Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Mexiko |

Der unterschwellige Krieg

Massengräber in Monterrey, in Säure aufgelöste Leichen in Tijuana, massakrierte Jugendliche in Ciudad Juárez. Eine Schreckensnachricht aus Mexiko folgt der nächsten. Länderreferentin Dr. Magdalena Holztrattner (35) berichtet über die aktuelle Situation in Mexiko und die Auswirkungen der Gewalt auf die Arbeit von Adveniat.

Fast täglich erreichen uns Nachrichten aus Mexiko über Morde und Gewalttaten. Was ist da los?

Holztrattner: Auslöser der Morde ist die Kriegserklärung des amtierenden Präsidenten Felipé Calderón gegen die Drogenkartelle. Calderón hat seit seinem Amtsantritt 2006 mehr als 50.000 Soldaten und Polizisten in den Kampf gegen die Drogenkartelle geschickt. Weit über 25.000 Morde wurden seither gemeldet, davon allein 7.000 bereits in 2010. Ciudad Juárez, die Stadt an der Grenze zu den USA, belegt Platz eins der globalen Mordrangliste. 1.700 Rauschgiftmorde wurden allein hier in den ersten sieben Monaten dieses Jahres registriert. Die Gewalt wird immer grausamer und verkommt zur Routine. Die mexikanische Bevölkerung selbst spricht vom „guerra de baja intensidad“ – dem unterschwelligen Krieg.

Welche Projekte unterstützt Adveniat in Mexiko?

Holztrattner: Adveniat unterstützt derzeit etwa 1.000 Projekte in Mexiko. Beispielsweise Herbergen für Migranten und Migrantinnen in Saltillo, Ciudad Juarez, Tapachula, Palenque und Tehuantepec. Dort bekommen die Menschen, die meist aus Zentralamerika durch Mexiko in die USA fliehen, warmes Essen und einen sicheren Schlafplatz für ein paar Nächte. Auch werden sie über ihre Rechte als Menschen und Migrantinnen aufgeklärt. Wir unterstützten viele Ordensschwestern, die in der Landpastoral arbeiten und mit den Ärmsten der Armen oft in den hintersten Winkeln des Landes arbeiten, ihnen nicht nur die Frohe Botschaft des Evangeliums verkünden, sondern mit ihnen auch daran arbeiten, dass ein besseres Leben in der Gemeinde möglich ist. Wir unterstützen Menschenrechtsorganisationen, die gerade in Mexiko oft bedroht werden. Ein wichtiger Schwerpunkt unserer Projekte ist auch die Aus- und Weiterbildung von Laien, damit sie gemeinsam mit den Pfarrern eine theologisch fundierte Arbeit in den Pfarreien leisten können.

Sind die Projektpartner von der Gewalt betroffen?

Holztrattner: Selbstverständlich. In Mexiko ist die Gewallt allgegenwärtig. Immer wieder werden Kinder, Jugendliche, ganze Familien ermordet. In erster Linie werden die Armen, die in den Großstädten leben, zu Opfern von Gewaltverbrechen. Da sich unsere Projektpartner für die Belange der Armen einsetzen, sind sie auf ganz unterschiedlichen Ebenen betroffen: Die Schutzlosigkeit der Migranten und Migrantinnen wird beispielsweise ausgenutzt durch die Maras – die Jugendbanden, durch Drogenkartelle und die Migrationspolizei. Sie werden erpresst, entführt, beraubt, verprügelt, zur Prostitution gezwungen oder ermordet.

Oder auch Bürgerrechtsbewegungen, die sich für die Rechte der Menschen auf Wasser, Land und Infrastruktur einsetzen, werden indirekt vom Staat kriminalisiert, weil sie als Terrorbewegungen gebrandmarkt werden. Dadurch haben auch engagierte Ordensschwestern, Priester und Laien mit den Konsequenzen der Terrorbekämpfung zu tun. Ein Beispiel von vielen: Die Verhaftung von Priester Martín Octavio García Ortiz im Bundesstaat Oaxaca im Süden Mexikos. Als Pfarrer setzte es sich durch Informationsveranstaltungen dafür ein, die Bevölkerung mündig zu machen. In der Auseinandersetzung mit einer kanadischen Minengesellschaft, die in der Gegend Gold und Silber schürfen wollte, sollten die von den Verschmutzungen Betroffenen befähigt sein, ihre Bedürfnisse und Rechte vertreten und einfordern zu können. Am 19. Juni dieses Jahres wurde er deswegen verhaftet und gefoltert.

Der Drogenkrieg ist allgegenwärtig in Mexiko. Ist Hilfe überhaupt möglich?

Holztrattner: Wir können den Menschen in Mexiko Hoffnung geben aus dem Glauben heraus. Das bedeutet, die Unterstützung der katholischen Kirche vor Ort. Damit die Feier von Gottesdiensten ermöglicht werden kann. Dazu gehört aber auch die gelebte Nächstenliebe. Deshalb unterstützt Adveniat caritative Projekte sowie Projekte, die die Basis stärken, Bewusstsein bilden, über Menschenrechte aufklären sowie die indigenen Gemeinschaften unterstützen und ihre Kultur stärken.

Frau Holztrattner, bitte beenden Sie den Satz: Für die Menschen in Mexiko wünsche ich mir …

… zuerst mehr Gerechtigkeit. „Ohne soziale Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden“, hat der Märtyrerbischof Oscar Romero aus El Salvador gesagt. Das gilt auch für Mexiko: Ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser, unverschmutztem Boden, zu guter Schulbildung und medizinischer Versorgung, ohne die Möglichkeit, ihre eigenen Sprachen und Kulturen pflegen zu können, ohne die gerechte Verteilung von Gütern und ohne gerechte Löhne und Sozialversicherungen wird die große Schere zwischen vielen sehr Armen und wenigen Reichen nicht kleiner werden. Wirtschaftliche, soziale, kulturelle Gerechtigkeit ist notwendig. Um das zu erreichen ist es die Aufgabe der Kirche, die Menschen im Glauben zu stärken. Dann können sie, aus dem Glauben heraus motiviert, für das allen Menschen zugesagte „Leben in Fülle“ einzustehen. Als Gott-des-Lebens liebt er/sie besonders die Kleinen, Schwachen, Gedemütigten, Ausgebeuteten und Traurigen. Und will, dass alle Menschen glücklich sind.

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