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Brasilien |

Der Zauber der heimlichen Hauptstadt

Die Gastgeberstadt der Olympischen Sommerspiele 2016 – ein Porträt.

Rio de Janeiro ist immer wieder atemberaubend. Schon der Anflug ist verheißungsvoll, wenn aus dem blauen Meer plötzlich die grünen Hügel
auftauchen, die weißen Strände und die Häuser, die sich an endlosen Buchten entlang ziehen. Wegen seiner einmaligen Geographie und dem besonderen Charme seiner Einwohner ist Rio noch immer die heimliche Hauptstadt Brasiliens - obwohl es diesen Titel offiziell im Jahr 1960 an die Retortenstadt Brasilia im Landesinnern abgeben musste.

Zwar ist die Stadt in den letzten 30 Jahren aus den Nähten geplatzt - Zuwanderung aus den ärmeren Regionen und die geringe, bebaubare Fläche zwischen Meer und Bergen haben dazu beigetragen. Doch viele Viertel haben ihren dörflichen Charakter bewahrt. Beispielsweise Urca, ein Stadtteil der gehobenen Schicht am Fuß des Zuckerhuts. Nur eine einzige Straße führt in die Siedlung, die daher vom Verkehrschaos verschont wurde, das im Rest der Stadt herrscht. Auf beschaulichen Plätzen spielen hier die Kindermädchen mit dem Nachwuchs der Reichen.

Oder das ehemalige Villenviertel Santa Teresa auf dem Hügel über der Altstadt. Die engen, steilen Gassen mit Kopfsteinpflaster sind ein Albtraum für Autofahrer, daher ist es besser, zu Fuß zu gehen oder die holprige Straßenbahn zu nehmen - ein Erbe der ehemaligen Kolonialmacht Portugal. Inzwischen sind die Reichen aus der Stadt hinausgezogen, an die "Barra da Tijuca", eine hypermoderne, gesichtslose Neubausiedlung mit klimatisierten Einkaufszentren und privaten Wohnsiedlungen. Die Villen von Santa Teresa sind heruntergekommen, nachts gehört das Viertel Prostituierten und Drogenhändlern.

Wie Rio unter den Kolonialherren ausgesehen hat, lässt sich noch in Botafogo erahnen, wo einige niedrige Häuschen der Immobilienspekulation und dem mehrstöckigen Straßenbau tapfer stand halten. Und selbst in Ipanema und Copacabana, wo bis zu 20stöckige Appartmenthäuser in den Himmel ragen, lässt es sich unter hohen Bäumen auf breiten, gepflasterten Trottoirs angenehm flanieren. Ipanema mit seinen vielen kleinen Bars und Kneipen ist eine der schönsten Ausgehmeilen abends, während im Büroviertel Copacabana leere Staßenschluchten gähnen.

Niemals sollte man in Rio den Strandbesuch auslassen. Denn der Strand ist das Herz der Stadt. Dort trifft man sich, halten Politiker ihre Wahlkampfreden, und dort wird gefeiert. Dort wurde auch gejubelt, als die Vergabe der Olympiade 2016 an Rio bekannt gegeben wurde. Schon frühmorgens finden sich am Strand die ersten Schwimmer, Radfahrer und Jogger ein. Es folgen die Mütter mit ihren Kindern, Studenten, Rentner und in ihrem Schlepptau die fliegenden Händler, Eisverkäufer und Masseure. Jeder Strandabschnitt hat seine besondere Eigenart. Nummer elf in Ipanema etwa ist für Familien, Nummer neun für die "coole Jugend", Nummer acht bei Wellenreitern und Homosexuellen beliebt. Damit die sportbegeisterten Einheimischen auch noch abends am Strand Volleyball spielen können, hat die Stadtverwaltung Flutlichtanlagen installiert. Seither sind die Strände wieder sicherer geworden - aber ein "Carioca" - wie sich die Einwohner von Rio nennen - nimmt trotzdem nie mehr als Badeschlappen, Badehose, ein T-Shirt und ein Badetuch mit.

Am Strand kommen alle zusammen, die sonst der soziale Status trennt. Und die Gegensätze sind in Rio genauso krass wie im restlichen Land, prallen aber noch unmittelbarer aufeinander: Wenige Meter von Luxushotels entfernt ziehen sich Favelas am Berghang hoch. Viele aus den besseren Vierteln beschäftigen Hausangestellte aus den Favelas oder lassen sich von den billigen und geschickten Mechanikern der Armenviertel ihre Autos richten. Zwar klagen die "Cariocas" über die Arbeitslosigkeit und die Gewalt in ihrer Stadt, doch längst haben sie sich daran gewöhnt. Letztlich ist Rio einfach zu schön, um sich ständig Sorgen zu machen. "Gott ist auf unserer Seite, was kann uns da schon passieren?" meint Taxifahrer Marcelo im Einklang mit Fussballstar Pelé, der nach der Olympiavergabe mit feuchten Augen sagte: "Gott stellt mich eben immer für die Siegermannschaften auf." Wer mag bei so viel Enthusiasmus noch bezweifeln, dass Gott wirklich Brasilianer ist, wie ein geflügeltes Wort hier lautet.

Autorin: Sandra Weiss

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