Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
El Salvador |

Die Erinnerung an die Maertyrer wachhalten

Vor zwanzig Jahren wurden in dem mittelamerikanischen Land sechs Jesuiten, ihre Köchin und deren Tochter ermordet. An die Hintergründe der Tat erinnert Adveniat- Grundsatzreferentin Julia Stabentheiner.

El Salvador, in der Nacht auf den 16. November 1989: In dem kleinen mittelamerikanischen Land bekämpfen sich seit Jahren Militärregierung und deren Gegner, die sich zu einer Guerrilla zusammengeschlossen haben. Vor allem in den ländlichen Teilen des Landes ist das Leben durch die Kampfhandlungen gefährlich und beschwerlich. Nun verschärft sich der Konflikt. Guerrillaeinheiten dringen in die Hauptstadt vor. Das Militär besetzt einige Stadtteile, so auch das Gebiet um die renommierte Universität der Jesuiten.

Die Universidad Centroamericana (UCA) ist der Regierung seit langem ein Dorn im Auge. Zu wahrheitsgetreu sind deren Publikationen über die Armut und die Repression der Bevölkerung, über Wahlbetrug und notwendige Agrarreformen, über Arbeits- und Wohnungslosigkeit, über die hohe Militärhilfe der USA und andere heikle Themen. Zu gefährlich ist die Arbeit des Meinungsforschungsinstituts der Universität, des Menschenrechtsinstituts und des Informationszentrums. Zu unbequem die Vermittlungsversuche des Rektors der Universität, Pater Ellacuría. Denn die Herrschenden des Landes möchten sich auf keine Kompromisse einlassen, sie möchten ihren Reichtum und ihre Macht nicht mit der Bevölkerung teilen. Dafür geht man über Leichen: Über 70.000 der fünf Millionen Einwohner sind dem Bürgerkrieg zum Opfer gefallen, die überwiegende Mehrheit wurde von Regierungssoldaten getötet. Der prominenteste Fall war der des Erzbischofs der Hauptstadt, Monseñor Oscar Romero.

Keine bloße Frage der Moral

Und irgendwo in den Beratungszimmern der Militärregierung wird in dieser Nacht ein Befehl erteilt: Tötet die UCAJesuiten und hinterlasst keine Zeugen! Stiefel setzen sich in Bewegung, die Männer tragen Maschinengewehre: die vom US-amerikanischen Militär ausgebildete Spezialtruppe Atlacatl, die für einige der schlimmsten Massaker des Bürgerkriegs verantwortlich ist. Die Jesuiten leben auf dem Campus. Dort fühlen sie sich sicher, die Universität ist ja von Militär umstellt. Acht Personen sind in dieser Nacht im Haus: sechs Jesuitenpatres, die Köchin Elba und deren fünfzehnjährige Tochter Celina. Die meisten der Padres sind spanischer Herkunft. Warum sind sie in dieses arme Land gekommen und warum sind sie trotz der offensichtlichen Gefahr noch immer hier?

»Ich denke«, schreibt der einzige Überlebende der Gemeinschaft, »sie glaubten an einen Gott des Lebens, der gut zu den Armen ist und der unserem Leben Sinn gibt und Heil zuteilwerden lässt.« Wie Erzbischof Romero, mit dem die Jesuiten eng zusammengearbeitet hatten, bedeutet ihnen ihre Mission als Priester und Christen, an der Seite der Armen für deren Wohl zu kämpfen. Der Einsatz für die Armen ist für diese Männer keine bloße Frage der Moral, sondern eine tiefe Glaubensfrage: Den Armen zu Gerechtigkeit zu verhelfen heißt, Gott zu dienen. Aus dieser Motivation heraus kümmert sich der Soziologe P. Segundo Montes um Bürgerkriegsflüchtlinge und leitet das Menschenrechtsinstitut der UCA. In diesem Geist gründet P. Joaquín López y López die Organisation Fe y Alegría für arme Jugendliche. Der Psychologe P. Ignacio Martín Baró erforscht die psychischen Folgen des Bürgerkriegs und macht durch das universitäre Meinungsforschungsinstitut auf die Bedürfnisse der Bevölkerung aufmerksam. P. Amando López und P. Juan Ramón Moreno geben ihre Erfahrungen mit dem Gott der Armen in Theologievorlesungen ebenso weiter wie in ihren Pfarreien.

Habe nichts Böses getan

Jetzt werden sie von den Soldaten aus dem Schlaf gerissen. Sie öffnen die Türe. Wissen sie, dass sie ihren Mördern gegenüberstehen? Hausdurchsuchungen sind nicht ungewöhnlich. Vor kurzem hat P. Ellacuría noch in einem Interview gesagt: »Ich habe keine Angst. ... Es wäre so irrational, wenn man mich töten würde. Ich habe nichts Böses getan.« Morgen wird das Interview erscheinen. P. Ellacuría wird es nicht mehr lesen können.

Fünf der Jesuiten werden in den Garten getrieben. Maschinengewehrsalven zerfetzen ihre Gesichter und Körper. Ein weiterer sowie die beiden Frauen werden im Haus getötet. Ein Buch fällt aus dem Schrank und bleibt in der Blutlache neben P. López liegen, die Titelseite wie ein Kommentar zum eben Geschehenen: »Der gekreuzigte Gott«.

20 Jahre sind seither vergangen. Das Verbrechen an den Jesuiten wurde von einer UN-Wahrheitskommission aufgeklärt, doch niemand wurde dafür bestraft. Eine Beschwerde gegen den salvadorianischen Staat wegen Verschleppung des Verfahrens ist bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission in Washington anhängig. Vor einem spanischen Gericht läuft ein Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Staatsterrorismus gegen die Auftraggeber der Morde.

Kraft aus der Erinnerunggezeigt

Der salvadorianische Bürgerkrieg hat 1992 ein Ende gefunden, doch noch heute ist das Leben in El Salvador schwierig und gewalttätig. Noch immer braucht es Menschen, die sich für Gerechtigkeit und für die Armen einsetzen. Mitbrüder aus verschiedenen Ländern sind an die UCA gekommen, um die Arbeit der Ermordeten fortzuführen. Mit jährlichen Gedenkfeiern, vor allem aber mit ihrer täglichen Arbeit halten sie die Erinnerung an ihre Märtyrer wach. Kraft dafür schöpfen sie aus eben dieser Erinnerung, aus der Botschaft, die diese Märtyrer mit ihrem Leben und ihrem Sterben hinterlassen haben: Es ist möglich, sein Leben ganz in den Dienst des Reiches Gottes zu stellen. Es ist möglich, sich für die Armen einzusetzen. Es ist möglich, heute die gute Nachricht Jesu, die gute Nachricht für die Armen, weiterzutragen. Es ist heute möglich, als Christ zu leben. Vielleicht ist es nicht einfach. Vielleicht ist es nicht bequem. Vielleicht wird man dafür angefeindet und vielleicht sogar hingerichtet. Aber es ist möglich. Das haben uns die salvadorianischen Jesuiten gezeigt. Und genau das hat uns 2000 Jahre früher Jesus von Nazaret gezeigt.

»Ignacio Ellacuría, Segundo Montes, Ignacio Martín Baró, Amando López, Juan Ramón Moreno, Joaquín López y López, Genossen Jesu, möget ihr in Frieden ruhen! Elba und Celina, geliebte Töchter Gottes, möget ihr in Frieden ruhen! Ihr Friede gebe uns Lebenden Hoffnung! Die Erinnerung an sie lasse uns nicht in Frieden ruhen!«

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz