Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Mexiko |

Ein Essen für ein Handy

Auf dem Großmarkt in Caracas werden Fotos auf dem Handy präsentiert (Symbolfoto: Marco Antonio Bello/Adveniat)
Auf dem Großmarkt in Caracas werden Fotos auf dem Handy präsentiert (Symbolfoto: Marco Antonio Bello/Adveniat)

Soeben ist Gerson Hernández vom Güterzug gesprungen. Kaum wähnt er sich in Sicherheit, hinter den Mauern der Flüchtlingsherberge von Ixtepec im Süden Mexikos, kramt er aus einer eigens genähten Innentasche seiner Jeans ein Handy heraus und schickt eine Kurznachricht an die Familie zuhause in Honduras: Alles okay, ich bin in Ixtepec angekommen. "Das haben wir so vereinbart, denn die Route ist gefährlich, und meine Mutter macht sich sonst große Sorgen", erzählt der 24-jährige. Das Handy ist umgerechnet 30 Euro wert, eines der billigsten, das er in Mexiko finden konnte. Er muss jederzeit damit rechnen, dass es ihm gestohlen wird, aber bis dahin ist es Gold wert. Mexiko ist das gefährliche Niemandsland, das mittelamerikanische Migranten auf ihrem Weg in die USA durchqueren müssen. 2000 Kilometer, auf denen korrupte Grenzbeamte, gewalttätige Polizisten und Kriminelle lauern, die Frauen zur Prostitution oder Männer zum Drogenschmuggel zwingen oder Migranten entführen, um Geld zu erpressen.

 

Rund 40 Prozent aller Migranten, die Mexiko durchqueren, haben ein Handy dabei. Das hat eine Umfrage in den Flüchtlingsherbergen ergeben, die über ganz Mexiko verstreut sind. Die meisten Unterkünfte befinden sich entlang der Zugstrecken und an der 3000 Kilometer langen US-mexikanischen Grenze. Sie werden von Kirchen- und Ordensleuten betrieben und gehören zu den wenigen Oasen, in denen die Migranten sich sicher fühlen - geschützt vor Übergriffen durch die Polizei und die Kriminellen.

 

Handy als Verbindung zur Familie

 

"Die Kommunikation spielt eine wichtige Rolle für das emotionale Wohlbefinden der Migranten und ihrer Familien", erzählt Sergio Luna, Verwalter der Flüchtlingsherberge Sagrada Familia in Apizaco in Zentralmexiko. "Außerdem hat sie die Sicherheit deutlich verbessert. Wenn zum Beispiel eine Gruppe auseinander gerissen wird, können sie sich so schnell wieder finden." Viele Migranten sind per Handy auch mit ihren Verwandten in den USA in Kontakt und lassen sich das Geld, das sie für die Reise brauchen, portionsweise an den jeweiligen Ort, an dem sie sich gerade befinden, transferieren. Im Falle eines Überfalls ist dann nicht gleich die gesamte Summe weg."Für ein Telefonat oder ein Handy mit Datenpaket verzichten viele Migranten sogar aufs Essen", hat der spanische Journalist und Student der Humanitären Hilfe, Guillermo Barros, in seiner Studie "Das Schweigen brechen" herausgefunden.

 

Pionier in Sachen Kommunikationsforschung bei Migranten war das Internationale Rote Kreuz, wie Luna erzählt. Ab dem Jahr 2014 begannen die Mitarbeiter damit, Telefonzellen in den Flüchtlingsherbergen aufzustellen. Die öffentlichen Telefone entlang der Zugstrecke waren gefährlich, denn dort lauerten sowohl die Migrationsbehörden als auch Kriminelle den Auswanderern auf. In der Herberge waren sie sicher. Dort verkaufte das Personal Telefonkarten. Doch das System hatte einen Nachteil: "Wir konnten nicht genau überprüfen, mit wem die Migranten telefonierten", erzählt Luna. Denn manchmal schleusen Drogenkartelle oder Schlepperbanden Spitzel ein, um die Herbergen auszuspionieren.

 

Nützliche Informationsangebote

 

Heute hat sich daher ein anderes System durchgesetzt: Die meisten Herbergen verfügen über ein Mobiltelefon, das sie den Migranten drei Minuten lang für internationale Anrufe zur Verfügung stellen. "Immer auf Anfrage und in Anwesenheit eines Angestellten der Herberge, um Missbrauch zu verhindern", schildert Luna. Das ist durch das Konkurrenzgeschäft auf dem mexikanischen Handymarkt möglich geworden, das die Preise purzeln ließ. Mittlerweile gibt es Pläne für Pre-Paid-Systeme, die für umgerechnet 25 Euro im Monat unbegrenzt Anrufe in die USA und nach Mittelamerika erlauben. Nachteil ist allerdings das nicht immer verlässliche Handysignal. Für diesen Fall gibt es in manchen Herbergen noch die Option, per Festnetzcomputer ins Internet zu gehen. Auch diese Möglichkeit nutzen viele. Facebook ist dabei mit Abstand die beliebteste Kommunikationsplattform. WhatsApp, Kompass-Apps oder Google Maps hingegen nutzen vor allem diejenigen, die mit einem eigenen Handy unterwegs sind.

Noch wenig bekannt hingegen sind die Applikationen, die Organisationen wie das UNHCR, MSF und IOM zur Verfügung stellen, beispielsweise @ConfiaEnElJaguar auf Facebook. Auf dieser Seite finden Migranten viele nützliche Informationen über die Route oder legale Fragen und können mit Experten chatten. Das Angebot existiert seit 2017, aber die meisten erfahren erst in den Flüchtlingsherbergen von solchen Möglichkeiten, wie Luna erzählt. Der mündliche Austausch in den Herbergen und vor allem die Tipps, die dort die Angestellten und Mitreisenden geben, sind weiterhin fundamental bei der Entscheidung, wie, wohin und wann die Reise fortgesetzt wird.

Autorin: Sandra Weiss, Deutsche Welle

Weitere Nachrichten zu: Soziales

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz