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Mexiko |

Der Wortgewaltige: 100 Tage López Obrador

 

In seinen ersten 100 Tagen als Mexikos Präsident prägt Andrés Manuel López Obrador vor allem einen neuen politischen Stil. Die Bevölkerung liebt ihn dafür, bei Experten läuten die Alarmglocken.

López Obrador, genannt "AMLO" (Foto: Reuters/H. Romero)

Mexiko liegt seinem neuen Präsidenten nach dessen ersten 100 Tagen im Amt zu Füßen: 67 Prozent der Mexikaner unterstützen Andrés Manuel López Obrador und sein linksnationalistisches Projekt der "Vierten Transformation", so das Meinungsforschungsinstitut Mitofsky. Nun gelten die ersten drei Monate als Schonfrist, in der Staatschefs regelmäßig gut bewertet werden. Seine Vorgänger setzten in diesem Zeitraum jedoch schon Zeichen.

Der konservative Felipe Calderón eröffnete den Drogenkrieg, Enrique Peña Nieto von der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) erreichte zusammen mit der Opposition Verfassungsänderungen wie die Öffnung des Erdölsektors und eine Bildungsreform. López Obrador brilliert vor allem in der Kommunikation, sagt die Journalistin Ivonne Melgar der Deutschen Welle: "Er ist wortgewaltig und hat einen potenten Propagandaapparat, der die sozialen Netzwerke bespielt. Alles, was in den letzten 30 Jahren in Mexiko passiert ist, wertet López Obrador ab, und diese Schwarz-Weiß-Malerei funktioniert bei seiner Wählerbasis."

In seiner morgendlichen Pressekonferenz setzt er die Agenda des Tages. Wenn der Leser die Zeitung aufschlägt und die Analyse vom Vortag liest, hat López Obrador schon wieder neue Schwerpunkte gesetzt. Ein Thema jagt das nächste: Der Zug der Migranten auf der Halbinsel Yucatán wird abgelöst von einer Debatte um Frauenhäuser, gefolgt von der Neubesetzung des Obersten Gerichtes. Nichts wird vertieft. Für das Volk bleibt Symbolisches wie die gestrichenen Pensionen für Expräsidenten oder Sozialprogramme: Stipendien für Praktikanten, eine Sozialversicherung für Hausangestellte oder die universelle Mindestrente von rund 60 Euro monatlich ab 68 Jahren halten die Basis bei Laune.

Aktionistische Härte

Viele bewundern auch López Obradors hartes Durchgreifen gegen die Benzinmafia, das ihm die erste Morddrohung einbrachte. Die Benzinmafia kontrollierte zuletzt gut ein Drittel der Produktion des staatlichen Konzerns Pemex. López Obrador setzte korrupte Funktionäre ab und ließ die Anlagen vom Militär schützen. Dadurch würden bis zu 2,5 Milliarden US-Dollar gespart, sagt er. Dass das Erdöl statt durch Pipelines nun in Tanklastern durchs Land transportiert wird - was zu Jahresbeginn zu Versorgungsengpässen führte - und dass die Vergabe dieser lukrativen Aufträge direkt und nicht per Ausschreibung erfolgte, dringt kaum ins öffentliche Bewusstsein.

Genau das macht Experten Sorgen. So wurden im neuen Haushalt einer Erhebung der NGO "Mexico Evalua" zufolge 31 Sozialprogramme für gefährdete Bevölkerungsgruppen gestrichen und durch 20 neue ersetzt, die direkt dem Präsidenten unterstehen, und von denen 19 ohne klare Regeln funktionieren und hauptsächlich aus direkten Beihilfen bestehen. "Dient das dem Wohlstand oder schafft es nur eine neue politische Klientel?", fragt die Direktorin der NGO, Edna Jaime in der Tageszeitung "El Financiero". Das Mexikanische Zentrum für Umweltrecht (Cemda) bedauert seinerseits Kürzungen von 32 Prozent im Umweltministerium.

Keine Fortschritte im Kampf gegen die Drogenmafia

Morde und Gewalt sind im Kampf gegen die Drogenmafia weiter an der Tagesordnung. Seit López Obradors Amtsantritt wurden fünf Journalisten ermordet. Von der versprochenen Sicherheitspolitik sei nicht viel zu sehen, kritisiert Catalina Pérez Correa vom mexikanischen Think Tank CIDE gegenüber der DW. Die neu geschaffene Nationalgarde zur Bekämpfung der Kriminalität untersteht zwar nicht wie ursprünglich geplant direkt dem Militär. "Die Federführung liegt aber trotzdem bei den Streitkräften, die fortan Kommunikationen abhören und in Straftaten ermitteln können", sagt Pérez Correa. "Das ist ein Blankoscheck für eine Armee, die seit fünf Jahren keine Rechenschaft mehr ablegt über die von ihr ermordeten Zivilisten."

In Sachen Rechtsstaat verzeichnet sie ebenfalls Rückschritte: "Weder die Kandidaten für neu zu besetzende Posten am Obersten Gericht noch der neue Generalstaatsanwalt sind unabhängig, sondern stehen López Obrador nahe." Der von der Zivilgesellschaft seit Jahren geführte Kampf um mehr Transparenz und rechtsstaatliche Unabhängigkeit ist damit erst einmal verloren, und der Zivilgesellschaft habe López Obrador den Krieg erklärt. Die Journalistin Ivonne Melgar sieht hinter der Kontrolle der Justiz politisches Kalkül: "In einem so korrupten System wie Mexiko ist eigentlich fast jeder erpressbar. Straffreiheit wird so für Politiker und Unternehmer zum Anreiz, sich dem Willen des Präsidenten zu unterwerfen."

Hoffnung auf Wirtschaftswachstum

Was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, sind die Mexikaner zwar laut Umfragen so zuversichtlich wie schon lange nicht mehr, doch Unternehmer und Rating-Agenturen umso skeptischer. Von vier Prozent Wachstum, wie López Obrador versprochen hat, sind laut Banken weniger als zwei Prozent realistisch. "Ich sehe vor allem Unsicherheit und Nervosität", sagt Gabriela Siller, Chefökonomin der Finanzgruppe Banco Base. Das liege zum einen an der Unklarheit, wie sich der Protektionismus beim wichtigsten Handelspartner USA weiter entwickelt, zum anderen aber auch an López Obrador selbst: "Er will Raffinerien bauen, dabei ist das viel unwirtschaftlicher als in Produktion und Exploration zu investieren, wo die Gewinnspanne größer ist", sagt Siller. "Worin sein Wirtschaftsmodell besteht, ist unklar, und deshalb halten sich Investoren zurück."

Dass Wähler und Experten so in ihrem Urteil differieren, hat nach Ansicht des Ökonomen Luis Rubio psychologische Gründe: "Die Wähler verbindet ein fast religiöses Band mit dem Präsidenten, während die Fachleute versuchen, das Irrationale auf rationale Art zu interpretieren", schreibt er in der Zeitung "Reforma". Eine gewisse Zeit könnten gesellschaftliche Erwartungen manipuliert werden, etwa, indem man Sündenböcke erfinde. "Aber am Ende zählt nur, ob sich der Lebensstandard verbessert. Subventionen (...) können das eine Zeit lang übertünchen, aber langfristig sind sie keine Lösung, denn dafür reicht das Geld einfach nicht."

Autorin: Sandra Weiss, Deutsche Welle

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