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COP23: Sein und Schein der brasilianischen Umweltpolitik

Weniger Abholzung, mehr Emissionen - die Kurzform von Brasiliens Klimabilanz klingt besser, als das Urteil der Kritiker. Foto: picture-alliance/dpa/I. Risco-Rodriguez
Weniger Abholzung, mehr Emissionen - die Kurzform von Brasiliens Klimabilanz klingt besser, als das Urteil der Kritiker. Foto: picture-alliance/dpa/I. Risco-Rodriguez

In Brasilien ist der Klimaschutz auf einem guten Weg. Diese Botschaft wird von José Sarney Filho und seiner Delegation auf dem 23. Weltklimagipfel der Vereinten Nationen (COP23) in Bonn erwartet.

Alle Kritik an der Umweltpolitik der Regierung weist Brasiliens Umweltminister weit von sich. Im letzten Jahr hätten sich Nachrichten über Rückschritte gehäuft, sagte Filho wenige Tage vor Beginn der COP23 auf einer international besetzten Pressekonferenz. Doch diese Darstellungen entsprächen einfach nicht der Realität: "Wir haben Fortschritte in der Umweltpolitik erzielt, und wir verhindern, dass diese Umweltpolitik die Ziele des Pariser Abkommens auf irgendeine Weise gefährden könnten."

Nur wenige Tage zuvor hatte das Observatório do Clima (ODC), eine Dachorganisation von rund 35 zivilen Umweltorganisationen, seine Jahresbilanz über die brasilianischen Treibhausgase veröffentlicht. Demnach lagen die Emissionen im Jahr 2016 um 9 Prozent über denen von 2015. "Zu sagen, diese Regierung hätte die Umweltpolitik vorangebracht, ist kontrafaktisch", sagt Carlos Rittl vom ODC. "Im Gegenteil: Die nie dagewesene Machtfülle des Agrarsektors in der Politik bewirkt einen historischen Rückschritt beim Schutz sozioökologischer Interessen in Brasilien."

Die Macht der Landwirtschaft

Die parteiübergreifende Gruppe jener Parlamentarier, die die Interessen der Großgrundbesitzer im brasilianischen Kongress vertreten, war nie so groß wie seit den letzten Wahlen 2014. Abhängig vom Thema der Abstimmung und davon, welche der beiden Kammern befragt werden, erreichen die "Bancada Ruralista" ein Drittel aller Stimmen. In jedem Fall belegt sie weitaus mehr Sitze als die stärkste Partei im Kongress.

"Was in der Regierung Temer geschieht, ist eine Attacke auf die Umweltschutzgesetze aus vielen Richtungen, in die eine ganze Reihe von Ministerien eingebunden sind", sagt Márcio Astrini von Greenpeace Brasil. "Es ist ein Alptraum für den Umweltschutz." Unter dem Einfluss der Ruralistas hat die Regierung ein Gesetz vorgeschlagen, das die größte Reduktion von Naturschutzflächen in der Geschichte Brasiliens vorsieht. Ein weiteres Gesetz, das eine Amnestie für die widerrechtliche Aneignung von Land ermöglicht, ist bereits verabschiedet. Und die Demarkation von indigenen Gebieten hat die Regierung weitgehend eingefroren.

Die Rolle des Regenwaldes

Dass diese Grenzziehungen zum Erhalt des brasilianischen Regenwaldes beitragen dürften, bestätigte kürzlich einmal mehr eine gemeinsame Studie mehrerer US-Institute - der Rights and Resources Initiative (RRI), des Woods Hole Research Centers (WHRC) und der Fabrik World Resources Institute (WRI): Demnach sind Wälder im Besitz oder unter der Verwaltung indigener Völker am wenigsten von Raubbau und Zerstörung betroffen.

