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Drogenkonsument Nummer 1 verärgert Südamerika

Das Urteil von US-Präsident Barack Obama über den Anti-Drogen-Kampf von Caracas und La Paz liest sich vernichtend. „Ich erkläre Bolivien, Burma und Venezuela zu den Ländern, die innerhalb der letzten zwölf Monate nachweislich gescheitert sind, ihren Verpflichtungen gemäß internationaler Anti-Drogen-Abkommen durch maßgebliche Anstrengungen nachzukommen“, brandmarkt das Memorandum der alljährlichen Erklärung des Präsidenten zur nationalen Drogenpolitik der Vereinigten Staaten die zwei Nationen aus Südamerika. Von Afghanistan, Pakistan über Indien bis Mexiko, Kolumbien und Peru werden diesmal 22 Staaten als Länder von besonderer Bedeutung in der Herstellung und dem Handel von illegalen Substanzen wie Kokain, Opium oder Marihuana identifiziert. Dabei nehmen 90 Prozent aller aus Südamerika geschmuggelten Drogen ihren Weg über den Drogenkorridor in Mittelamerika und Mexiko, besagt die in der letzten Woche vorgestellten Erklärung.

Scharfe Kritik an Washington

Die empörte Reaktion folgte auf dem Fuß. „Wir weisen diese Anschuldigung scharf zurück“, erboste sich Venezuelas Chef der nationalen Anti-Drogenbehörde Alejandro Keleris. „Die Vereinten Staaten versuchen souveräne Regierungspolitik zu ignorieren“, schoss der Funktionär am Wochenende, 14./15. September, gegen den US-Bericht. Seit Jahresbeginn habe Venezuela bereits mehr als 6.400 Menschen wegen Drogenhandels festgenommen, auch ohne die Hilfe von des Landes verwiesenen US-Behörden. Fast 37 Tonnen verschiedener Drogen seien konfisziert worden, rechnet Keleris vor. Auch gegen Strukturen der Drogenmafia gäbe es Erfolge. Seit 2006 hätten Venezuelas Strafverfolgungsbehörden über 100 Drogengang-Mitglieder ins Gefängnis geschickt. 75 Kriminelle seien in andere Länder, darunter auch die USA, ausgeliefert worden. Doch der Oval Office lässt das nicht gelten. Das wegen seiner Karibikküste beliebte Kokain-Transitland weise ein „schwaches Justizsystem“ und eine „allgemein alles erlaubende und korrupte Umgebung“ auf, bemängeln Berichte aus den Vorjahren.

Unabhängigkeit der US-Antidrogenpolitik in Frage gestellt

Auch aus La Paz kommt Verwunderung über das niederschmetternde Urteil aus dem hohen Norden. Der Bericht sei „eine Lüge“ und nach „Copy und Paste-Verfahren“ zusammengeschustert, hieß es postwendend aus dem Regierungspalast der Regierung. „Präsident Obama trifft derartige Aussagen trotz der Tatsache, dass das Nationalbüro für Drogenkontrolle im Weißen Haus bestätigt hat, dass die Kokainproduktion in Bolivien seit 2011 um 18 Prozent gefallen ist“, hält eine Erklärung des bolivianischen Innenministeriums andere Daten parat. 95 Prozent des in Nordamerika sichergestellten Kokains käme doch aus Kolumbien. Warum gelte der enge Partner von Washington und dem NATO-Militärbündnis nicht als „gescheitert“, wird die Unabhängigkeit der US-Antidrogenpolitik in Frage gestellt. Und überhaupt sei eine Kritik vom „Drogenkonsumenten Nummer Eins weltweit“ wenig hilfreich, sticheln Regierungsvertreter. Im Andenland verlasse man sich darum lieber auf das Urteil der Vereinten Nationen und Europäischen Union.

Anti-Drogen-Kampf mit EU-Geldern

In der Tat zeichnet Brüssel ein anderes Bild. Zuletzt gab es bei einem Besuch von EU-Kommissar Andris Piebalgs Lob für die Anstrengungen der Bolivianer. „Auf meiner ersten Reise in das Land bin ich froh Zeuge zu sein von den Bemühungen der Regierung im Anti-Drogenkampf“, so der Chef vom Europäischen Amt für Zusammenarbeit EuroAid im August. Erfreulich sei die Reduktion der Koka-Anbauflächen um zwölf Prozent im Jahr 2011 und sieben Prozent in 2012. Auch das UN-Drogenbüro lobt die Administration von Ex-Kokabauer Evo Morales regelmäßig über den Klee. Allerdings kann in neuen Verfahren heute mit weniger Koka-Blättern mehr Kokain hergestellt werden. Darum stellt die Europäische Kommission weitere 25 Millionen Euro zur Verfügung. Über 80.000 Koka-Bauern sollen so dazu gebracht werden, statt Koka andere Feldfrüchte anzubauen. Schon jetzt ist Bolivien das größte Empfängerland von EU-Entwicklungshilfe in ganz Lateinamerika. Allein 69 Millionen Euro gehen in den Anti-Drogenkampf. La Paz braucht diese Hilfen. Im Mai 2013 hatte nach dem Rauswurf der US-Antidrogenbehörde DEA und der Entwicklungshilfebehörde USAID wegen „Einmischung in innere Angelegenheiten“ auch die US-Behörde für Drogenangelegenheiten NAS ihre Koffer gepackt. Der Kampf gegen Drogen sei nun „verstaatlicht“, erklärte damals der Regierungsminister Carlos Romero selbstbewusst.

Schwarze Liste ohne schwarze Schafe?

Für Boliviens Verteidigungsminister Juan Ramon Quintana ist die gesamte US-Drogenpolitik in Lateinamerika ein Fehlschlag: „Was hat die DEA in 40 Jahren erreicht? Nahezu 70.000 Todesopfer in Mexiko, mehr als 150.000 Todesopfer in Zentralamerika sowie den Anstieg von Waffenverkäufen, Drogenhandel und Geldwäsche. Sie repräsentieren 40 Jahre des Scheiterns“. Doch könnte der jüngste Ärger aus dem Süden trotz politischer Gräben weniger drastisch ausfallen. Denn die umstrittene „Schwarze Liste“ ist Bestandteil der Haushaltsplanungen für das US-Fiskaljahr 2014: nur Länder mit „Fehlverhalten“ können Gelder aus dem Milliardenbudget für internationale Zusammenarbeit bekommen. „Die Nennung eines Landes auf der vorangegangenen Liste ist keine Betrachtung seiner Regierungsanstrengungen im Anti-Drogenkampf“, stellt Obamas „Presidential Declaration“ klar, die als eine Politikankündigung des Weißen Hauses zu verstehen ist. Der Hauptgrund dafür, ob ein Land auf der Liste erscheine sei „eine Faktoren-Kombination von Geographie, Handel und Wirtschaftsindikatoren, welche den Transit oder die Herstellung von Drogen erlauben, selbst wenn eine Regierung die gewissenhaftesten Anti-Drogen-Rechtsdurchsetzungsmaßnahmen durchgeführt hat“. Und so wundert es wenig, wenn abseits des Mediengetöses Caracas mit Washington bereits jetzt über eine Rückkehr von US-Drogenagenten in die Karibiknation verhandelt. Das jedenfalls ließ Venezuelas Botschafter bei der Organisation Amerikanischer Staaten zuletzt durchsickern.

Autor: Benjamin Beutler

Kokapflanze in Bolivien. Foto: Kaide CC BY-NC 2.0 .

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