes Wasser aus dem Lagunensystem im Westen der Stadt ins Meer und wird von der Strömung an die Strände der Südzone getrieben, so der Biologe der seit Jahren die Verschmutzung der Wassersysteme Rio de Janeiros anhand von Luftaufnahmen registriert.

"Ich zahle pünktlich meine Steuern und muss trotzdem miterleben wie an dem Strand vor meiner Haustüre neben Müll auch der Kot meiner Mitmenschen angeschwemmt wird," erbost sich Moscatelli. Erst vor wenigen Monaten habe die Stadtverwaltung damit begonnen in seinem vor 30 Jahren entstandenen Wohnviertel Kanalrohre zu legen. Dabei sei noch abzuwarten ob das Abwasser später auch wirklich aufbereitet werde.

Jährlich 10 Milliarden Reais will Brasiliens Regierung über die nächsten 25 Jahre in die Errichtung von Kanalisationen und Kläranlagen investieren. Danach, so meint man im zuständigen Ministerium in der Hauptstadt Brasilia, sei das Problem gelöst. Brasilianische Medien haben jedoch errechnet dass bei dem derzeitigen Investitionstempo erst in frühestens 66 Jahren alle Abwässer kanalisiert und geklärt werden würden. Auch Umweltschützer Moscatelli ist kritisch was die Kapazität der Politiker zur Lösung des Problems angeht. "Zu den Panamerikanischen Spielen 2007 hat man in der Nähe des Olympischen Dorfes eine Kläranlage installiert. Seit dem Ende der Spiele steht sie still - angeblich fehlt das Geld um die zur Klärung des Abwassers nötigen Chemikalien zu kaufen," erzählt er. "Es stinkt zum Himmel."

Autor: Thomas Milz

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