"Es gibt wirklich nichts Gutes über die aktuelle Umweltpolitik Brasiliens zu sagen", sagt Sonia Guajajara, von der "Interessenvertretung der indigenen Völker Brasiliens" (Apib) im DW-Gespräch. Guajajara gehört zu den bekanntesten und rigorosesten Aktivistinnen Brasiliens. Mit einer Gruppe Gleichgesinnter aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas hat sie im Vorfeld der COP23 europäische Hauptstädte mit dem Bus bereist, um über die Rolle des Regenwalds im Klimawandel zu sprechen. Allein die tropischen Regenwälder unter indigener Verwaltung binden weltweit etwa ein Viertel des Kohlenstoffs, so die US-Studie, daher würde ihr Erhalt und Ausbau essentiell zur Vermeidung von Treibhausgasen in der Atmosphäre beitragen. Im Jahr 2016 entstand in Brasilien mehr als die Hälfte aller Treibhausgasemissionen bei der Zerstörung von Regenwald.

Kleiner Erfolg - der Regierung?

Allerdings haben die Brasilianer auf der COP23 tatsächlich einen kleinen Erfolg zu vermelden: Zwischen August 2016 und Juli 2017 wurde 16 Prozent weniger Fläche entwaldet als in den zwölf Monaten davor. Umweltminister Sarney Filho feiert das als Erfolg der rigorosen Arbeit der zuständigen Behörde "Ibama", die auch Greenpeace-Mann Astrini lobt für ihren "Mut, mit dem sie sich der Entwaldung und der Illegalität im Amazonasgebiet entgegenstellt". Einen Grund, die Regierung für den Rückgang der Rodungen ab Mitte 2016 zu loben, sieht Astrini allerdings nicht. Zum einen bezieht sich die Verbesserung auf die Vergleichsperiode 2015/2016, für die das Nationale Institut für Raumstudien (INPE) die höchste Abholzungsrate seit 2008 verzeichnet. Zuletzt wurden immer noch 6.600 Quadratkilometer in zwölf Monaten gerodet. Und außerdem, erinnert Astrini: "Die Viehzucht ist einer der Haupttreiber der Entwaldung, und diverse Skandale um den Fleischkonzern JBS haben die Branche geschwächt."

Pariser Ziele aus den Augen verloren

In jedem Fall ist Brasilien noch weit von seinen offiziellen Klimazielen entfernt. In Paris hat sich das Land dazu verpflichtet, bis 2020 illegale Rodung vollkommen zu verhindern, bis 2030 sollen 120.000 Quadratkilometer wieder aufgeforstet werden. ODC-Forscher Rittl mahnt: "Im Jahr 2017 liegen wir 70 Prozent über dem Ziel von 2020." Internationale Geldgeber haben bereits reagiert: Mitte des Jahres kritisierte Norwegen die brasilianische Regierung für die "falsche Richtung" ihrer Umweltpolitik. Das Land hat einen Schutzfonds für das Amazonasgebiet aufgelegt. Dieses Jahr jedoch wollen die Nordeuropäer ihren jährlichen Beitrag von rund 100 Millionen Euro angesichts der Entwicklungen halbieren.

Übergriffe gegen Waldbehörde

Umweltminister Sarney Filho räumte indes ein, es sei offensichtlich, dass die bisherige Strategie an ihre Grenzen stoße. Man müsse daher so bald wie möglich das Programm "Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen" umsetzen, das als eine Art negative Umweltsteuer gedacht ist. Vereinfacht gesagt: Wer Bäume pflanzt oder erhält, bekommt dafür Geld. "Damit", so Sarney Filho, "signalisieren wir, dass es einen Weg gibt, den Wald zu erhalten und gleichzeitig die Lebensqualität der Menschen zu verbessern."

Solche Reden erwartet die indigene Aktivistin Guajajara von Sarney Filho auch auf der COP23 in Bonn. Aber sie warnt: "Der Widerspruch zwischen dem, was die Regierung international präsentiert, und dem, was sie tut, ist riesig. Tatsächlich werden derzeit die brasilianische Umweltpolitik, die Rechte der Indigenen und die sozialen Rechte überhaupt vollkommen demontiert."

Quelle: Deutsche Welle, Autorin: Nádia Pontes (jdw)

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