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Der Feuertod eines Maya-Heilers: Rassismus und Lynchjustiz in Guatemala

Religiöse Fanatiker stecken in Guatemala einen indigenen Maya-Wissenschaftler in Brand und ermorden ihn. Die grausame Tat wirft ein Schlaglicht auf den grassierenden Rassismus und die religiöse Intoleranz in dem Land, in dem Lynchmorde keine Seltenheit sind. 

Die Traditionen der Maya sind in Guatemala aufgrund von Rassismus und Intoleranz in Gefahr. (Archivbild: Maya-Zeremonie). Foto: Achim Pohl/ Adveniat 

Das halbe Dorf schaut zu, als Domingo Choc auf dem Sportplatz von Chimay im Dschungel Guatemalas in Flammen aufgeht. Niemand unternimmt etwas. Erst als Handyvideos von dem abscheulichen Mord an dem 55-jährigen Maya-Heiler in die Medien gelangen, reagiert Guatemala bis hoch zum Präsidenten. „Ich bedauere und verurteile den Mord an Domingo Choc“, schreibt Staatschef Alejandro Giammatei auf Twitter. „Ich habe die Staatsanwaltschaft angewiesen, die Schuldigen vor Gericht zu bringen.“ Die nahm am Montag sieben Verdächtige fest, darunter denjenigen, der Choc beschuldigt hatte, einen alten Mann durch Hexerei getötet zu haben und fünf Angehörige des Toten. Sie alle sind ebenfalls Indigene und gehören charismatischen, evangelikalen Kirchen an, die aggressiv gegen traditionelles Wissen und interkulturellen Dialog predigen.

Bevor er starb, war Domingo Choc schon stundenlang gefoltert worden. Er sei ein Hexer, man müsse ihm den Teufel austreiben, warf ihm die aufgebrachte Familie vor. Die lokalen Autoritäten, herbeigerufen von besorgten Nachbarn, kamen in dem Haus vorbei, sahen den Misshandelten, wechselten ein paar Worte mit seinen Peinigern– und zogen unverrichteter Dinge wieder ab.

Rassismus: "Traditionelles Wissen ist keine Hexerei"

Choc war ein angesehener Maya-Wissenschaftler und plante in Chimay einen botanischen Garten. Er arbeitete mit lokalen und internationalen Universitäten in Zürich und London zusammen und hatte viele Kontakte. Diese waren es, die aktiv wurden, sobald der grausame Mord bekannt wurde. „Wir verlangen Gerechtigkeit! Traditionelles Wissen ist keine Hexerei und kein Verbrechen #RassismusTötet“ twitterten indigene Gruppen und illustrierten dies mit Fotos, auf denen Choc im Dschungel bei der Inspektion von Heilpflanzen zu sehen ist.

„Sein Tod ist ein riesiger Verlust, wie wenn man eine Bibliothek verbrennt“, sagte die Anthropologin Monica Berger von der Universität del Valle de Guatemala, die mit ihm zusammenarbeitete. Unter den Maya-Heilern gehe nun Angst um, fügte sie hinzu. Die Kommentatorin Marcela Gereda machte in der Zeitung „El Periodico“ „Rassismus und Verachtung durch den Staat und die Gesellschaft“ für den Tod verantwortlich. „Wir sind nicht in der Lage, den Wert des traditionellen Wissens anzuerkennen und zerstören stattdessen unsere Wälder und unsere Biodiversität, deren Hüter Domingo war.“ „Verantwortung für den Tod haben nicht nur die Täter, sondern auch diejenigen, die Anführer, Priester und Pastoren, die nicht entschieden genug eintreten gegen Rassismus und Ignoranz“, schrieb derweil Menschenrechtsverteidigerin Claudia Samayoa auf twitter. Versagt habe auch das Bildungssystem, so Marco Antonio Garvito von der Liga für Mentale Hygiene. Es sei nicht in der Lage, eine harmonischere, diversere Gesellschaft zu begründen. „Von der Interkulturalität ist Guatemala noch Lichtjahre entfernt.“

Aufstieg Evangelikaler birgt Gefahren für indigene Traditionen

Lynchjustiz ist nichts Neues in dem ehemaligen Bürgerkriegsland. Zwischen 2008 und 2018 wurden nach Informationen der NGO Grupo de Apoyo Mutuo 348 Menschen gelyncht. Er weise jedes Jahr auf die Problematik hin, sagte der Ombudsmann Jordan Rodas, aber bis heute gebe es keine Präventionsstrategie.

Traditionelles Wissen und indigene Heiler wurden schon seit der spanischen Eroberung verfolgt und diskreditiert. Das Vordringen der evangelikalen Kirchen hat die Lage verschärft. In Chimay, 230 Kilometer nördlich der Hauptstadt, gibt eine katholische und sechs evangelikale Kirchen für 250 Einwohner. Die Förderung evangelikaler Kirchen war eine Strategie des US-Geheimdienstes während der Bürgerkriege der 70er und 80er Jahre in Mittelamerika. Zum einen ging es darum, die als kommunistisch eingestufte, katholische Befreiungstheologie auszumanövrieren, zum anderen um die Ausrottung indigener Kultur wie den Kollektivismus und die Verwurzelung mit der Natur, um leichter an Land und Bodenschätze auf indigenem Terrain zu kommen. In Guatemala konvertierten auch zahlreiche Diktaturschergen zum Protestantismus, beispielsweise Diktator Efraín Ríos Montt. Die Anhänger der evangelikalen Kirchen sind inzwischen eine wichtige politische Klientel für konservative und rechtspopulistische Politiker. 

Autorin: Sandra Weiss

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