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Ecuador |

"Die Shuar Arútam sind nie gefragt worden, ob sie die Mine auf ihrem Territorium wollen"

Unser Interview mit Mario Melo (53): Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Menschenrechte an der Päpstlichen katholischen Universität Quito und Vertreter der Shuar Arútam gegen den ecuadorianischen Staat. Die Regierung hat die Grundrechte der indigenen Ethnie verletzt und sie nicht um ihr Einverständnis gefragt, bevor ein Bergbauprojekt auf ihrem Territorium genehmigt wurde.

Mario Melo (Foto: Knut Henkel)

Herr Melo Sie haben mit der Stiftung Tiam, die kollektive Rechte im Kontext von Umweltkonflikten vertritt, die Vertretung der Shuar Arútam übernommen. Die wehren sich gegen die Eröffnung einer Kupfermine auf ihrem traditionellen Territorium. Welche Relevanz hat die Klage, die in erster Instanz abgelehnt wurde?

Das Bergbauprojekt ist in der Provinz Morena Santiago angesiedelt und will Kupfervorkommen in der Cordillera Cóndor ausbeuten. Das Minenprojekt, welches von Ex-Präsident Rafael Correa auf den Weg gebracht wurde, ist das größte Bergbauprojekt Ecuadors und es soll im offenen Tagebau gefördert werden. So weit die Pläne von Regierung und den chinesischen Investoren. Deren Unternehmen heißt Explorcobres S.A., kurz EXSA und hat ihren Sitz in der Kleinstadt San Juan Bosco, etwa eine halbe Stunde Fahrtzeit von dem Bergbaucamp in Nankints entfernt. Dort wurde ein Dorf der Shuar Arútam gewaltsam geräumt – im Dezember 2016. Das Vorgehen der Regierung verletzt die Landrechte der indigenen Ethnie und es gefährdet eine für ihre biologische Vielfalt bekannte Region, am Rande des Amazonas Regenwaldes liegt. Die Shuar Arútam sind nie gefragt worden, ob sie die Mine auf ihrem Territorium wollen. Das hätte aber laut der Verfassung passieren müssen, zudem hat Ecuador die Konvention 169 zum Schutz indigener Ethnien der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) unterzeichnet. Die schreibt die vorherige Befragung von indigenen Ethnien bei Großprojekten vor. Das ist aber nicht passiert – es wurde gleich doppelt Recht gebrochen.

Warum verletzt die Regierung bewusst Verfassungsrechte?

Gute Frage. Das Bergbauprojekt San Carlos Panantza ist ein Großprojekt mit dem Ecuador in den Kreis der Bergbauländer der Region eintritt. Es hat in Ecuador zwar immer Erdölförderung gegeben, aber Großprojekte zur Förderung von Industriemetallen hat es in diesen Dimensionen noch nicht gegeben. Fakt ist, dass die Regierung unter Rafael Correa die eigene Verfassung verletzt hat und dass sein Nachfolger Lenín Moreno daran festhält. Das Recht auf eine vorherige Befragung und auch das Recht ein Referendum zu initiieren ist in der Verfassung seit 1998 fixiert, die Ilo-Konvention wurde 1999 unterzeichnet und ist in der neuen Verfassung von 2009.

Die Klage ist in erster Instanz abgewiesen worden – wie geht es weiter?

Wir werden die nächste Instanz anrufen und den Weg durch die ecuadorianische Justiz gehen – da gibt es keine Alternative. Ich habe da eine gewissen Erfahrung, denn ich habe die Sarayaku mit ihrer Klage gegen den ecuadorianischen Staat vertreten, die 2012 mit dem Urteil vor dem Interamerikanischen Menschenrechts-Gerichtshof der Amerikanischen Staaten (OAS) in San José endete – erfolgreich. Zehn Jahre haben die Prozesse in Anspruch genommen und das könnte sich nun wiederholen.

Hat die Regierung nichts aus dem Fall der Sarayaku gelernt, die sich gegen die Erdölförderung in ihrem traditionellem Gebiet wehrten, ebenfalls nie gefragt wurden und schließlich Recht bekamen?

Der Eindruck drängt sich auf. Das Grundproblem ist, dass die Regierung einseitig auf die Rohstoffausbeutung setzt – ohne die Folgen für Mensch und Natur zu evaluieren. Es wird auf die Investitionen geschielt, den Haushalt, die Schulden, die das Land drücken und das ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Grund, weshalb es keine Befragungen und Referenden gibt.

In den letzten Jahren hat es kaum Prozesse im Kontext von Bergbaukonzessionen, nicht durchgeführter Consultas gegeben. Warum häufen sich jetzt die Fälle?

Die Regierung von Rafael Correa hat die Justiz quasi über zehn Jahre kontrolliert. Es wurde starker Druck auf Richter und Staatsanwälte, aber auch auf soziale Bewegungen ausgeübt. Unter dem neuen Präsidenten Lenín Moreno (seit Mai 2017) hat sich der Druck gelockert und es gibt Richter, die sich engagieren und andere die weiterhin im Interesse der Regierung agieren. Generell gibt es jedoch etwas mehr Luft zum Atmen – die soziale Bewegungen organisieren sich neu und haben mit dem Referendum von Girón, wo sich die lokale Bevölkerung gegen den Goldbergbau und für den Schutz der Wasserquellen in dem potentiellen  Fördergebiet aussprachen, einen Erfolg erstritten. Auch der Fall der Waorani, die sich erfolgreich gegen die Förderung von Erdöl in ihrem Territorium wehrten, ist ein Hoffnungsschimmer.

Interview von Knut Henkel

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