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Costa Rica, Nicaragua |

Der Zankapfel Rio San Juan

Der stille, mäandernde Fluss Río San Juán war schon häufig ein Zankapfel. Und er ist es in diesen Tagen erneut. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) versucht zwischen den Nachbarstaaten Nicaragua und Costa Rica einen Streit um Territorialansprüche im Flussgebiet zu schlichten. Grund für dieses Begehren ist der strategisch interessante Flusslauf des Rio San Juan.

Die Flussmündung befindet sich an der karibischen Küste. Der Rio San Juan bildet dort ein Delta aus mehreren, weit verzweigten Flussarmen. Die Quelle des Flusses befindet sich am südöstlichen Ufer des Nicaraguasees. Wer von dort noch ein wenig weiter Richtung Westen über den Nicaraguasee schippert, hat es fast geschafft bis zum Pazifik. Aber nur fast. Das musste 1525 schon Christoph Kolumbus auf seiner vierten Reise in die neue Welt erfahren. Vergeblich folgten die Spanier dem Fluss von der Mündung bis zum Quelle, durchquerten den Nicaraguasee und suchten vergeblich nach einem Durchgang zum Pazifik. Die spanischen Eroberer nannten den Fluss darum auch "Río Desaguadero“, den „Abfluss“.

Goldrausch und Transitrechte

Zur Zeit des amerikanischen Goldrauschs wollten Tausende Europäer nach Kalifornien. Der US-Amerikaner Cornelius Vanderbilt witterte ein großes Geschäft: Er sicherte sich 1848 für zwölf Jahre die exklusiven Transitrechte auf dem Seeweg von der Stadt San Juán del Norte an der Karibikküste – damals noch Greytown genannt – durch den Río San Juán über den Nicaraguasee und schließlich über Land nach San Juán del Sur am Pazifik. Tausende Reisende sollen zu jener Zeit monatlich mit seiner Gesellschaft „American Atlantic and Pacific Ship Canal Company“ von der Atlantik- zur Pazifikseite von Zentralamerika gereist sein. Denn bis auf ein paar Stromschnellen ist der 199 Kilometer lange Fluss gut schiffbar.

Nicaragua-Kanal in offener Schublade

Die Idee eines Nicaragua-Kanals, der eine komplette Durchquerung Mittelamerikas mit dem Schiff ermöglicht, ist also mindestens so alt wie die spanische Eroberung. Vanderbilt hatte ebenfalls Interesse daran, entschied sich dann jedoch, in den Eisenbahnbau zu investieren. 1850 beschlossen Großbritannien und die Vereinigten Staaten ohne Beteiligung Nicaraguas den Clayton-Bulwer-Vertrag, in dem sie sich gemeinsam das Recht auf den Bau eines interozeanischen Kanals durch Nicaragua einräumten. Acht Jahre später beauftragten die Nicaraguaner den Franzosen Félix Belly mit dem Kanalbau. Die US-Regierung schickte daraufhin sogar Kanonenboote an die beiden Küsten Nicaraguas und erzwang einen Vertrag zu ihren Gunsten. Doch aus alledem wurde nichts, die Investoren wollten den Panamakanal.

Im Vertrag von Cañas-Jerez wurde 1858 schließlich festgelegt, dass der Río San Juan zu Nicaragua gehört, Costa Rica den Fluss jedoch zu Handelszwecken befahren könne. Pläne, den Fluss zu einer internationalen Wasserstraße auszubauen, sind jedoch nie ganz in der Schublade verschwunden, ebenso wenig wie die Auseinandersetzungen darum. Zuletzt hatte der nicaraguanische Präsident Alemán Ambitionen, einen Kanal neben dem Fluss zu bauen, doch dann wurde er abgewählt.

Streit um Ausbaggerung an der Mündung

Der Streit um den exakten Grenzverlauf hatte sich bereits vor Jahren entzündet, als Nicaragua begann, das Flussbett auszubaggern. Erst im Juli 2009 hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag erneut die volle Souveränität Nicaraguas über den Fluss sowie das Recht Costa Ricas, den Fluss auf 140 Kilometern für die Schifffahrt zu nutzen, bestätigt. Die Grenze bildet demnach das Flussufer auf costaricanischer Seite. Die Ausbaggerungsarbeiten Nicaraguas nahe der Insel Calero, im dünn besiedelten Mündungsdelta zur Karibischen See, sind nun jedoch Ursache eines neuerlichen Streits. Denn sowohl Nicaragua als auch Costa Rica beanspruchen dieses Gebiet trotz richterlicher Entscheidung weiterhin für sich.

138 Kilometer Entfernung zwischen zwei Grenzmarken

Die rund 300 Kilometer lange Grenze zwischen beiden Ländern sei nur durch 20 Markierungen gekennzeichnet, berichtet die venezolanische Nachrichtenagentur Telesur. Die große Distanz zwischen den Markierungen eröffnet zuweilen Interpretationsspielraum. So sollen zwischen der ersten Markierung, die sich dreihundert Meter vom Ufer entfernt in der Karibischen See befindet, und der zweiten Markierung ganze 138 Kilometer liegen.

Costa Rica befürchtet, dass sich durch die Arbeiten am Flussbett die Flussläufe im Delta verändern könnten. Dies bedrohe Naturschutzgebiete, ökosysteme und Tourismus, heißt es in Presseberichten. Obwohl Costa Rica seit 1948 offiziell keine Streitkräfte mehr besitzt, entsandte das Land am vergangenen 22. Oktober 150 schwerbewaffnete Polizisten mit Kriegsgerät an die Grenze und auch Nicaragua hat Truppen auf die Insel Calero entsandt.

Vermittlungsversuch durch die Organisation Amerikanischer Staaten

Seit dem 5. November versucht der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza, auf Ersuchen Costa Ricas in dem Streitfall zu verhandeln. Insulza reiste zunächst nach Costa Rica und anschließend nach Nicaragua. Die Präsidentin Costa Ricas, Laura Chinchilla, ließ verlauten, dass sie den Abzug der nicaraguanischen Truppen von der Insel zur Bedingung für Verhandlungen mit Nicaragua mache. Die für den 27. November geplanten Gespräche einer binationalen Kommission könnten dadurch platzen.

Gefahr einer Krise in der Region

Costa Rica will sich zudem das Recht vorbehalten, den Fall vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen, wenn keine Einigung erzielt werden könne, erklärte Chinchilla gegenüber der Presse. Nicaragua hingegen sieht den Internationalen Gerichtshof in Den Haag weiterhin als das zuständige Gremium an und betrachtet den Fall als bereits entschieden.

Obwohl Insulza sich mit Stellungnahmen während der Gespräche zurückhalten wollte, ließ er doch verlautbaren, dass sich Nicaragua gesprächsbereit gezeigt habe: „Nicaragua zeigt sich entschlossen, den Konflikt friedlich beizulegen“, berichtet Telesur. Nicaraguas Präsident Daniel Ortega habe zudem die Besorgnis geäußert, dass Dritte den zwischenstaatlichen Konflikt nutzen könnten, um eine größere Krise heraufzubeschwören.

Autorin: Bettina Hoyer

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