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Kolumbien |

Das Landrückgabegesetz - eine Chance für einen dauerhaften Frieden?

María Camila an der Opfergedenkstätte in Trujillo. Foto: Oliver Schmieg.
María Camila an der Opfergedenkstätte in Trujillo. Foto: Oliver Schmieg.

Maria Camila Ordoñez wählt ihre Worte mit Bedacht. "Ich musste mich vor ihnen niederknien und sie sagten mir, dass sie mich umbringen würden", erinnert sie sich an den Tag, an dem sie und ihre Familie von FARC-Guerrilleros von ihrem Land vertrieben wurden. Zwar hat sie vergangenen Dezember einen juristischen Sieg erringen können, als sie ihren Grundbesitz von einem Gericht im kolumbianischen Buga zurückübereignet bekam, allerdings weiß sie auch, dass das nur ein erster Schritt auf dem Weg nach Hause in ihr Geburtsdorf Venecia ist.

Nachdem Maria Camila vor 20 Jahren ihr Anwesen unter Todesdrohungen verlassen musste, verkauften die Guerrilleros das Grundstück an den Meistbietenden. Dieser wiederum musste nun auf richterliche Anordnung hin das Grundstück zu Gunsten Maria Camilas verlassen. Erworben ohne Besitzdokumente, konnte er einen rechtmäßigen Kauf des landwirtschaftlichen Anwesens nicht nachweisen. Für die Bewohner des kleinen Dorfes in den kolumbianischen Anden jedoch ist die 59-Jährige Verwaltungsangestellte nun der unerwünschte Eindringling zu lange haben sie mit dem unrechtmäßigen Käufer und seiner Familie zusammengelebt.

Rückführung mehrerer Millionen Hektar

Die Verteilung des Grundbesitzes ist eines der zentralen Themen hinsichtlich des Konflikts in Kolumbien. Im Juni 2011 hat der Kongress des südamerikanischen Landes deshalb das Gesetz Nummer 1448 verabschiedet, Gesetz zur Opferentschädigung und Landrückgabe (Ley de Victimas y Restitución de Tierras). Es war der Startschuss zu einem der ehrgeizigsten Projekte der Regierung Juan Manuel Santos'. Mehrere Millionen Hektar Land sollten innerhalb von zehn Jahren an Binnenflüchtlinge zurücküberführt werden, die wegen des bewaffneten Konflikts von ihrem Besitz gewaltsam vertrieben wurden.

Gut 1.000 Menschen wurden bis heute durch das Gesetz zur Opferentschädigung und Landrückgabe begünstigt. Zu wenig, meinen Kritiker des Gesetzes. Die Nichtregierungsorganisation Observatorium zur Landrückgabe und Regulierung ländlichen Grundbesitzes (Observatorio De Restitución Y Regulación De Derechos De Propiedad Agraria) hat erst kürzlich eine Untersuchung veröffentlicht, die zu dem Schluss kommt, dass trotz des enormen Aufwandes, betrieben durch die kolumbianische Regierung, die vorgesehenen zehn Jahre zur Opferentschädigung nicht ausreichen werden.

Landrückgabe ist Voraussetzung für Frieden

Sonia Uribe, Mitarbeiterin der NGO, erklärt wie wichtig das Gesetz zur Opferentschädigung und Landrückgabe dennoch für den Frieden ist: "In Kolumbien hatte der Konflikt in der Vergangenheit einen großen Einfluss darauf, wie Landeigentum verteilt wurde. Viele Menschen haben ihren Besitz gewaltsam an bewaffnete Gruppen verloren. Einen dauerhaften Frieden werden wir deshalb sicher nur dann erreichen, wenn wir es schaffen, die Probleme der Landverteilung zu lösen. Unabhängig davon, wie lange dies dauern mag."

Mit ihrer Prognose dürfte Sonia Uribe Recht haben: laut eines aktuellen Berichts von Oxfam International, einer unabhängigen Nothilfe- und Entwicklungsorganisation, befinden sich immerhin rund 80 Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Grundes in den Händen von gerade mal 14 Prozent der Bevölkerung. Das Landwirtschaftsministerium Kolumbiens rechnet bis ins Jahr 2021 mit voraussichtlich 360.000 Anträgen auf Landrückgabe. Da in der Regel jedes Gesuch eine Familie repräsentiert, könnten mittels des Gesetzes zur Opferentschädigung und Landrückgabe nicht nur zwischen ein und zwei Millionen Binnenflüchtlinge ein Zuhause finden, sondern davon abgesehen würde das Gesetz auch zu einer gerechteren Verteilung ländlichen Besitzes beitragen.

Rückkehrer werden bedroht

Maria Camila Ordoñez möchte langfristig in eine Rinderzucht investieren. Allerdings hat sie bislang noch nicht den Mut aufgebracht, dauerhaft auf ihr Anwesen zurückzukehren. Zu groß ist die Angst, es könne ihr etwas in der Abgeschiedenheit ihrer Finca passieren. "Einmal in der Woche sehe ich nach dem Rechten", sagt sie. "Ich achte aber darauf, dass ich niemals in der Dunkelheit unterwegs bin und ändere ständig sowohl die Wochentage meines Besuchs, als auch den Weg, auf dem ich die Strecke zurücklege", fährt sie fort. Als sie das letzte mal zu Fuß von ihrer Finca aus nach Venecia zurückkehrte, versperrte ihr plötzlich ein junger Mann den Weg. Wortlos zog er einen Revolver aus seinem Hosenbund und zielte mit ausgestrecktem Arm auf ihren Kopf. Nach ein paar Sekunden verschwand er. Maria Camila allerdings weiß seitdem, dass es noch lange dauern wird, bis sie sich erneut, so wie früher, geborgen und sicher auf ihrer Finca fühlen wird.

Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch haben während der vergangenen zwei Jahre 500 Antragsteller Todesdrohungen erhalten, mehrere Dutzend von ihnen wurden ermordet. Trotz des Unbekannten, der sie vor einigen Wochen bedrohte, bereut es Maria Camila Ordoñez keineswegs, ihre rechtlichen Ansprüche durchgesetzt zu haben. "Zwanzig Jahre lang habe ich fast täglich darüber nachgedacht, was passiert wäre wenn meine Familie und ich uns damals widersetzt hätten. Wenn man vertrieben wird, dann verliert man nicht nur sein Eigentum, sondern es ist auch demütigend, dass man darüber hinaus seinen Grund und Boden wie ein Hund verlassen muss", erklärt sie. "Auch wenn ich noch nicht auf meiner Finca leben kann, so habe ich dennoch mit der Klage zumindest meine Würde zurückgewonnen."

Autor: Oliver Schmieg

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